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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Gebückt und lahm, an Krücken, geht die Gerechtigkeit.
Die Wahrheit ist im Schwanken, verschwunden die Biederkeit,
Des Glaubens Flamme erloschen, der Liebe Gluth erkühlt,
Und jeder Tugend Wurzel zerrissen und zerwühlt.
Wie giftig Unkraut sprießen jetzt List und Trug empor.
In Lasters wuchernden Ranken die Keuschheit sich verlor.
In Erdenlust befangen, vom wahren Heile weit,
Verdorben und versunken ist wahrlich unsre Zeit.
Nie, seit den ersten Menschen Gott Vater werden ließ,
Nie, seit durch Adams Sünde verloren das Paradies,
Ward weniger gefürchtet Gott in der Christenwelt:
Von Rom, da kommt das Böse, das alle Tugend fällt.
Rom, das von unserm Glauben den Grundstein bilden soll.
Von Habsucht und Bestechung, von Lug und Trug ist's voll;
Es drängen sich sündige Frevler um Petri heil'gen Thron,
Durch dieses Beispiel sprechen sie frech der Tugend Hohn.
Und wer sein Geld nach Rom trägt, 'ne Pfründe bald erlangt;
Man gibt sie nicht nach Würden, so wie es Gott verlangt,
In Rom. da heißt's lateinisch: Willst du ein Amt, dann, "6a",
Und wenn du nicht willst "äa-ro": "Fort da des Wegs, fort da!"
Auch du, mein theures Frankreich, so bieder sonst und frank,
Verdienst nicht mehr den Namen, da deine Tugend krank,
'S ist Niemand frank mehr und bieder, nicht Priester, nicht Baron
In deinen Städten und Dörfern, noch in der Religion.

Seitdem der päpstliche Zehnte die Christenvölker drückt,
Ist Frankreichs frommem König kein Kriegszug mehr geglückt:
Damiette, Apulien, Tunis eroberten wir nicht.
Nicht hat in Aragonien die Oriflamme gesiegt.
Frankreich vor allen Landen der ganzen Christenheit
War, Rom's Gesetz zu dienen von Herzen stets bereit;
Doch ging aus seiner Treue nur schlechter Lohn hervor:
Gar häufig zog zum Dank man das Fell ihm über's Ohr.

Chr. Rauch.


Gebückt und lahm, an Krücken, geht die Gerechtigkeit.
Die Wahrheit ist im Schwanken, verschwunden die Biederkeit,
Des Glaubens Flamme erloschen, der Liebe Gluth erkühlt,
Und jeder Tugend Wurzel zerrissen und zerwühlt.
Wie giftig Unkraut sprießen jetzt List und Trug empor.
In Lasters wuchernden Ranken die Keuschheit sich verlor.
In Erdenlust befangen, vom wahren Heile weit,
Verdorben und versunken ist wahrlich unsre Zeit.
Nie, seit den ersten Menschen Gott Vater werden ließ,
Nie, seit durch Adams Sünde verloren das Paradies,
Ward weniger gefürchtet Gott in der Christenwelt:
Von Rom, da kommt das Böse, das alle Tugend fällt.
Rom, das von unserm Glauben den Grundstein bilden soll.
Von Habsucht und Bestechung, von Lug und Trug ist's voll;
Es drängen sich sündige Frevler um Petri heil'gen Thron,
Durch dieses Beispiel sprechen sie frech der Tugend Hohn.
Und wer sein Geld nach Rom trägt, 'ne Pfründe bald erlangt;
Man gibt sie nicht nach Würden, so wie es Gott verlangt,
In Rom. da heißt's lateinisch: Willst du ein Amt, dann, „6a",
Und wenn du nicht willst „äa-ro": „Fort da des Wegs, fort da!"
Auch du, mein theures Frankreich, so bieder sonst und frank,
Verdienst nicht mehr den Namen, da deine Tugend krank,
'S ist Niemand frank mehr und bieder, nicht Priester, nicht Baron
In deinen Städten und Dörfern, noch in der Religion.

Seitdem der päpstliche Zehnte die Christenvölker drückt,
Ist Frankreichs frommem König kein Kriegszug mehr geglückt:
Damiette, Apulien, Tunis eroberten wir nicht.
Nicht hat in Aragonien die Oriflamme gesiegt.
Frankreich vor allen Landen der ganzen Christenheit
War, Rom's Gesetz zu dienen von Herzen stets bereit;
Doch ging aus seiner Treue nur schlechter Lohn hervor:
Gar häufig zog zum Dank man das Fell ihm über's Ohr.

Chr. Rauch.


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[0283] Gebückt und lahm, an Krücken, geht die Gerechtigkeit. Die Wahrheit ist im Schwanken, verschwunden die Biederkeit, Des Glaubens Flamme erloschen, der Liebe Gluth erkühlt, Und jeder Tugend Wurzel zerrissen und zerwühlt. Wie giftig Unkraut sprießen jetzt List und Trug empor. In Lasters wuchernden Ranken die Keuschheit sich verlor. In Erdenlust befangen, vom wahren Heile weit, Verdorben und versunken ist wahrlich unsre Zeit. Nie, seit den ersten Menschen Gott Vater werden ließ, Nie, seit durch Adams Sünde verloren das Paradies, Ward weniger gefürchtet Gott in der Christenwelt: Von Rom, da kommt das Böse, das alle Tugend fällt. Rom, das von unserm Glauben den Grundstein bilden soll. Von Habsucht und Bestechung, von Lug und Trug ist's voll; Es drängen sich sündige Frevler um Petri heil'gen Thron, Durch dieses Beispiel sprechen sie frech der Tugend Hohn. Und wer sein Geld nach Rom trägt, 'ne Pfründe bald erlangt; Man gibt sie nicht nach Würden, so wie es Gott verlangt, In Rom. da heißt's lateinisch: Willst du ein Amt, dann, „6a", Und wenn du nicht willst „äa-ro": „Fort da des Wegs, fort da!" Auch du, mein theures Frankreich, so bieder sonst und frank, Verdienst nicht mehr den Namen, da deine Tugend krank, 'S ist Niemand frank mehr und bieder, nicht Priester, nicht Baron In deinen Städten und Dörfern, noch in der Religion. Seitdem der päpstliche Zehnte die Christenvölker drückt, Ist Frankreichs frommem König kein Kriegszug mehr geglückt: Damiette, Apulien, Tunis eroberten wir nicht. Nicht hat in Aragonien die Oriflamme gesiegt. Frankreich vor allen Landen der ganzen Christenheit War, Rom's Gesetz zu dienen von Herzen stets bereit; Doch ging aus seiner Treue nur schlechter Lohn hervor: Gar häufig zog zum Dank man das Fell ihm über's Ohr. Chr. Rauch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/283>, abgerufen am 30.06.2024.