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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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die Bemerkung eines witzigen Schriftstellers, Reuter hätte auf dem Titel seiner
Schriften anmerken sollen, "Uebersetzung wird verbeten" in vollem Ernste für nicht
unbegründet halten. Dazu kommt, daß bei Reuter die muntere Derbheit sowie die
schalkhafte Heterodoxie gewisser Scenen, die der Deutsche mit unbefangenem Er¬
götzen genießt, vordem Engländer nur zu leicht mit dem vernichtenden: "imxroxsr"
markirt werden wird, weshalb denn auch schon im vorliegenden Buche Einzelnes
von dem Uebersetzer gestrichen, Anderes gemildert worden ist. Die englische Be¬
arbeitung muß also als ein kühner Versuch bezeichnet werden; gelingt es dem unver¬
wüstlichen Kerne reellen Humors, die hier drohende chinesische Mauer wirklich zu
durchbrechen -- um so besser! --

Eine dankenswerthe Gabe zum Verständniß unserer Reuterliteratur ist:


F. Frehses Wörterbuch zu Fritz Reuters sämmtlichen Werken. Wismar, Hinstorff.

Freilich durchaus nicht gelehrt oder auch nur einigermaßen etymologisch abgefaßt,
aber durchweg bündig und brauchbar. Gern liest man auch die Erläuterung mancher
Eigennamen wie "Bräfig und Rüßler", umso unlieber vermißt man dagegen Wörter
wie "Pomuchelskopp" und "JuMapp" ; fleißige Nachlese würde noch beträchtlichern
Ertrag bieten.

Von einem näheren Freunde Reuters, Ludwig Reinhard (Avkat Rein in der Strom-
tid) liegen vor:

Komische Spaziergänge. (Coburg, Sendelbach), die in der Clasfificirung des Komi¬
schen manche gute Bemerkung und im Einzelnen allerhand ergötzlicke Schnurren beibrin¬
gen, darum auch vielerlei sehr Bekanntes; nur wird leider durch wirklich Gewöhn¬
liches und Anstößiges öfters eine Linie überschritten, die Reuter selbst in derbster
Jovialität streng eingehalten hat. --




Jahrbücher für Gesellschafts- und Staatswissenschaften. Herausgeg.
von Dr. I. C. Glaser. Heft 43, 44, 45. Berlin 1867.

Es ist nun bereits der vierte Jahrgang, den diese Monatsschrift zurückgelegt
hat. Ihre eigentliche Aufgabe, die Interessen der conservativen Partei in Preußen
zu wahren, sucht sie mit tüchtigen Kräften zu lösen. Nicht die abstract wissen¬
schaftliche Durchforschung ihres weiten Gebiets ist ihre Absicht; vielmehr gilt es ihr,
die brennenden Fragen der Gegenwart an dem Maßstabe ihres Parteistandpunkts
zu messen. Besonders die "sociale Frage" mit Allem, was sich auf sie bezieht,
findet eingehendste Berücksichtigung. In den uns vorliegenden Heften des 3. Quart.
1867 ist dieselbe in den "Briefen conservativer Freunde" vorzugsweise, und auch
andererseits gelegentlich behandelt. Ueberall ist die Loosung: Kampf gegen das
Kapital! -- jener Grundsatz, in welchem bekanntlich die preußischen Tones mit den
Jüngern Lassalles so innig verbunden erscheinen. Abhilfe der socialen Schäden kann
nur von einer strengchristlichen Reorganisation der Gesellschaft erwartet werden. In
diesem Zusammenhange werden auch den Fragen der Pädagogik, ganz besonders
aber der Reform des Universitätswesens besondere. Besprechungen gewidmet, und
wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß wir die Abnahme des wissenschaftlichen Geistes


die Bemerkung eines witzigen Schriftstellers, Reuter hätte auf dem Titel seiner
Schriften anmerken sollen, „Uebersetzung wird verbeten" in vollem Ernste für nicht
unbegründet halten. Dazu kommt, daß bei Reuter die muntere Derbheit sowie die
schalkhafte Heterodoxie gewisser Scenen, die der Deutsche mit unbefangenem Er¬
götzen genießt, vordem Engländer nur zu leicht mit dem vernichtenden: „imxroxsr"
markirt werden wird, weshalb denn auch schon im vorliegenden Buche Einzelnes
von dem Uebersetzer gestrichen, Anderes gemildert worden ist. Die englische Be¬
arbeitung muß also als ein kühner Versuch bezeichnet werden; gelingt es dem unver¬
wüstlichen Kerne reellen Humors, die hier drohende chinesische Mauer wirklich zu
durchbrechen — um so besser! —

Eine dankenswerthe Gabe zum Verständniß unserer Reuterliteratur ist:


F. Frehses Wörterbuch zu Fritz Reuters sämmtlichen Werken. Wismar, Hinstorff.

Freilich durchaus nicht gelehrt oder auch nur einigermaßen etymologisch abgefaßt,
aber durchweg bündig und brauchbar. Gern liest man auch die Erläuterung mancher
Eigennamen wie „Bräfig und Rüßler", umso unlieber vermißt man dagegen Wörter
wie „Pomuchelskopp" und „JuMapp" ; fleißige Nachlese würde noch beträchtlichern
Ertrag bieten.

Von einem näheren Freunde Reuters, Ludwig Reinhard (Avkat Rein in der Strom-
tid) liegen vor:

Komische Spaziergänge. (Coburg, Sendelbach), die in der Clasfificirung des Komi¬
schen manche gute Bemerkung und im Einzelnen allerhand ergötzlicke Schnurren beibrin¬
gen, darum auch vielerlei sehr Bekanntes; nur wird leider durch wirklich Gewöhn¬
liches und Anstößiges öfters eine Linie überschritten, die Reuter selbst in derbster
Jovialität streng eingehalten hat. —




Jahrbücher für Gesellschafts- und Staatswissenschaften. Herausgeg.
von Dr. I. C. Glaser. Heft 43, 44, 45. Berlin 1867.

Es ist nun bereits der vierte Jahrgang, den diese Monatsschrift zurückgelegt
hat. Ihre eigentliche Aufgabe, die Interessen der conservativen Partei in Preußen
zu wahren, sucht sie mit tüchtigen Kräften zu lösen. Nicht die abstract wissen¬
schaftliche Durchforschung ihres weiten Gebiets ist ihre Absicht; vielmehr gilt es ihr,
die brennenden Fragen der Gegenwart an dem Maßstabe ihres Parteistandpunkts
zu messen. Besonders die „sociale Frage" mit Allem, was sich auf sie bezieht,
findet eingehendste Berücksichtigung. In den uns vorliegenden Heften des 3. Quart.
1867 ist dieselbe in den „Briefen conservativer Freunde" vorzugsweise, und auch
andererseits gelegentlich behandelt. Ueberall ist die Loosung: Kampf gegen das
Kapital! — jener Grundsatz, in welchem bekanntlich die preußischen Tones mit den
Jüngern Lassalles so innig verbunden erscheinen. Abhilfe der socialen Schäden kann
nur von einer strengchristlichen Reorganisation der Gesellschaft erwartet werden. In
diesem Zusammenhange werden auch den Fragen der Pädagogik, ganz besonders
aber der Reform des Universitätswesens besondere. Besprechungen gewidmet, und
wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß wir die Abnahme des wissenschaftlichen Geistes


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[0259] die Bemerkung eines witzigen Schriftstellers, Reuter hätte auf dem Titel seiner Schriften anmerken sollen, „Uebersetzung wird verbeten" in vollem Ernste für nicht unbegründet halten. Dazu kommt, daß bei Reuter die muntere Derbheit sowie die schalkhafte Heterodoxie gewisser Scenen, die der Deutsche mit unbefangenem Er¬ götzen genießt, vordem Engländer nur zu leicht mit dem vernichtenden: „imxroxsr" markirt werden wird, weshalb denn auch schon im vorliegenden Buche Einzelnes von dem Uebersetzer gestrichen, Anderes gemildert worden ist. Die englische Be¬ arbeitung muß also als ein kühner Versuch bezeichnet werden; gelingt es dem unver¬ wüstlichen Kerne reellen Humors, die hier drohende chinesische Mauer wirklich zu durchbrechen — um so besser! — Eine dankenswerthe Gabe zum Verständniß unserer Reuterliteratur ist: F. Frehses Wörterbuch zu Fritz Reuters sämmtlichen Werken. Wismar, Hinstorff. Freilich durchaus nicht gelehrt oder auch nur einigermaßen etymologisch abgefaßt, aber durchweg bündig und brauchbar. Gern liest man auch die Erläuterung mancher Eigennamen wie „Bräfig und Rüßler", umso unlieber vermißt man dagegen Wörter wie „Pomuchelskopp" und „JuMapp" ; fleißige Nachlese würde noch beträchtlichern Ertrag bieten. Von einem näheren Freunde Reuters, Ludwig Reinhard (Avkat Rein in der Strom- tid) liegen vor: Komische Spaziergänge. (Coburg, Sendelbach), die in der Clasfificirung des Komi¬ schen manche gute Bemerkung und im Einzelnen allerhand ergötzlicke Schnurren beibrin¬ gen, darum auch vielerlei sehr Bekanntes; nur wird leider durch wirklich Gewöhn¬ liches und Anstößiges öfters eine Linie überschritten, die Reuter selbst in derbster Jovialität streng eingehalten hat. — Jahrbücher für Gesellschafts- und Staatswissenschaften. Herausgeg. von Dr. I. C. Glaser. Heft 43, 44, 45. Berlin 1867. Es ist nun bereits der vierte Jahrgang, den diese Monatsschrift zurückgelegt hat. Ihre eigentliche Aufgabe, die Interessen der conservativen Partei in Preußen zu wahren, sucht sie mit tüchtigen Kräften zu lösen. Nicht die abstract wissen¬ schaftliche Durchforschung ihres weiten Gebiets ist ihre Absicht; vielmehr gilt es ihr, die brennenden Fragen der Gegenwart an dem Maßstabe ihres Parteistandpunkts zu messen. Besonders die „sociale Frage" mit Allem, was sich auf sie bezieht, findet eingehendste Berücksichtigung. In den uns vorliegenden Heften des 3. Quart. 1867 ist dieselbe in den „Briefen conservativer Freunde" vorzugsweise, und auch andererseits gelegentlich behandelt. Ueberall ist die Loosung: Kampf gegen das Kapital! — jener Grundsatz, in welchem bekanntlich die preußischen Tones mit den Jüngern Lassalles so innig verbunden erscheinen. Abhilfe der socialen Schäden kann nur von einer strengchristlichen Reorganisation der Gesellschaft erwartet werden. In diesem Zusammenhange werden auch den Fragen der Pädagogik, ganz besonders aber der Reform des Universitätswesens besondere. Besprechungen gewidmet, und wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß wir die Abnahme des wissenschaftlichen Geistes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/259>, abgerufen am 04.07.2024.