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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Ware eine so große Zahl von Varianten, wie sie über den Tod des Prinzen
in Umlauf gekommen sind, gar nicht möglich gewesen.

Der Kampf des Prinzen selbst wird dann drei kurze Momente gehabt
haben. In dem ersten hatte Guindey mit ihm zu thun, während einige andere
Reiter seine Begleiter beschäftigen und zugleich ihn selbst bedrängen mochten:
dann griff ihn auch der Wachtmeister an, und da der Prinz bereits den
schlimmen Hieb in den Ellenbogen, einen Pistolenkolbenschlag und zwei Hiebe
auf den Hinterkopf bekommen hatte, war er nicht mehr im Stande, ihm zu
widerstehen. Er erhielt den Todesstoß. In diesem Momente aber scheint es
einigen braunen Husaren gelungen zu sein, ihn noch für einige Augenblicke
herauszuhauen. Sein Pferd jagte auf die Schwadron zu, die unter Herrn von
Kaphengst detaschirt war und die, wie mir Herr Generallieutenant v. Erlassen
schreibt, nördlich von Wölsdorf, also ganz nahe von der verhängniß-
vollen Stelle hielt und dann im selbigen Augenblicke einen furchtbaren Stoß
von den blauen Husaren bekam. Der Prinz sank im Getümmel vom Pferde,
und die ihn getödtet hatten, machten sich nun über ihn her, ihn auszuplün¬
dern. Fast nackt wurde er unter Tanzmusik in den Schloßhof von Saalfeld
getragen, wo Marschall Lannes ihn besichtigte und der kranke Herzog Franz
von Coburg ihm durch seinen Jäger eine Locke vom Haupte trennen ließ.

Das Resultat dieser Abwägung wird also sein, daß Guindeys Bericht
unter den hier aufgestellten Modifikationen Geltung beanspruchen darf, wie
ich denn schon in meiner ersten Mittheilung bemerkt habe, daß er an der
Tödtung des Prinzen betheiligt gewesen sei. Aber es wird auch anzuerken¬
nen sein, daß er in dem Bestreben, sich allein die Ehre des Sieges zuzule¬
gen und sie obendrein möglichst hoch zu steigern, die Details des Kampfes un¬
richtig und übertrieben dargestellt hat. Es verhält sich zwar nicht ganz so,
wie die Entgegnung bemerkt, daß der Prinz fast als der letzte Preuße auf
dem Schlachtfelde gefallen sei; denn in dem allerletzten Gewühl unmittelbar
am Wasser fiel noch eine ganz bedeutende Anzahl: aber der Kampf des Prin¬
zen fand doch unmittelbar vorher und schon mitten in der allgemeinen Ver¬
wirrung statt, und dazu stimmt Guindeys Erzählung in ihrer ganzen Haltung
nicht. Sie schildert einen vereinzelten Zweikampf vor der Front; nach der
That aber will Guindey zu seinem Regiment zurückgekehrt sein. Das war
aber um die Zeit, als der Prinz fiel, weder nöthig noch möglich: die blauen
Husaren drängten in aufgelöster Ordnung schon Alles vor sich her.


W. Roß manu.


Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. ZuliuS Eckardt.
Verlag von F. L. Hrrbtg. Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.

Ware eine so große Zahl von Varianten, wie sie über den Tod des Prinzen
in Umlauf gekommen sind, gar nicht möglich gewesen.

Der Kampf des Prinzen selbst wird dann drei kurze Momente gehabt
haben. In dem ersten hatte Guindey mit ihm zu thun, während einige andere
Reiter seine Begleiter beschäftigen und zugleich ihn selbst bedrängen mochten:
dann griff ihn auch der Wachtmeister an, und da der Prinz bereits den
schlimmen Hieb in den Ellenbogen, einen Pistolenkolbenschlag und zwei Hiebe
auf den Hinterkopf bekommen hatte, war er nicht mehr im Stande, ihm zu
widerstehen. Er erhielt den Todesstoß. In diesem Momente aber scheint es
einigen braunen Husaren gelungen zu sein, ihn noch für einige Augenblicke
herauszuhauen. Sein Pferd jagte auf die Schwadron zu, die unter Herrn von
Kaphengst detaschirt war und die, wie mir Herr Generallieutenant v. Erlassen
schreibt, nördlich von Wölsdorf, also ganz nahe von der verhängniß-
vollen Stelle hielt und dann im selbigen Augenblicke einen furchtbaren Stoß
von den blauen Husaren bekam. Der Prinz sank im Getümmel vom Pferde,
und die ihn getödtet hatten, machten sich nun über ihn her, ihn auszuplün¬
dern. Fast nackt wurde er unter Tanzmusik in den Schloßhof von Saalfeld
getragen, wo Marschall Lannes ihn besichtigte und der kranke Herzog Franz
von Coburg ihm durch seinen Jäger eine Locke vom Haupte trennen ließ.

Das Resultat dieser Abwägung wird also sein, daß Guindeys Bericht
unter den hier aufgestellten Modifikationen Geltung beanspruchen darf, wie
ich denn schon in meiner ersten Mittheilung bemerkt habe, daß er an der
Tödtung des Prinzen betheiligt gewesen sei. Aber es wird auch anzuerken¬
nen sein, daß er in dem Bestreben, sich allein die Ehre des Sieges zuzule¬
gen und sie obendrein möglichst hoch zu steigern, die Details des Kampfes un¬
richtig und übertrieben dargestellt hat. Es verhält sich zwar nicht ganz so,
wie die Entgegnung bemerkt, daß der Prinz fast als der letzte Preuße auf
dem Schlachtfelde gefallen sei; denn in dem allerletzten Gewühl unmittelbar
am Wasser fiel noch eine ganz bedeutende Anzahl: aber der Kampf des Prin¬
zen fand doch unmittelbar vorher und schon mitten in der allgemeinen Ver¬
wirrung statt, und dazu stimmt Guindeys Erzählung in ihrer ganzen Haltung
nicht. Sie schildert einen vereinzelten Zweikampf vor der Front; nach der
That aber will Guindey zu seinem Regiment zurückgekehrt sein. Das war
aber um die Zeit, als der Prinz fiel, weder nöthig noch möglich: die blauen
Husaren drängten in aufgelöster Ordnung schon Alles vor sich her.


W. Roß manu.


Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. ZuliuS Eckardt.
Verlag von F. L. Hrrbtg. Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.
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[0302] Ware eine so große Zahl von Varianten, wie sie über den Tod des Prinzen in Umlauf gekommen sind, gar nicht möglich gewesen. Der Kampf des Prinzen selbst wird dann drei kurze Momente gehabt haben. In dem ersten hatte Guindey mit ihm zu thun, während einige andere Reiter seine Begleiter beschäftigen und zugleich ihn selbst bedrängen mochten: dann griff ihn auch der Wachtmeister an, und da der Prinz bereits den schlimmen Hieb in den Ellenbogen, einen Pistolenkolbenschlag und zwei Hiebe auf den Hinterkopf bekommen hatte, war er nicht mehr im Stande, ihm zu widerstehen. Er erhielt den Todesstoß. In diesem Momente aber scheint es einigen braunen Husaren gelungen zu sein, ihn noch für einige Augenblicke herauszuhauen. Sein Pferd jagte auf die Schwadron zu, die unter Herrn von Kaphengst detaschirt war und die, wie mir Herr Generallieutenant v. Erlassen schreibt, nördlich von Wölsdorf, also ganz nahe von der verhängniß- vollen Stelle hielt und dann im selbigen Augenblicke einen furchtbaren Stoß von den blauen Husaren bekam. Der Prinz sank im Getümmel vom Pferde, und die ihn getödtet hatten, machten sich nun über ihn her, ihn auszuplün¬ dern. Fast nackt wurde er unter Tanzmusik in den Schloßhof von Saalfeld getragen, wo Marschall Lannes ihn besichtigte und der kranke Herzog Franz von Coburg ihm durch seinen Jäger eine Locke vom Haupte trennen ließ. Das Resultat dieser Abwägung wird also sein, daß Guindeys Bericht unter den hier aufgestellten Modifikationen Geltung beanspruchen darf, wie ich denn schon in meiner ersten Mittheilung bemerkt habe, daß er an der Tödtung des Prinzen betheiligt gewesen sei. Aber es wird auch anzuerken¬ nen sein, daß er in dem Bestreben, sich allein die Ehre des Sieges zuzule¬ gen und sie obendrein möglichst hoch zu steigern, die Details des Kampfes un¬ richtig und übertrieben dargestellt hat. Es verhält sich zwar nicht ganz so, wie die Entgegnung bemerkt, daß der Prinz fast als der letzte Preuße auf dem Schlachtfelde gefallen sei; denn in dem allerletzten Gewühl unmittelbar am Wasser fiel noch eine ganz bedeutende Anzahl: aber der Kampf des Prin¬ zen fand doch unmittelbar vorher und schon mitten in der allgemeinen Ver¬ wirrung statt, und dazu stimmt Guindeys Erzählung in ihrer ganzen Haltung nicht. Sie schildert einen vereinzelten Zweikampf vor der Front; nach der That aber will Guindey zu seinem Regiment zurückgekehrt sein. Das war aber um die Zeit, als der Prinz fiel, weder nöthig noch möglich: die blauen Husaren drängten in aufgelöster Ordnung schon Alles vor sich her. W. Roß manu. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. ZuliuS Eckardt. Verlag von F. L. Hrrbtg. Druck von Hüthel H Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/302>, abgerufen am 04.07.2024.