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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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meinen Colbak, sowie eine dritte durch meinen Mantelsack ging, nöthigte
mich, zu meinem Regiments zurückzueilen, vor dem ich mich bisher befunden
hatte. Ich ward jetzt von 6 preußischen Husaren umringt, die mich gefangen
nehmen wollten; als ich mich vertheidigte, versetzten sie mir zwei leichte
Säbelhiebe in's Gesicht, mein Colbak ward von mehreren Säbelhieben gespal¬
ten, doch entkam ich ihnen durch den Beistand eines Husaren meiner Com¬
pagnie, nachdem ich einen getödtet und einen anderen verwundet hatte. Ich
hatte sehr gut bemerkt, daß der Prinz mit diesen Wunden sich nicht weit
entfernen konnte, denn ich hielt sie für tödtlich; aber ich fürchtete außeror¬
dentlich ihn nicht wiederfinden zu können, oder daß ein Anderer sich die Ehre
zuschreiben würde, ihn besiegt zu haben. Bald darauf ward ich durch einen
Mg,r6eKa.1 6ö8 Ivgis, einen meiner Freunde, dem ich dies Gefecht erzählt hatte.
Von dieser Verlegenheit befreit; er zeigte mir den Prinzen am Ufer eines
kleinen Baches auf einer Wiese, nicht weit von der Saale liegend."

Diese Darstellung würde die Kritik herausfordern, auch wenn nie eine
andere Erzählung vom Tode des Prinzen aufgetaucht wäre und zum Ver¬
gleich genöthigt hätte: sie sieht aus wie polirt und geglättet durch vielen
Gebrauch. Man überlege nur: Guindey arbeitet sich erstens glücklich durch
sächsische Infanterie hindurch, um an den feindlichen General heranzukommen;
alsdann trifft er diesen, den Höchsteommandirenden, allein, und findet Zeit,
den außerordentlich gewandten Fechter mehrere schwere Wunden beizubringen,
ohne durch einen Adjutanten oder Husaren belästigt zu werden; auch die
Jäger, die der Prinz eben rangirte, gebrauchen weder Kolben noch Bajonett,
sondern sie feuern auf den Reiter, obgleich er sich mit einer Lebhaftigkeit um
seinen Gegner herumtummelt, daß er ihn im Hinterkopfe wie in der Brust zu
verwunden im Stande ist. Endlich rvird er zwar von fünf Husaren um¬
ringt, aber er tödtet Einen, verwundet einen Andern und entkommt. Der
Erzähler verräth offenbar dieselbe Neigung zu idealisiren. die wir in den
Bulletins seines Kaisers bewundern. Aber etwas Thatsächliches liegt natür¬
lich diesen Angaben zu Grunde. Dafür bürgt der Umstand, daß die Offi¬
ziere, welche Dr. Richter sprach (er nennt freilich nicht gerade Offiziere des
10. Regiments), ihn für denjenigen hielten, der den Prinzen getödtet hatte;
vielleicht auch seine Decorirung und sein Avancement, obschon Richter nicht
ausdrücklich sagt, daß ihm Beides für die bezeichnete That zu Theil gewor¬
den sei, wie denn Guindey seine Unterredung mit dem Kaiser auffälliger
Weise nicht selbst erzählt. Es spricht auch dafür, daß Guindeys Ortsangabe
sehr wohl auf den Platz bezogen werden kann, auf welchem der Prinz wirk¬
lich kurz vor der Katastrophe sich bewegte, nämlich etwa hundert Schritt von
der Wiese. das ist in und hinter dem Bockschen Garten. Es ist auch sehr
wahrscheinlich, daß er hinter dem Garten noch einmal die Jäger zu sammeln


meinen Colbak, sowie eine dritte durch meinen Mantelsack ging, nöthigte
mich, zu meinem Regiments zurückzueilen, vor dem ich mich bisher befunden
hatte. Ich ward jetzt von 6 preußischen Husaren umringt, die mich gefangen
nehmen wollten; als ich mich vertheidigte, versetzten sie mir zwei leichte
Säbelhiebe in's Gesicht, mein Colbak ward von mehreren Säbelhieben gespal¬
ten, doch entkam ich ihnen durch den Beistand eines Husaren meiner Com¬
pagnie, nachdem ich einen getödtet und einen anderen verwundet hatte. Ich
hatte sehr gut bemerkt, daß der Prinz mit diesen Wunden sich nicht weit
entfernen konnte, denn ich hielt sie für tödtlich; aber ich fürchtete außeror¬
dentlich ihn nicht wiederfinden zu können, oder daß ein Anderer sich die Ehre
zuschreiben würde, ihn besiegt zu haben. Bald darauf ward ich durch einen
Mg,r6eKa.1 6ö8 Ivgis, einen meiner Freunde, dem ich dies Gefecht erzählt hatte.
Von dieser Verlegenheit befreit; er zeigte mir den Prinzen am Ufer eines
kleinen Baches auf einer Wiese, nicht weit von der Saale liegend."

Diese Darstellung würde die Kritik herausfordern, auch wenn nie eine
andere Erzählung vom Tode des Prinzen aufgetaucht wäre und zum Ver¬
gleich genöthigt hätte: sie sieht aus wie polirt und geglättet durch vielen
Gebrauch. Man überlege nur: Guindey arbeitet sich erstens glücklich durch
sächsische Infanterie hindurch, um an den feindlichen General heranzukommen;
alsdann trifft er diesen, den Höchsteommandirenden, allein, und findet Zeit,
den außerordentlich gewandten Fechter mehrere schwere Wunden beizubringen,
ohne durch einen Adjutanten oder Husaren belästigt zu werden; auch die
Jäger, die der Prinz eben rangirte, gebrauchen weder Kolben noch Bajonett,
sondern sie feuern auf den Reiter, obgleich er sich mit einer Lebhaftigkeit um
seinen Gegner herumtummelt, daß er ihn im Hinterkopfe wie in der Brust zu
verwunden im Stande ist. Endlich rvird er zwar von fünf Husaren um¬
ringt, aber er tödtet Einen, verwundet einen Andern und entkommt. Der
Erzähler verräth offenbar dieselbe Neigung zu idealisiren. die wir in den
Bulletins seines Kaisers bewundern. Aber etwas Thatsächliches liegt natür¬
lich diesen Angaben zu Grunde. Dafür bürgt der Umstand, daß die Offi¬
ziere, welche Dr. Richter sprach (er nennt freilich nicht gerade Offiziere des
10. Regiments), ihn für denjenigen hielten, der den Prinzen getödtet hatte;
vielleicht auch seine Decorirung und sein Avancement, obschon Richter nicht
ausdrücklich sagt, daß ihm Beides für die bezeichnete That zu Theil gewor¬
den sei, wie denn Guindey seine Unterredung mit dem Kaiser auffälliger
Weise nicht selbst erzählt. Es spricht auch dafür, daß Guindeys Ortsangabe
sehr wohl auf den Platz bezogen werden kann, auf welchem der Prinz wirk¬
lich kurz vor der Katastrophe sich bewegte, nämlich etwa hundert Schritt von
der Wiese. das ist in und hinter dem Bockschen Garten. Es ist auch sehr
wahrscheinlich, daß er hinter dem Garten noch einmal die Jäger zu sammeln


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[0299] meinen Colbak, sowie eine dritte durch meinen Mantelsack ging, nöthigte mich, zu meinem Regiments zurückzueilen, vor dem ich mich bisher befunden hatte. Ich ward jetzt von 6 preußischen Husaren umringt, die mich gefangen nehmen wollten; als ich mich vertheidigte, versetzten sie mir zwei leichte Säbelhiebe in's Gesicht, mein Colbak ward von mehreren Säbelhieben gespal¬ ten, doch entkam ich ihnen durch den Beistand eines Husaren meiner Com¬ pagnie, nachdem ich einen getödtet und einen anderen verwundet hatte. Ich hatte sehr gut bemerkt, daß der Prinz mit diesen Wunden sich nicht weit entfernen konnte, denn ich hielt sie für tödtlich; aber ich fürchtete außeror¬ dentlich ihn nicht wiederfinden zu können, oder daß ein Anderer sich die Ehre zuschreiben würde, ihn besiegt zu haben. Bald darauf ward ich durch einen Mg,r6eKa.1 6ö8 Ivgis, einen meiner Freunde, dem ich dies Gefecht erzählt hatte. Von dieser Verlegenheit befreit; er zeigte mir den Prinzen am Ufer eines kleinen Baches auf einer Wiese, nicht weit von der Saale liegend." Diese Darstellung würde die Kritik herausfordern, auch wenn nie eine andere Erzählung vom Tode des Prinzen aufgetaucht wäre und zum Ver¬ gleich genöthigt hätte: sie sieht aus wie polirt und geglättet durch vielen Gebrauch. Man überlege nur: Guindey arbeitet sich erstens glücklich durch sächsische Infanterie hindurch, um an den feindlichen General heranzukommen; alsdann trifft er diesen, den Höchsteommandirenden, allein, und findet Zeit, den außerordentlich gewandten Fechter mehrere schwere Wunden beizubringen, ohne durch einen Adjutanten oder Husaren belästigt zu werden; auch die Jäger, die der Prinz eben rangirte, gebrauchen weder Kolben noch Bajonett, sondern sie feuern auf den Reiter, obgleich er sich mit einer Lebhaftigkeit um seinen Gegner herumtummelt, daß er ihn im Hinterkopfe wie in der Brust zu verwunden im Stande ist. Endlich rvird er zwar von fünf Husaren um¬ ringt, aber er tödtet Einen, verwundet einen Andern und entkommt. Der Erzähler verräth offenbar dieselbe Neigung zu idealisiren. die wir in den Bulletins seines Kaisers bewundern. Aber etwas Thatsächliches liegt natür¬ lich diesen Angaben zu Grunde. Dafür bürgt der Umstand, daß die Offi¬ ziere, welche Dr. Richter sprach (er nennt freilich nicht gerade Offiziere des 10. Regiments), ihn für denjenigen hielten, der den Prinzen getödtet hatte; vielleicht auch seine Decorirung und sein Avancement, obschon Richter nicht ausdrücklich sagt, daß ihm Beides für die bezeichnete That zu Theil gewor¬ den sei, wie denn Guindey seine Unterredung mit dem Kaiser auffälliger Weise nicht selbst erzählt. Es spricht auch dafür, daß Guindeys Ortsangabe sehr wohl auf den Platz bezogen werden kann, auf welchem der Prinz wirk¬ lich kurz vor der Katastrophe sich bewegte, nämlich etwa hundert Schritt von der Wiese. das ist in und hinter dem Bockschen Garten. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß er hinter dem Garten noch einmal die Jäger zu sammeln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/299>, abgerufen am 04.07.2024.