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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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sonst keine Theilnahme am Gefecht zugeschrieben. Auch trugen sie eine grüne
Uniform, jener Reiter aber, wie ich nachträglich erfahre, eine hellblaue;
und hellblau war eben die Farbe des 10. Husarenregimentes. Was die
Saalfelder Zeugen, die übrigens nicht kriegskundig waren, über die Gattung
des Reiters irre machte, war jedenfalls sein gerader Säbel: zu erinnern ist
aber auch, daß Napoleon die Unterschiede der Cavalleriegattungen zu jener
Zeit in hohem Grade verwischt hatte, so daß ein Laie unschwer beirrt wer¬
den mochte; gab es doch damals selbst neben Jägern zu Pferd, Husaren zu
Fuß. Was aber jenen geraden Säbel bei einem Husaren betrifft, so hat er
am Ende nichts besonders Auffälliges. Es kommt im Kriege oft genug vor,
daß sich Jemand die Handwaffe nach feiner Liebhaberei wählt; jener Säbel
war aber auch möglicherweise ein Ehrensäbel aus früheren Tagen, wie sie
Napoleon zahlreich an Stelle von Decorationen vertheilte. Daß aber der
Reiter einen geraden Säbel trug und daß der Prinz durch einen solchen ge-
tödtet wurde, ist ausgemacht; das Letztere ist durch vier Aerzte und einen
Wundarzt bezeugt.

Welchem von beiden Husaren ist nun die That zuzuschreiben, um die
es sich handelt? Oder waren sie etwa Beide dabei betheiligt?

Prüfen wir zunächst die Aussage, welche Guindey, übersetzt durch Dr.
Richter. in den Schlesischen Provinzialblättern von 1808, Seite 241 ff. nie"
dergelegt hat. Da heißt es: " . . . Jung, ohne alle Empfehlung und von
einem äußerst lebhaften Charakter, durchdrang mich das heiße Verlangen,
mit auszuzeichnen, und so beschloß ich, --im Fall unser Angriff gelänge, ihn
gefangen zu nehmen, oder zu sterben. Von diesem Entschlüsse beseelt, verei¬
nigte ich mich mit meinem Regimente, und befand mich darauf unter der säch¬
sischen Infanterie. Ich erinnere mich, indem ich mir den Weg bahnte, einige
Säbelhiebe versetzt zu haben, doch gegen alles gleichgültig, war nur der feind¬
liche General mein einziger Gedanke. Endlich erblickte ich ihn, indem er mit
der größten Lebhaftigkeit ein Bataillon Fußjäger, in grüner Uniform mit
Schnüren, wieder in Ordnung stellte, und hielt ungefähr 100 Schritte, ehe
ich an eine Wiese nahe bei der Saale ankam, ich ritt im Galopp, mit dem
Säbel in der Hand auf ihn zu, indem ich ihm zurief: Renäe? vous, Mveral,
on js vous tue! Er antwortete mir mit fester und entschiedener Stimme:
Aou LvCuin, und versetzte mir dabei einen Hieb mit dem Säbel in's Gesicht.
Da ich sah, daß er sich so tapfer vertheidigte, griff ich ihn muthig an: fest
entschlossen, ihn nicht aus meinen Händen zu lassen, versetzte ihm mehrere
Hiebe, die er mit Fertigkeit abwand; nur einen Stich mit dem Säbel in die
Brust sowie einen Säbelhieb hinten am Kopfe vermochte er nicht abzuhalten.
Die außerordentliche Gefahr, in der ich mich während dieses Gefechtes be¬
fand, wo mein Pferd eine Kugel in den Hals erhielt, eine andere durch


sonst keine Theilnahme am Gefecht zugeschrieben. Auch trugen sie eine grüne
Uniform, jener Reiter aber, wie ich nachträglich erfahre, eine hellblaue;
und hellblau war eben die Farbe des 10. Husarenregimentes. Was die
Saalfelder Zeugen, die übrigens nicht kriegskundig waren, über die Gattung
des Reiters irre machte, war jedenfalls sein gerader Säbel: zu erinnern ist
aber auch, daß Napoleon die Unterschiede der Cavalleriegattungen zu jener
Zeit in hohem Grade verwischt hatte, so daß ein Laie unschwer beirrt wer¬
den mochte; gab es doch damals selbst neben Jägern zu Pferd, Husaren zu
Fuß. Was aber jenen geraden Säbel bei einem Husaren betrifft, so hat er
am Ende nichts besonders Auffälliges. Es kommt im Kriege oft genug vor,
daß sich Jemand die Handwaffe nach feiner Liebhaberei wählt; jener Säbel
war aber auch möglicherweise ein Ehrensäbel aus früheren Tagen, wie sie
Napoleon zahlreich an Stelle von Decorationen vertheilte. Daß aber der
Reiter einen geraden Säbel trug und daß der Prinz durch einen solchen ge-
tödtet wurde, ist ausgemacht; das Letztere ist durch vier Aerzte und einen
Wundarzt bezeugt.

Welchem von beiden Husaren ist nun die That zuzuschreiben, um die
es sich handelt? Oder waren sie etwa Beide dabei betheiligt?

Prüfen wir zunächst die Aussage, welche Guindey, übersetzt durch Dr.
Richter. in den Schlesischen Provinzialblättern von 1808, Seite 241 ff. nie»
dergelegt hat. Da heißt es: „ . . . Jung, ohne alle Empfehlung und von
einem äußerst lebhaften Charakter, durchdrang mich das heiße Verlangen,
mit auszuzeichnen, und so beschloß ich, —im Fall unser Angriff gelänge, ihn
gefangen zu nehmen, oder zu sterben. Von diesem Entschlüsse beseelt, verei¬
nigte ich mich mit meinem Regimente, und befand mich darauf unter der säch¬
sischen Infanterie. Ich erinnere mich, indem ich mir den Weg bahnte, einige
Säbelhiebe versetzt zu haben, doch gegen alles gleichgültig, war nur der feind¬
liche General mein einziger Gedanke. Endlich erblickte ich ihn, indem er mit
der größten Lebhaftigkeit ein Bataillon Fußjäger, in grüner Uniform mit
Schnüren, wieder in Ordnung stellte, und hielt ungefähr 100 Schritte, ehe
ich an eine Wiese nahe bei der Saale ankam, ich ritt im Galopp, mit dem
Säbel in der Hand auf ihn zu, indem ich ihm zurief: Renäe? vous, Mveral,
on js vous tue! Er antwortete mir mit fester und entschiedener Stimme:
Aou LvCuin, und versetzte mir dabei einen Hieb mit dem Säbel in's Gesicht.
Da ich sah, daß er sich so tapfer vertheidigte, griff ich ihn muthig an: fest
entschlossen, ihn nicht aus meinen Händen zu lassen, versetzte ihm mehrere
Hiebe, die er mit Fertigkeit abwand; nur einen Stich mit dem Säbel in die
Brust sowie einen Säbelhieb hinten am Kopfe vermochte er nicht abzuhalten.
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fand, wo mein Pferd eine Kugel in den Hals erhielt, eine andere durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/298>, abgerufen am 04.07.2024.