Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dortigen Proceduren für unsere heimischen brauchbare Vergleichungspunkte
zu gewinnen, er sollte nicht minder an Plätzen wie Newyork, Quebec. Boston,
Baltimore, Neworleans u. s. f., wo regelmäßig deutsche Einwanderer ge¬
landet werden, für die Sammlung beglaubigter Angaben über den Ablauf der
verschiedenen Reisen sorgen. In den meisten Fällen werden die Bundeseon-
suln zu diesem Geschäft verwendbar sein. In anderen müßte man sich ent¬
weder durch stationirte Marine - Offiziere oder sonst geeignete Agenten
helfen.

Während diese Vorbereitungen für den beabsichtigten Bundesgesetzge-
bungs-Act getroffen werden, brauchen aber andere nicht zu ruhen. Man
kann die gesammte Auswanderungs-Gesetzgebung der civilistrten Welt zu¬
sammentragen und vergleichen. Man kann die principiellen Vorfragen -- wie
z. B. die. weshalb denn eigentlich der Auswanderer ein Recht auf mehr
Schutz und eine Pflicht, sich mehr Bevormundung gefallen zu lassen, habe
als der gewöhnliche Reisende--, zu vorläufigen theoretischen Austrage zu
bringen suchen. Ebenso die verwandten Fragen: ob ein bestimmtes Ziel
und welches der nationalen Auswanderung anzuweisen sei, oder die da¬
mit einigermaßen zusammenhängende: was geschehen könnte, um eine Art
sicherer und fruchtbarer nationaler Verbindung mit den ausgewanderten
Landsleuten aufrecht zuerhalten. Endlich aber wäre alle Aufmerksamkeit und
Energie darauf zu richten, die gesetzliche Regelung des Auswandererwesens
in die internationale Sphäre zu erheben.

Gegenwärtig operirt in dieser Hinsicht bekanntlich jeder Staat auf
eigene Faust. Die Folge ist, daß über einen gewissen elementaren Zustand
der Gesetzgebung nicht hinauszukommen ist. Sollte man z. B. in Deutsch¬
land Vorschriften in Bezug auf die Nahrung unterwegs oder auf den durch¬
schnittlichen Luftraum für je eine Person ertheilen, welche das in den con¬
currirenden fremden Hafenplätzen übliche Maß weit hinter sich ließen, so würde
die Folge sein, daß ungleich niedrigere Fahrpreise die Auswanderer massen¬
haft nach den fremden Häfen lockten, und man hätte sie schließlich schlech¬
ter, nicht besser gebettet. Ein anderer ähnlicher, obwohl anscheinend umge¬
kehrter Fall ist die vielbesprochene ärztliche Begleitung der mit Auswanderern
fahrenden Segelschiffe. Sie ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, wohl aber
in Frankreich und England. In Deutschland dagegen, oder wenigstens in
Bremen, werden die Schiffsführer auf der Steuermannsschule, zu medicinischen
Behandlungen der gewöhnlichsten Krankheiten und Wunden ausgerüstet, und
so lax ist in Havre und Liverpool die Examinal-Praxis für Schiffsärzte, daß
schon mehr als ein Bremer Steuermann die Prüfung bestanden und als
Steuermann oder Eapitän und "Arzt" zugleich von dort gesegelt ist. Damit
aber nicht genug. Nicht Europa allein nimmt sich der Auswanderung mit


dortigen Proceduren für unsere heimischen brauchbare Vergleichungspunkte
zu gewinnen, er sollte nicht minder an Plätzen wie Newyork, Quebec. Boston,
Baltimore, Neworleans u. s. f., wo regelmäßig deutsche Einwanderer ge¬
landet werden, für die Sammlung beglaubigter Angaben über den Ablauf der
verschiedenen Reisen sorgen. In den meisten Fällen werden die Bundeseon-
suln zu diesem Geschäft verwendbar sein. In anderen müßte man sich ent¬
weder durch stationirte Marine - Offiziere oder sonst geeignete Agenten
helfen.

Während diese Vorbereitungen für den beabsichtigten Bundesgesetzge-
bungs-Act getroffen werden, brauchen aber andere nicht zu ruhen. Man
kann die gesammte Auswanderungs-Gesetzgebung der civilistrten Welt zu¬
sammentragen und vergleichen. Man kann die principiellen Vorfragen — wie
z. B. die. weshalb denn eigentlich der Auswanderer ein Recht auf mehr
Schutz und eine Pflicht, sich mehr Bevormundung gefallen zu lassen, habe
als der gewöhnliche Reisende—, zu vorläufigen theoretischen Austrage zu
bringen suchen. Ebenso die verwandten Fragen: ob ein bestimmtes Ziel
und welches der nationalen Auswanderung anzuweisen sei, oder die da¬
mit einigermaßen zusammenhängende: was geschehen könnte, um eine Art
sicherer und fruchtbarer nationaler Verbindung mit den ausgewanderten
Landsleuten aufrecht zuerhalten. Endlich aber wäre alle Aufmerksamkeit und
Energie darauf zu richten, die gesetzliche Regelung des Auswandererwesens
in die internationale Sphäre zu erheben.

Gegenwärtig operirt in dieser Hinsicht bekanntlich jeder Staat auf
eigene Faust. Die Folge ist, daß über einen gewissen elementaren Zustand
der Gesetzgebung nicht hinauszukommen ist. Sollte man z. B. in Deutsch¬
land Vorschriften in Bezug auf die Nahrung unterwegs oder auf den durch¬
schnittlichen Luftraum für je eine Person ertheilen, welche das in den con¬
currirenden fremden Hafenplätzen übliche Maß weit hinter sich ließen, so würde
die Folge sein, daß ungleich niedrigere Fahrpreise die Auswanderer massen¬
haft nach den fremden Häfen lockten, und man hätte sie schließlich schlech¬
ter, nicht besser gebettet. Ein anderer ähnlicher, obwohl anscheinend umge¬
kehrter Fall ist die vielbesprochene ärztliche Begleitung der mit Auswanderern
fahrenden Segelschiffe. Sie ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, wohl aber
in Frankreich und England. In Deutschland dagegen, oder wenigstens in
Bremen, werden die Schiffsführer auf der Steuermannsschule, zu medicinischen
Behandlungen der gewöhnlichsten Krankheiten und Wunden ausgerüstet, und
so lax ist in Havre und Liverpool die Examinal-Praxis für Schiffsärzte, daß
schon mehr als ein Bremer Steuermann die Prüfung bestanden und als
Steuermann oder Eapitän und „Arzt" zugleich von dort gesegelt ist. Damit
aber nicht genug. Nicht Europa allein nimmt sich der Auswanderung mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286744"/>
          <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> dortigen Proceduren für unsere heimischen brauchbare Vergleichungspunkte<lb/>
zu gewinnen, er sollte nicht minder an Plätzen wie Newyork, Quebec. Boston,<lb/>
Baltimore, Neworleans u. s. f., wo regelmäßig deutsche Einwanderer ge¬<lb/>
landet werden, für die Sammlung beglaubigter Angaben über den Ablauf der<lb/>
verschiedenen Reisen sorgen. In den meisten Fällen werden die Bundeseon-<lb/>
suln zu diesem Geschäft verwendbar sein. In anderen müßte man sich ent¬<lb/>
weder durch stationirte Marine - Offiziere oder sonst geeignete Agenten<lb/>
helfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_57"> Während diese Vorbereitungen für den beabsichtigten Bundesgesetzge-<lb/>
bungs-Act getroffen werden, brauchen aber andere nicht zu ruhen. Man<lb/>
kann die gesammte Auswanderungs-Gesetzgebung der civilistrten Welt zu¬<lb/>
sammentragen und vergleichen. Man kann die principiellen Vorfragen &#x2014; wie<lb/>
z. B. die. weshalb denn eigentlich der Auswanderer ein Recht auf mehr<lb/>
Schutz und eine Pflicht, sich mehr Bevormundung gefallen zu lassen, habe<lb/>
als der gewöhnliche Reisende&#x2014;, zu vorläufigen theoretischen Austrage zu<lb/>
bringen suchen. Ebenso die verwandten Fragen: ob ein bestimmtes Ziel<lb/>
und welches der nationalen Auswanderung anzuweisen sei, oder die da¬<lb/>
mit einigermaßen zusammenhängende: was geschehen könnte, um eine Art<lb/>
sicherer und fruchtbarer nationaler Verbindung mit den ausgewanderten<lb/>
Landsleuten aufrecht zuerhalten. Endlich aber wäre alle Aufmerksamkeit und<lb/>
Energie darauf zu richten, die gesetzliche Regelung des Auswandererwesens<lb/>
in die internationale Sphäre zu erheben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_58" next="#ID_59"> Gegenwärtig operirt in dieser Hinsicht bekanntlich jeder Staat auf<lb/>
eigene Faust. Die Folge ist, daß über einen gewissen elementaren Zustand<lb/>
der Gesetzgebung nicht hinauszukommen ist. Sollte man z. B. in Deutsch¬<lb/>
land Vorschriften in Bezug auf die Nahrung unterwegs oder auf den durch¬<lb/>
schnittlichen Luftraum für je eine Person ertheilen, welche das in den con¬<lb/>
currirenden fremden Hafenplätzen übliche Maß weit hinter sich ließen, so würde<lb/>
die Folge sein, daß ungleich niedrigere Fahrpreise die Auswanderer massen¬<lb/>
haft nach den fremden Häfen lockten, und man hätte sie schließlich schlech¬<lb/>
ter, nicht besser gebettet. Ein anderer ähnlicher, obwohl anscheinend umge¬<lb/>
kehrter Fall ist die vielbesprochene ärztliche Begleitung der mit Auswanderern<lb/>
fahrenden Segelschiffe. Sie ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, wohl aber<lb/>
in Frankreich und England. In Deutschland dagegen, oder wenigstens in<lb/>
Bremen, werden die Schiffsführer auf der Steuermannsschule, zu medicinischen<lb/>
Behandlungen der gewöhnlichsten Krankheiten und Wunden ausgerüstet, und<lb/>
so lax ist in Havre und Liverpool die Examinal-Praxis für Schiffsärzte, daß<lb/>
schon mehr als ein Bremer Steuermann die Prüfung bestanden und als<lb/>
Steuermann oder Eapitän und &#x201E;Arzt" zugleich von dort gesegelt ist. Damit<lb/>
aber nicht genug.  Nicht Europa allein nimmt sich der Auswanderung mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] dortigen Proceduren für unsere heimischen brauchbare Vergleichungspunkte zu gewinnen, er sollte nicht minder an Plätzen wie Newyork, Quebec. Boston, Baltimore, Neworleans u. s. f., wo regelmäßig deutsche Einwanderer ge¬ landet werden, für die Sammlung beglaubigter Angaben über den Ablauf der verschiedenen Reisen sorgen. In den meisten Fällen werden die Bundeseon- suln zu diesem Geschäft verwendbar sein. In anderen müßte man sich ent¬ weder durch stationirte Marine - Offiziere oder sonst geeignete Agenten helfen. Während diese Vorbereitungen für den beabsichtigten Bundesgesetzge- bungs-Act getroffen werden, brauchen aber andere nicht zu ruhen. Man kann die gesammte Auswanderungs-Gesetzgebung der civilistrten Welt zu¬ sammentragen und vergleichen. Man kann die principiellen Vorfragen — wie z. B. die. weshalb denn eigentlich der Auswanderer ein Recht auf mehr Schutz und eine Pflicht, sich mehr Bevormundung gefallen zu lassen, habe als der gewöhnliche Reisende—, zu vorläufigen theoretischen Austrage zu bringen suchen. Ebenso die verwandten Fragen: ob ein bestimmtes Ziel und welches der nationalen Auswanderung anzuweisen sei, oder die da¬ mit einigermaßen zusammenhängende: was geschehen könnte, um eine Art sicherer und fruchtbarer nationaler Verbindung mit den ausgewanderten Landsleuten aufrecht zuerhalten. Endlich aber wäre alle Aufmerksamkeit und Energie darauf zu richten, die gesetzliche Regelung des Auswandererwesens in die internationale Sphäre zu erheben. Gegenwärtig operirt in dieser Hinsicht bekanntlich jeder Staat auf eigene Faust. Die Folge ist, daß über einen gewissen elementaren Zustand der Gesetzgebung nicht hinauszukommen ist. Sollte man z. B. in Deutsch¬ land Vorschriften in Bezug auf die Nahrung unterwegs oder auf den durch¬ schnittlichen Luftraum für je eine Person ertheilen, welche das in den con¬ currirenden fremden Hafenplätzen übliche Maß weit hinter sich ließen, so würde die Folge sein, daß ungleich niedrigere Fahrpreise die Auswanderer massen¬ haft nach den fremden Häfen lockten, und man hätte sie schließlich schlech¬ ter, nicht besser gebettet. Ein anderer ähnlicher, obwohl anscheinend umge¬ kehrter Fall ist die vielbesprochene ärztliche Begleitung der mit Auswanderern fahrenden Segelschiffe. Sie ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, wohl aber in Frankreich und England. In Deutschland dagegen, oder wenigstens in Bremen, werden die Schiffsführer auf der Steuermannsschule, zu medicinischen Behandlungen der gewöhnlichsten Krankheiten und Wunden ausgerüstet, und so lax ist in Havre und Liverpool die Examinal-Praxis für Schiffsärzte, daß schon mehr als ein Bremer Steuermann die Prüfung bestanden und als Steuermann oder Eapitän und „Arzt" zugleich von dort gesegelt ist. Damit aber nicht genug. Nicht Europa allein nimmt sich der Auswanderung mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/32>, abgerufen am 29.06.2024.