Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

doch nicht zu einem einträchtigen Zusammenwirken der verschiedenen Regie¬
rungen kommen würde, sah Preußen sich genöthigt, allein vorzugehen, und
zwar an derjenigen Strecke, wo es allein Gebiet besaß, an der Ostseeküste,
unter Zugrundelegung der ursprünglich von der Küstenvertheidigungscom¬
mission gemachten Vorschläge. Die erforderlichen fortificatorischen Bauten
find seitdem ausgeführt worden und dauern noch theilweise fort in Memel,
(Einfahrt ins kurische Haff), Pillau (Einfahrt ins frische Haff). Swinemünde
(Einfahrt ins große Haff), Peenemünde (Einfahrt ins kleine Haff), Stralsund
(rügensche Binnengewässer -- Hafenetablissement), während nach den Anord¬
nungen des Bundespräsidiums nunmehr zunächst an der Fortführung der
Bauten in Memel und Pillau gearbeitet und zur Befestigung der Elbmün-
dung und der Wesermündung nach den von der Commission bereits angefer¬
tigten speciellen Voranschlägen, in zweiter Linie zur Befestigung der Ems-
und Travemündung sowie einiger mecklenburgischer Punkte (namentlich
Wismars) geschritten werden soll. -- Diese sämmtlichen Befestigungsanlagen sind
im Ganzen auf 3^ Mill. Thlr. veranschlagt, deren Beschaffung sich übrigens
auf eine Reihe von Jahren vertheilt, da eine übermäßige Beschleunigung der
Bauten nur auf Kosten ihrer Solidität stattfinden könnte; eine halbe Mil¬
lion jährlich wird genügen. Hierzu kämen nach den Erläuterungen der Re¬
gierung für die 1868 beabsichtigte Marineanleihe noch 1 Mill. Thlr. für
Beschaffung schwerer gezogener Neservegeschütze in den Jahren 1868--71, und
für unterseeische Hafenvertheidigung mittelst Seculum oder Torpedos einem
10jährigen Zeitraum 190,000 Thlr., also jährlich etwa 20.000.

Man> könnte nun allerdings bei Betrachtung der beabsichtigten Küsten"
befestigungsbauten die Frage aufwerfen, ob nicht durch die fortificatorischen
Anlagen aus früherer Zeit. z. B. die von Seiten Hannovers ausgeführten
Bauten, bedeutend vorgearbeitet sei. Aber das war eben das Elend der
deutschen Kleinstaaterei, daß von Seiten der Einzelregierungen nie Maßre-
geln getroffen "der auch nur gebilligt wurden, die das Interesse des großen
Ganzen im Auge hatten: selbst unter dem Drange kriegerischer Ereig¬
nisse, wie im letzten Jahrzehnt, wurden nur an einzelnen Punkten und blos
unbedeutende Befestigungen aufgeführt, die ohne Zusammenhang untereinander
lediglich nach momentanen und localen Bedürfnissen bemessen und deshalb sür
die Gesammtvertheidigung fast ganz ohne Werth waren. So baute Hanno¬
ver das Fort William, ein kleines halbrundes Steinfort an der Weser, und
zwar nicht etwa unterhalb Bremerhafen, um dieses vor einer feindlichen Flotte
zu schützen, sondern oberhalb desselben, zwischen dieser Stadt und Geeste-
münde, sodaß nur letzteres einigermaßen geschützt, ersteres aber dem Feinde
schutzlos preisgegeben war. Vielleicht war es Absicht, die Concurrentin bei
Gelegenheit der Vernichtung durch die feindlichen und auch die eigenen Ge-


doch nicht zu einem einträchtigen Zusammenwirken der verschiedenen Regie¬
rungen kommen würde, sah Preußen sich genöthigt, allein vorzugehen, und
zwar an derjenigen Strecke, wo es allein Gebiet besaß, an der Ostseeküste,
unter Zugrundelegung der ursprünglich von der Küstenvertheidigungscom¬
mission gemachten Vorschläge. Die erforderlichen fortificatorischen Bauten
find seitdem ausgeführt worden und dauern noch theilweise fort in Memel,
(Einfahrt ins kurische Haff), Pillau (Einfahrt ins frische Haff). Swinemünde
(Einfahrt ins große Haff), Peenemünde (Einfahrt ins kleine Haff), Stralsund
(rügensche Binnengewässer — Hafenetablissement), während nach den Anord¬
nungen des Bundespräsidiums nunmehr zunächst an der Fortführung der
Bauten in Memel und Pillau gearbeitet und zur Befestigung der Elbmün-
dung und der Wesermündung nach den von der Commission bereits angefer¬
tigten speciellen Voranschlägen, in zweiter Linie zur Befestigung der Ems-
und Travemündung sowie einiger mecklenburgischer Punkte (namentlich
Wismars) geschritten werden soll. — Diese sämmtlichen Befestigungsanlagen sind
im Ganzen auf 3^ Mill. Thlr. veranschlagt, deren Beschaffung sich übrigens
auf eine Reihe von Jahren vertheilt, da eine übermäßige Beschleunigung der
Bauten nur auf Kosten ihrer Solidität stattfinden könnte; eine halbe Mil¬
lion jährlich wird genügen. Hierzu kämen nach den Erläuterungen der Re¬
gierung für die 1868 beabsichtigte Marineanleihe noch 1 Mill. Thlr. für
Beschaffung schwerer gezogener Neservegeschütze in den Jahren 1868—71, und
für unterseeische Hafenvertheidigung mittelst Seculum oder Torpedos einem
10jährigen Zeitraum 190,000 Thlr., also jährlich etwa 20.000.

Man> könnte nun allerdings bei Betrachtung der beabsichtigten Küsten«
befestigungsbauten die Frage aufwerfen, ob nicht durch die fortificatorischen
Anlagen aus früherer Zeit. z. B. die von Seiten Hannovers ausgeführten
Bauten, bedeutend vorgearbeitet sei. Aber das war eben das Elend der
deutschen Kleinstaaterei, daß von Seiten der Einzelregierungen nie Maßre-
geln getroffen «der auch nur gebilligt wurden, die das Interesse des großen
Ganzen im Auge hatten: selbst unter dem Drange kriegerischer Ereig¬
nisse, wie im letzten Jahrzehnt, wurden nur an einzelnen Punkten und blos
unbedeutende Befestigungen aufgeführt, die ohne Zusammenhang untereinander
lediglich nach momentanen und localen Bedürfnissen bemessen und deshalb sür
die Gesammtvertheidigung fast ganz ohne Werth waren. So baute Hanno¬
ver das Fort William, ein kleines halbrundes Steinfort an der Weser, und
zwar nicht etwa unterhalb Bremerhafen, um dieses vor einer feindlichen Flotte
zu schützen, sondern oberhalb desselben, zwischen dieser Stadt und Geeste-
münde, sodaß nur letzteres einigermaßen geschützt, ersteres aber dem Feinde
schutzlos preisgegeben war. Vielleicht war es Absicht, die Concurrentin bei
Gelegenheit der Vernichtung durch die feindlichen und auch die eigenen Ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286738"/>
            <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> doch nicht zu einem einträchtigen Zusammenwirken der verschiedenen Regie¬<lb/>
rungen kommen würde, sah Preußen sich genöthigt, allein vorzugehen, und<lb/>
zwar an derjenigen Strecke, wo es allein Gebiet besaß, an der Ostseeküste,<lb/>
unter Zugrundelegung der ursprünglich von der Küstenvertheidigungscom¬<lb/>
mission gemachten Vorschläge. Die erforderlichen fortificatorischen Bauten<lb/>
find seitdem ausgeführt worden und dauern noch theilweise fort in Memel,<lb/>
(Einfahrt ins kurische Haff), Pillau (Einfahrt ins frische Haff). Swinemünde<lb/>
(Einfahrt ins große Haff), Peenemünde (Einfahrt ins kleine Haff), Stralsund<lb/>
(rügensche Binnengewässer &#x2014; Hafenetablissement), während nach den Anord¬<lb/>
nungen des Bundespräsidiums nunmehr zunächst an der Fortführung der<lb/>
Bauten in Memel und Pillau gearbeitet und zur Befestigung der Elbmün-<lb/>
dung und der Wesermündung nach den von der Commission bereits angefer¬<lb/>
tigten speciellen Voranschlägen, in zweiter Linie zur Befestigung der Ems-<lb/>
und Travemündung sowie einiger mecklenburgischer Punkte (namentlich<lb/>
Wismars) geschritten werden soll. &#x2014; Diese sämmtlichen Befestigungsanlagen sind<lb/>
im Ganzen auf 3^ Mill. Thlr. veranschlagt, deren Beschaffung sich übrigens<lb/>
auf eine Reihe von Jahren vertheilt, da eine übermäßige Beschleunigung der<lb/>
Bauten nur auf Kosten ihrer Solidität stattfinden könnte; eine halbe Mil¬<lb/>
lion jährlich wird genügen. Hierzu kämen nach den Erläuterungen der Re¬<lb/>
gierung für die 1868 beabsichtigte Marineanleihe noch 1 Mill. Thlr. für<lb/>
Beschaffung schwerer gezogener Neservegeschütze in den Jahren 1868&#x2014;71, und<lb/>
für unterseeische Hafenvertheidigung mittelst Seculum oder Torpedos einem<lb/>
10jährigen Zeitraum 190,000 Thlr., also jährlich etwa 20.000.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Man&gt; könnte nun allerdings bei Betrachtung der beabsichtigten Küsten«<lb/>
befestigungsbauten die Frage aufwerfen, ob nicht durch die fortificatorischen<lb/>
Anlagen aus früherer Zeit. z. B. die von Seiten Hannovers ausgeführten<lb/>
Bauten, bedeutend vorgearbeitet sei. Aber das war eben das Elend der<lb/>
deutschen Kleinstaaterei, daß von Seiten der Einzelregierungen nie Maßre-<lb/>
geln getroffen «der auch nur gebilligt wurden, die das Interesse des großen<lb/>
Ganzen im Auge hatten: selbst unter dem Drange kriegerischer Ereig¬<lb/>
nisse, wie im letzten Jahrzehnt, wurden nur an einzelnen Punkten und blos<lb/>
unbedeutende Befestigungen aufgeführt, die ohne Zusammenhang untereinander<lb/>
lediglich nach momentanen und localen Bedürfnissen bemessen und deshalb sür<lb/>
die Gesammtvertheidigung fast ganz ohne Werth waren. So baute Hanno¬<lb/>
ver das Fort William, ein kleines halbrundes Steinfort an der Weser, und<lb/>
zwar nicht etwa unterhalb Bremerhafen, um dieses vor einer feindlichen Flotte<lb/>
zu schützen, sondern oberhalb desselben, zwischen dieser Stadt und Geeste-<lb/>
münde, sodaß nur letzteres einigermaßen geschützt, ersteres aber dem Feinde<lb/>
schutzlos preisgegeben war. Vielleicht war es Absicht, die Concurrentin bei<lb/>
Gelegenheit der Vernichtung durch die feindlichen und auch die eigenen Ge-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] doch nicht zu einem einträchtigen Zusammenwirken der verschiedenen Regie¬ rungen kommen würde, sah Preußen sich genöthigt, allein vorzugehen, und zwar an derjenigen Strecke, wo es allein Gebiet besaß, an der Ostseeküste, unter Zugrundelegung der ursprünglich von der Küstenvertheidigungscom¬ mission gemachten Vorschläge. Die erforderlichen fortificatorischen Bauten find seitdem ausgeführt worden und dauern noch theilweise fort in Memel, (Einfahrt ins kurische Haff), Pillau (Einfahrt ins frische Haff). Swinemünde (Einfahrt ins große Haff), Peenemünde (Einfahrt ins kleine Haff), Stralsund (rügensche Binnengewässer — Hafenetablissement), während nach den Anord¬ nungen des Bundespräsidiums nunmehr zunächst an der Fortführung der Bauten in Memel und Pillau gearbeitet und zur Befestigung der Elbmün- dung und der Wesermündung nach den von der Commission bereits angefer¬ tigten speciellen Voranschlägen, in zweiter Linie zur Befestigung der Ems- und Travemündung sowie einiger mecklenburgischer Punkte (namentlich Wismars) geschritten werden soll. — Diese sämmtlichen Befestigungsanlagen sind im Ganzen auf 3^ Mill. Thlr. veranschlagt, deren Beschaffung sich übrigens auf eine Reihe von Jahren vertheilt, da eine übermäßige Beschleunigung der Bauten nur auf Kosten ihrer Solidität stattfinden könnte; eine halbe Mil¬ lion jährlich wird genügen. Hierzu kämen nach den Erläuterungen der Re¬ gierung für die 1868 beabsichtigte Marineanleihe noch 1 Mill. Thlr. für Beschaffung schwerer gezogener Neservegeschütze in den Jahren 1868—71, und für unterseeische Hafenvertheidigung mittelst Seculum oder Torpedos einem 10jährigen Zeitraum 190,000 Thlr., also jährlich etwa 20.000. Man> könnte nun allerdings bei Betrachtung der beabsichtigten Küsten« befestigungsbauten die Frage aufwerfen, ob nicht durch die fortificatorischen Anlagen aus früherer Zeit. z. B. die von Seiten Hannovers ausgeführten Bauten, bedeutend vorgearbeitet sei. Aber das war eben das Elend der deutschen Kleinstaaterei, daß von Seiten der Einzelregierungen nie Maßre- geln getroffen «der auch nur gebilligt wurden, die das Interesse des großen Ganzen im Auge hatten: selbst unter dem Drange kriegerischer Ereig¬ nisse, wie im letzten Jahrzehnt, wurden nur an einzelnen Punkten und blos unbedeutende Befestigungen aufgeführt, die ohne Zusammenhang untereinander lediglich nach momentanen und localen Bedürfnissen bemessen und deshalb sür die Gesammtvertheidigung fast ganz ohne Werth waren. So baute Hanno¬ ver das Fort William, ein kleines halbrundes Steinfort an der Weser, und zwar nicht etwa unterhalb Bremerhafen, um dieses vor einer feindlichen Flotte zu schützen, sondern oberhalb desselben, zwischen dieser Stadt und Geeste- münde, sodaß nur letzteres einigermaßen geschützt, ersteres aber dem Feinde schutzlos preisgegeben war. Vielleicht war es Absicht, die Concurrentin bei Gelegenheit der Vernichtung durch die feindlichen und auch die eigenen Ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/26>, abgerufen am 30.06.2024.