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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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über die Politiker des Schützenfestes gefällt haben, läßt sich in das kurze
Wort zusammenfassen: Bleibt uns mit solchem Unsinn vom Halse.

So gering auch die praktische Erfahrung ist, welche hinter dem östreichi¬
schen Liberalismus liegt, -- der letzte parlamentarische Feldzug in Wien hat
dazu hingereicht, die Zurechnungsfähigen und Ernsthaften darüber aufzu¬
klären, daß große, weltgeschichtliche Thatsachen sich nicht durch Resolutionen
zusammengelaufener Soldschreiber und exaltirter Schützenbruder umstoßen
lassen. Keiner von den deutsch-östreichischen Stimmführern hat sich dazu her¬
gegeben mit den Trabert, Pfeiffer und Consorten im spert zu tagen und sich
durch die Theilnahme an einer Versammlung zu prostituiren, in welcher der
doctrinäre Fanatiker K. Mayer aus Stuttgart die äußerste Rechte vertrat
und, verglichen mit den übrigen Rednern, den Eindruck eines praktischen
Staatsmannes machte. Selbst die "Neue freie Presse", welche ihr Möglich¬
stes that, um durch freundliches Entgegenkommen die großdeutschen und föde¬
rativem Sympathien der Festgenossen zu nähren, hat sich von dem Treiben
der Demagogen des spert achselzuckend abgewandt und den Aerger der gro߬
deutschen Meute über die abwehrende Haltung des ministeriellen östreichischen
Liberalismus vermehrt. Von drastischestem Effect war es bereits vorher ge¬
wesen, daß die Versuche dieses Blatts, in die politischen Fest- und Trink¬
sprüche der Schützenredner eine Art Sinn hinein zu interpretiren, von denen,
die die eigentliche Sprache des Particularismus reden, mit Protest zurückgewiesen
worden waren. "Wo bleiben die Sachsen, Schlesier, Hannoveraner u. s. w."
hieß es in den Organen der föderalen "Stammessouverainität", als die N. fr.
Pr. erklärt hatte, das unbedingte Selbstbestimmungsrecht könne doch nur
für die großen Stammesgruppen, nicht für die einzelnen Territorialbevölke¬
rungen in Anspruch genommen werden und der Klagen über die "Preis¬
gebung des Nordens" war vollends kein Ende, als die von dem großen
wiener Journal ausgesprochene Meinung im weiteren Verlauf von anderer
Seite wiederholt., die Unmöglichkeit, den norddeutschen Bund durch eine Re¬
solution umzustoßen, selbst von Karl Mayer anerkannt worden war. Die
Unmöglichkeit eine Interessensolidarität auch nur zwischen den verschiedenen
Gruppen des Particularismus nachzuweisen, auch nur auf dem Papier eine
politische Gemeinschaft zwischen Oestreichern, süd- und norddeutschen Födera¬
listen herzustellen, hat sich so evident gezeigt, daß weitere Ausführungen über
diesen Punkt auch für Anhänger des Föderativsystems auf einige Zeit über¬
flüssig geworden sein dürften.

Soweit wäre Alles gut und da in den letzten Tagen bestätigt worden
ist, daß Böswilligkeit und Unverstand derer, die die wiener Festtage zur
Trübung der Beziehungen zwischen Oestreich und Preußen (in der großdeut¬
schen Demokratensprache: Annäherung der 1866 auseinander gerissenen Bru-


über die Politiker des Schützenfestes gefällt haben, läßt sich in das kurze
Wort zusammenfassen: Bleibt uns mit solchem Unsinn vom Halse.

So gering auch die praktische Erfahrung ist, welche hinter dem östreichi¬
schen Liberalismus liegt, — der letzte parlamentarische Feldzug in Wien hat
dazu hingereicht, die Zurechnungsfähigen und Ernsthaften darüber aufzu¬
klären, daß große, weltgeschichtliche Thatsachen sich nicht durch Resolutionen
zusammengelaufener Soldschreiber und exaltirter Schützenbruder umstoßen
lassen. Keiner von den deutsch-östreichischen Stimmführern hat sich dazu her¬
gegeben mit den Trabert, Pfeiffer und Consorten im spert zu tagen und sich
durch die Theilnahme an einer Versammlung zu prostituiren, in welcher der
doctrinäre Fanatiker K. Mayer aus Stuttgart die äußerste Rechte vertrat
und, verglichen mit den übrigen Rednern, den Eindruck eines praktischen
Staatsmannes machte. Selbst die „Neue freie Presse", welche ihr Möglich¬
stes that, um durch freundliches Entgegenkommen die großdeutschen und föde¬
rativem Sympathien der Festgenossen zu nähren, hat sich von dem Treiben
der Demagogen des spert achselzuckend abgewandt und den Aerger der gro߬
deutschen Meute über die abwehrende Haltung des ministeriellen östreichischen
Liberalismus vermehrt. Von drastischestem Effect war es bereits vorher ge¬
wesen, daß die Versuche dieses Blatts, in die politischen Fest- und Trink¬
sprüche der Schützenredner eine Art Sinn hinein zu interpretiren, von denen,
die die eigentliche Sprache des Particularismus reden, mit Protest zurückgewiesen
worden waren. „Wo bleiben die Sachsen, Schlesier, Hannoveraner u. s. w."
hieß es in den Organen der föderalen „Stammessouverainität", als die N. fr.
Pr. erklärt hatte, das unbedingte Selbstbestimmungsrecht könne doch nur
für die großen Stammesgruppen, nicht für die einzelnen Territorialbevölke¬
rungen in Anspruch genommen werden und der Klagen über die „Preis¬
gebung des Nordens" war vollends kein Ende, als die von dem großen
wiener Journal ausgesprochene Meinung im weiteren Verlauf von anderer
Seite wiederholt., die Unmöglichkeit, den norddeutschen Bund durch eine Re¬
solution umzustoßen, selbst von Karl Mayer anerkannt worden war. Die
Unmöglichkeit eine Interessensolidarität auch nur zwischen den verschiedenen
Gruppen des Particularismus nachzuweisen, auch nur auf dem Papier eine
politische Gemeinschaft zwischen Oestreichern, süd- und norddeutschen Födera¬
listen herzustellen, hat sich so evident gezeigt, daß weitere Ausführungen über
diesen Punkt auch für Anhänger des Föderativsystems auf einige Zeit über¬
flüssig geworden sein dürften.

Soweit wäre Alles gut und da in den letzten Tagen bestätigt worden
ist, daß Böswilligkeit und Unverstand derer, die die wiener Festtage zur
Trübung der Beziehungen zwischen Oestreich und Preußen (in der großdeut¬
schen Demokratensprache: Annäherung der 1866 auseinander gerissenen Bru-


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[0264] über die Politiker des Schützenfestes gefällt haben, läßt sich in das kurze Wort zusammenfassen: Bleibt uns mit solchem Unsinn vom Halse. So gering auch die praktische Erfahrung ist, welche hinter dem östreichi¬ schen Liberalismus liegt, — der letzte parlamentarische Feldzug in Wien hat dazu hingereicht, die Zurechnungsfähigen und Ernsthaften darüber aufzu¬ klären, daß große, weltgeschichtliche Thatsachen sich nicht durch Resolutionen zusammengelaufener Soldschreiber und exaltirter Schützenbruder umstoßen lassen. Keiner von den deutsch-östreichischen Stimmführern hat sich dazu her¬ gegeben mit den Trabert, Pfeiffer und Consorten im spert zu tagen und sich durch die Theilnahme an einer Versammlung zu prostituiren, in welcher der doctrinäre Fanatiker K. Mayer aus Stuttgart die äußerste Rechte vertrat und, verglichen mit den übrigen Rednern, den Eindruck eines praktischen Staatsmannes machte. Selbst die „Neue freie Presse", welche ihr Möglich¬ stes that, um durch freundliches Entgegenkommen die großdeutschen und föde¬ rativem Sympathien der Festgenossen zu nähren, hat sich von dem Treiben der Demagogen des spert achselzuckend abgewandt und den Aerger der gro߬ deutschen Meute über die abwehrende Haltung des ministeriellen östreichischen Liberalismus vermehrt. Von drastischestem Effect war es bereits vorher ge¬ wesen, daß die Versuche dieses Blatts, in die politischen Fest- und Trink¬ sprüche der Schützenredner eine Art Sinn hinein zu interpretiren, von denen, die die eigentliche Sprache des Particularismus reden, mit Protest zurückgewiesen worden waren. „Wo bleiben die Sachsen, Schlesier, Hannoveraner u. s. w." hieß es in den Organen der föderalen „Stammessouverainität", als die N. fr. Pr. erklärt hatte, das unbedingte Selbstbestimmungsrecht könne doch nur für die großen Stammesgruppen, nicht für die einzelnen Territorialbevölke¬ rungen in Anspruch genommen werden und der Klagen über die „Preis¬ gebung des Nordens" war vollends kein Ende, als die von dem großen wiener Journal ausgesprochene Meinung im weiteren Verlauf von anderer Seite wiederholt., die Unmöglichkeit, den norddeutschen Bund durch eine Re¬ solution umzustoßen, selbst von Karl Mayer anerkannt worden war. Die Unmöglichkeit eine Interessensolidarität auch nur zwischen den verschiedenen Gruppen des Particularismus nachzuweisen, auch nur auf dem Papier eine politische Gemeinschaft zwischen Oestreichern, süd- und norddeutschen Födera¬ listen herzustellen, hat sich so evident gezeigt, daß weitere Ausführungen über diesen Punkt auch für Anhänger des Föderativsystems auf einige Zeit über¬ flüssig geworden sein dürften. Soweit wäre Alles gut und da in den letzten Tagen bestätigt worden ist, daß Böswilligkeit und Unverstand derer, die die wiener Festtage zur Trübung der Beziehungen zwischen Oestreich und Preußen (in der großdeut¬ schen Demokratensprache: Annäherung der 1866 auseinander gerissenen Bru-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/264>, abgerufen am 04.07.2024.