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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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den Prinzen erstochen, bei ihrem Vater einquartiert worden, habe ein Bauern¬
wagen mit zwei schwarzen Pferden vor ihrer Wohnung gehalten. Der Wacht¬
meister sei sofort hinausgegangen, bald aber mit vier Franzosen, die einen
schweren Mantelsack und noch einiges Gepäck getragen, in ihre Stube ge¬
kommen. Nun sei das Gepäck geöffnet und aus ihm ein Hausen Geld und
goldene Sachen auf den Tisch gelegt und dort getheilt worden, wobei sie
nicht gezählt, sondern nur nach Häuflein gemessen hätten. Einer jener Fran¬
zosen sei mehr gewesen als ihr Wachtmeister und habe zwei Portionen erhal¬
ten. Der Wachtmeister habe bei ihren Aeltern vier Wochen gelegen, denn
er habe sich nicht ausquartieren lassen. Gar viele Offiziere seien zu ihm ge-
kommen und denen habe er seinen geraden Säbel gezeigt, an dem die
Vlutspuren zu sehen gewesen, die er nicht habe abwischen lassen."

Hiernach, dünkt mich, liegt die Sache sehr einfach und, wie mir scheint,
so, wie ich sie in meiner ersten Mittheilung angegeben habe. Die Ansprüche
der beiden Husaren modificiren sich gegenseitig. Vermuthlich waren Alle,
welche den Inhalt des Mantelsacks unter sich theilten, auch an dem Kampfe
mit dem Prinzen betheiligt gewesen, der aber die zwei Portionen bekam,
wird Guindey gewesen sein, und er wird sie bekommen haben, theils weil er
vielleicht in etwas höherem Range stand als die Andern, theils weil er es
vermuthlich gewesen war, der den Prinzen kampfunfähig machte. Es entspricht
durchaus der Wahrscheinlichkeit, daß es eine Mehrzahl von Reitern war,
die den Prinzen überwand, und es ist fast unmöglich zu denken, daß er, der
ein Mann von seltener Stärke und ein ebenso renommirter Schläger wie ge¬
wandter Reiter war, einem einundzwanzigjähriger Burschen erlegen sei,
vorausgesetzt selbst, daß er sich ganz allein befunden habe. Die Art der Ver¬
wundung zwingt durchaus eine Mehrzahl von Gegnern anzunehmen. Und
ein sehr heftiges Getümmel, in welchem der Adjutant v. Klitzing von dem
Prinzen abgedrängt, Nostiz verwundet wurde, ist durch die Bocksche Aus-
sage bezeugt.. Es fand neben und in jener kurzen Hohle statt, die dem Bock-
schen Hause gegenüber und keineswegs, wie die Entgegnung anzunehmnen
scheint, einsam und abseits vom Gefechtsfelde gelegen ist. "Der Prinz be¬
mühte sich," so beschreibt es Höpfner, "die Fliehenden auszuhalten und zum
Frontmachen zu bewegen; doch jeder auf solche Weise neugebildete Trupp
wurde von dem wilden Andrange der Fliehenden und der Sieger sofort über
den Haufen geritten. Die im Marsch begriffene Artillerie die sich theils durch
Davonjagen retten wollte, theils die Geschütze stehen ließ, das mit dem Hohl¬
wege durchschnittene Terrain, das Alles vermehrte noch die Unordnung.
Sächsische, preußische und französische Husaren befanden sich wild durcheinan¬
der." Ohne ein solches Getümmel, welches die Wahrnehmungen verwirrte,


den Prinzen erstochen, bei ihrem Vater einquartiert worden, habe ein Bauern¬
wagen mit zwei schwarzen Pferden vor ihrer Wohnung gehalten. Der Wacht¬
meister sei sofort hinausgegangen, bald aber mit vier Franzosen, die einen
schweren Mantelsack und noch einiges Gepäck getragen, in ihre Stube ge¬
kommen. Nun sei das Gepäck geöffnet und aus ihm ein Hausen Geld und
goldene Sachen auf den Tisch gelegt und dort getheilt worden, wobei sie
nicht gezählt, sondern nur nach Häuflein gemessen hätten. Einer jener Fran¬
zosen sei mehr gewesen als ihr Wachtmeister und habe zwei Portionen erhal¬
ten. Der Wachtmeister habe bei ihren Aeltern vier Wochen gelegen, denn
er habe sich nicht ausquartieren lassen. Gar viele Offiziere seien zu ihm ge-
kommen und denen habe er seinen geraden Säbel gezeigt, an dem die
Vlutspuren zu sehen gewesen, die er nicht habe abwischen lassen."

Hiernach, dünkt mich, liegt die Sache sehr einfach und, wie mir scheint,
so, wie ich sie in meiner ersten Mittheilung angegeben habe. Die Ansprüche
der beiden Husaren modificiren sich gegenseitig. Vermuthlich waren Alle,
welche den Inhalt des Mantelsacks unter sich theilten, auch an dem Kampfe
mit dem Prinzen betheiligt gewesen, der aber die zwei Portionen bekam,
wird Guindey gewesen sein, und er wird sie bekommen haben, theils weil er
vielleicht in etwas höherem Range stand als die Andern, theils weil er es
vermuthlich gewesen war, der den Prinzen kampfunfähig machte. Es entspricht
durchaus der Wahrscheinlichkeit, daß es eine Mehrzahl von Reitern war,
die den Prinzen überwand, und es ist fast unmöglich zu denken, daß er, der
ein Mann von seltener Stärke und ein ebenso renommirter Schläger wie ge¬
wandter Reiter war, einem einundzwanzigjähriger Burschen erlegen sei,
vorausgesetzt selbst, daß er sich ganz allein befunden habe. Die Art der Ver¬
wundung zwingt durchaus eine Mehrzahl von Gegnern anzunehmen. Und
ein sehr heftiges Getümmel, in welchem der Adjutant v. Klitzing von dem
Prinzen abgedrängt, Nostiz verwundet wurde, ist durch die Bocksche Aus-
sage bezeugt.. Es fand neben und in jener kurzen Hohle statt, die dem Bock-
schen Hause gegenüber und keineswegs, wie die Entgegnung anzunehmnen
scheint, einsam und abseits vom Gefechtsfelde gelegen ist. „Der Prinz be¬
mühte sich," so beschreibt es Höpfner, „die Fliehenden auszuhalten und zum
Frontmachen zu bewegen; doch jeder auf solche Weise neugebildete Trupp
wurde von dem wilden Andrange der Fliehenden und der Sieger sofort über
den Haufen geritten. Die im Marsch begriffene Artillerie die sich theils durch
Davonjagen retten wollte, theils die Geschütze stehen ließ, das mit dem Hohl¬
wege durchschnittene Terrain, das Alles vermehrte noch die Unordnung.
Sächsische, preußische und französische Husaren befanden sich wild durcheinan¬
der." Ohne ein solches Getümmel, welches die Wahrnehmungen verwirrte,


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[0301] den Prinzen erstochen, bei ihrem Vater einquartiert worden, habe ein Bauern¬ wagen mit zwei schwarzen Pferden vor ihrer Wohnung gehalten. Der Wacht¬ meister sei sofort hinausgegangen, bald aber mit vier Franzosen, die einen schweren Mantelsack und noch einiges Gepäck getragen, in ihre Stube ge¬ kommen. Nun sei das Gepäck geöffnet und aus ihm ein Hausen Geld und goldene Sachen auf den Tisch gelegt und dort getheilt worden, wobei sie nicht gezählt, sondern nur nach Häuflein gemessen hätten. Einer jener Fran¬ zosen sei mehr gewesen als ihr Wachtmeister und habe zwei Portionen erhal¬ ten. Der Wachtmeister habe bei ihren Aeltern vier Wochen gelegen, denn er habe sich nicht ausquartieren lassen. Gar viele Offiziere seien zu ihm ge- kommen und denen habe er seinen geraden Säbel gezeigt, an dem die Vlutspuren zu sehen gewesen, die er nicht habe abwischen lassen." Hiernach, dünkt mich, liegt die Sache sehr einfach und, wie mir scheint, so, wie ich sie in meiner ersten Mittheilung angegeben habe. Die Ansprüche der beiden Husaren modificiren sich gegenseitig. Vermuthlich waren Alle, welche den Inhalt des Mantelsacks unter sich theilten, auch an dem Kampfe mit dem Prinzen betheiligt gewesen, der aber die zwei Portionen bekam, wird Guindey gewesen sein, und er wird sie bekommen haben, theils weil er vielleicht in etwas höherem Range stand als die Andern, theils weil er es vermuthlich gewesen war, der den Prinzen kampfunfähig machte. Es entspricht durchaus der Wahrscheinlichkeit, daß es eine Mehrzahl von Reitern war, die den Prinzen überwand, und es ist fast unmöglich zu denken, daß er, der ein Mann von seltener Stärke und ein ebenso renommirter Schläger wie ge¬ wandter Reiter war, einem einundzwanzigjähriger Burschen erlegen sei, vorausgesetzt selbst, daß er sich ganz allein befunden habe. Die Art der Ver¬ wundung zwingt durchaus eine Mehrzahl von Gegnern anzunehmen. Und ein sehr heftiges Getümmel, in welchem der Adjutant v. Klitzing von dem Prinzen abgedrängt, Nostiz verwundet wurde, ist durch die Bocksche Aus- sage bezeugt.. Es fand neben und in jener kurzen Hohle statt, die dem Bock- schen Hause gegenüber und keineswegs, wie die Entgegnung anzunehmnen scheint, einsam und abseits vom Gefechtsfelde gelegen ist. „Der Prinz be¬ mühte sich," so beschreibt es Höpfner, „die Fliehenden auszuhalten und zum Frontmachen zu bewegen; doch jeder auf solche Weise neugebildete Trupp wurde von dem wilden Andrange der Fliehenden und der Sieger sofort über den Haufen geritten. Die im Marsch begriffene Artillerie die sich theils durch Davonjagen retten wollte, theils die Geschütze stehen ließ, das mit dem Hohl¬ wege durchschnittene Terrain, das Alles vermehrte noch die Unordnung. Sächsische, preußische und französische Husaren befanden sich wild durcheinan¬ der." Ohne ein solches Getümmel, welches die Wahrnehmungen verwirrte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/301>, abgerufen am 04.07.2024.