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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Der pariser "Salon" von 1863.
I.

Indem wir bei dem Unternehmen, für einen gebildeten Leserkreis post
köstuni die Honneurs im diesjährigen ,,Salon<' der großen pariser Kunstaus¬
stellung zu machen, von vorn herein auf die Vollständigkeit verzichten, die
bei den Honoratioren und schönen Frauen beginnt, um bei den "Chinois",
wie der Franzose obscure Personen nennt, zu endigen, so üben wir nur die
gute Sitte des Wirthes im großen Gesellschaftssalon, der sich beim Origi¬
neller und Bedeutenden und bei dem begnügt, was unterhält. Wäre es
doch ohnehin eine physische Unmöglichkeit, 2500 Bilder, die von A bis Z
nummerirt sind, wie die Reviere unserer Forstwaltung, und auch auf den
rechten Blick nicht viel größere und individuellere Unterschiede zeigen als
diese, mit Muße zu sehen, geschweige denn zu beschreiben. Denn mit dem
zehnten Theil käme vielleicht eine genießbare Gallerie -- erst mit dem hun¬
dertsten eine Kunstsammlung im ästhetischen Wortsinn zu Stande. In dieser
Form jährlicher Lieferung, sinkt die Ausstellung jedoch zu einem großen
Bazar und industriellen Bildermarkt herab, der zwar dem aufkeimenden
Talent eine Art Schule und eine leicht ersteigliche Sprosse auf der steilen
Leiter des Ruhmes bietet, auf dem andrerseits aber auch das Unkraut manch'
seltenes Korn, oder eine viel versprechende Blüthe zu ersticken droht. Das
Publikum streift blasirt, verwirrt und geängstigt von dem zuviel, an manchem
Guten achtlos vorüber, der Amateur windet sich mühsam hindurch, seine
alten Freunde suchend, ehrlich bemüht, jedem guten, neuen, ein Beifalls¬
lächeln nicht zu versagen. Auch vergessen wir es auf unserer Wanderung
nicht, daß die Laien solche Sammlungen nur durchblättern wie Kinder ein
Bilderbuch, nach .leicht verständlichen Geschichten haschend. -- Marine, Thier¬
stücke, Stillleben, Porträts- und Landschaften, wenn auch noch so brav ge¬
malt, existiren für sie nur als langweilige Zugabe; vielleicht von richtigem
Jnstinct geleitet, suchen sie einzig nach dem Leben in den Darstellungen der
Kunst. Deshalb will auch ich meinen Lesern nur das Sehenswürdige und
die Curiositäten wie in einer I>s,tervg> waxica vorführen, mich des Raisonne-


Grenzboten III. 1868. 36
Der pariser „Salon" von 1863.
I.

Indem wir bei dem Unternehmen, für einen gebildeten Leserkreis post
köstuni die Honneurs im diesjährigen ,,Salon<' der großen pariser Kunstaus¬
stellung zu machen, von vorn herein auf die Vollständigkeit verzichten, die
bei den Honoratioren und schönen Frauen beginnt, um bei den „Chinois",
wie der Franzose obscure Personen nennt, zu endigen, so üben wir nur die
gute Sitte des Wirthes im großen Gesellschaftssalon, der sich beim Origi¬
neller und Bedeutenden und bei dem begnügt, was unterhält. Wäre es
doch ohnehin eine physische Unmöglichkeit, 2500 Bilder, die von A bis Z
nummerirt sind, wie die Reviere unserer Forstwaltung, und auch auf den
rechten Blick nicht viel größere und individuellere Unterschiede zeigen als
diese, mit Muße zu sehen, geschweige denn zu beschreiben. Denn mit dem
zehnten Theil käme vielleicht eine genießbare Gallerie — erst mit dem hun¬
dertsten eine Kunstsammlung im ästhetischen Wortsinn zu Stande. In dieser
Form jährlicher Lieferung, sinkt die Ausstellung jedoch zu einem großen
Bazar und industriellen Bildermarkt herab, der zwar dem aufkeimenden
Talent eine Art Schule und eine leicht ersteigliche Sprosse auf der steilen
Leiter des Ruhmes bietet, auf dem andrerseits aber auch das Unkraut manch'
seltenes Korn, oder eine viel versprechende Blüthe zu ersticken droht. Das
Publikum streift blasirt, verwirrt und geängstigt von dem zuviel, an manchem
Guten achtlos vorüber, der Amateur windet sich mühsam hindurch, seine
alten Freunde suchend, ehrlich bemüht, jedem guten, neuen, ein Beifalls¬
lächeln nicht zu versagen. Auch vergessen wir es auf unserer Wanderung
nicht, daß die Laien solche Sammlungen nur durchblättern wie Kinder ein
Bilderbuch, nach .leicht verständlichen Geschichten haschend. — Marine, Thier¬
stücke, Stillleben, Porträts- und Landschaften, wenn auch noch so brav ge¬
malt, existiren für sie nur als langweilige Zugabe; vielleicht von richtigem
Jnstinct geleitet, suchen sie einzig nach dem Leben in den Darstellungen der
Kunst. Deshalb will auch ich meinen Lesern nur das Sehenswürdige und
die Curiositäten wie in einer I>s,tervg> waxica vorführen, mich des Raisonne-


Grenzboten III. 1868. 36
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[0305] Der pariser „Salon" von 1863. I. Indem wir bei dem Unternehmen, für einen gebildeten Leserkreis post köstuni die Honneurs im diesjährigen ,,Salon<' der großen pariser Kunstaus¬ stellung zu machen, von vorn herein auf die Vollständigkeit verzichten, die bei den Honoratioren und schönen Frauen beginnt, um bei den „Chinois", wie der Franzose obscure Personen nennt, zu endigen, so üben wir nur die gute Sitte des Wirthes im großen Gesellschaftssalon, der sich beim Origi¬ neller und Bedeutenden und bei dem begnügt, was unterhält. Wäre es doch ohnehin eine physische Unmöglichkeit, 2500 Bilder, die von A bis Z nummerirt sind, wie die Reviere unserer Forstwaltung, und auch auf den rechten Blick nicht viel größere und individuellere Unterschiede zeigen als diese, mit Muße zu sehen, geschweige denn zu beschreiben. Denn mit dem zehnten Theil käme vielleicht eine genießbare Gallerie — erst mit dem hun¬ dertsten eine Kunstsammlung im ästhetischen Wortsinn zu Stande. In dieser Form jährlicher Lieferung, sinkt die Ausstellung jedoch zu einem großen Bazar und industriellen Bildermarkt herab, der zwar dem aufkeimenden Talent eine Art Schule und eine leicht ersteigliche Sprosse auf der steilen Leiter des Ruhmes bietet, auf dem andrerseits aber auch das Unkraut manch' seltenes Korn, oder eine viel versprechende Blüthe zu ersticken droht. Das Publikum streift blasirt, verwirrt und geängstigt von dem zuviel, an manchem Guten achtlos vorüber, der Amateur windet sich mühsam hindurch, seine alten Freunde suchend, ehrlich bemüht, jedem guten, neuen, ein Beifalls¬ lächeln nicht zu versagen. Auch vergessen wir es auf unserer Wanderung nicht, daß die Laien solche Sammlungen nur durchblättern wie Kinder ein Bilderbuch, nach .leicht verständlichen Geschichten haschend. — Marine, Thier¬ stücke, Stillleben, Porträts- und Landschaften, wenn auch noch so brav ge¬ malt, existiren für sie nur als langweilige Zugabe; vielleicht von richtigem Jnstinct geleitet, suchen sie einzig nach dem Leben in den Darstellungen der Kunst. Deshalb will auch ich meinen Lesern nur das Sehenswürdige und die Curiositäten wie in einer I>s,tervg> waxica vorführen, mich des Raisonne- Grenzboten III. 1868. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/305>, abgerufen am 04.07.2024.