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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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vernements. die Durchsicht und Bestätigung des nunmehr veröffentlichten
neuen Zolltarifs, durch welchen mindestens die Aufschläge von 1858 und 1861
aufgehoben werden, die Concessionirung neuer Eisenbahnlinien (unter denen
die Petersburg-Neval-Baltisch^Porter-Bahn die wichtigste ist), endlich der Ver¬
kauf der Moskau-Petersburger Staatsbahn an die große russische Compagnie
wurden in den Wochen, welche der Badereise des Kaisers vorhergingen, be¬
stätigt. Angesichts der großen wirthschaftlichen Sorgen, welche dem russi¬
schen Reich bevorstehen, wird die auswärtige Politik desselben, trotz der kriegs¬
lustiger Sprache, welche ein großer Theil der Presse noch immer im Hinblick
auf den Orient führt, wahrscheinlich noch für längere Zeit einen friedlichen
Charakter tragen müssen.

Im Norden Europas ist dieser Tage eine Verbindung abgeschlossen wor¬
den, welche dem scandinavischen Nationalgefühl Aussicht auf die Verwirk¬
lichung eines seiner ältesten und liebsten Wünsche eröffnet; die einzige Tochter
des Königs von Schweden heirathet den dänischen Thronerben und der Scan-
dinavismus sieht sich bereits am Vorabend einer neuen kalmarischen Union.
Ob die Entscheidung über das Schicksal Nord-Schleswigs nicht durch diese
Erfüllung der dänischen Nationalwünsche ihrem Abschluß entgegengeführt
oder mindestens in eine neue Phase gerückt werden wird?




Literatur.

Das römisch-deutsche Kaiserreich und der deutsche Nationalstaat v. C. Willich
(Oldenburg bei Ferdinand Schmidt 1868).

Die vorliegende Brochüre, welche den Inhalt eines in größerem Kreise gehal¬
tenen Vortrags bildet und sich rasch einer größeren Verbreitung zu erfreuen gehabt
hat, zerfällt in zwei Theile, deren erster die Hauptmomente der politischen Entwicke¬
lung des' römisch-deutschen Reichs bis zu den Freiheitskriegen gegen die Franzosen
betrachtet, während der zweite den deutschen Nationalstaat der Zukunft zum Gegen¬
stand hat. Dieser Abschnitt zerfällt in vier Capitel; das erste untersucht die Bil¬
dungselemente und Errungenschaften der bisherigen Entwickelung, welche einem deut¬
schen Nationalstaat günstig sind, das zweite betrachtet Charakter und Entwickelungs¬
gang der beiden Großstaaten Oestreich und Preußen und deren entgegengesetzte
Stellung zu einem deutschen Nationalstaat; hierauf werden die Anträge zu einer
neuen staatlichen Bildung Deutschlands durchgegangen, welche zwischen den I. 1849
und 1866 versucht worden; der Schluß hat es endlich mit den Hoffnungen zuthun,
welche sich sür günstige Entwickelung aus der im I. 1866 gewonnenen Grundlage
hegen lassen. Bei der Klarheit und Präcision der Darstellung, durch welche diese
Schrift sich auszeichnet, ist dieselbe entschieden zu empfehlen, namentlich für solche
Kreise, denen an einem zusammenhängenden Ueberblick über die vielgewundene Ge¬
schichte der letzten Jahrzehnte gelegen ist. Hinzuzufügen wäre noch, daß der Ver¬
fasser die seiner Auffassung entgegenstehenden Anschauungen in versöhnlicher Weise
behandelt und daß er -- nicht Preuße ist!




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

vernements. die Durchsicht und Bestätigung des nunmehr veröffentlichten
neuen Zolltarifs, durch welchen mindestens die Aufschläge von 1858 und 1861
aufgehoben werden, die Concessionirung neuer Eisenbahnlinien (unter denen
die Petersburg-Neval-Baltisch^Porter-Bahn die wichtigste ist), endlich der Ver¬
kauf der Moskau-Petersburger Staatsbahn an die große russische Compagnie
wurden in den Wochen, welche der Badereise des Kaisers vorhergingen, be¬
stätigt. Angesichts der großen wirthschaftlichen Sorgen, welche dem russi¬
schen Reich bevorstehen, wird die auswärtige Politik desselben, trotz der kriegs¬
lustiger Sprache, welche ein großer Theil der Presse noch immer im Hinblick
auf den Orient führt, wahrscheinlich noch für längere Zeit einen friedlichen
Charakter tragen müssen.

Im Norden Europas ist dieser Tage eine Verbindung abgeschlossen wor¬
den, welche dem scandinavischen Nationalgefühl Aussicht auf die Verwirk¬
lichung eines seiner ältesten und liebsten Wünsche eröffnet; die einzige Tochter
des Königs von Schweden heirathet den dänischen Thronerben und der Scan-
dinavismus sieht sich bereits am Vorabend einer neuen kalmarischen Union.
Ob die Entscheidung über das Schicksal Nord-Schleswigs nicht durch diese
Erfüllung der dänischen Nationalwünsche ihrem Abschluß entgegengeführt
oder mindestens in eine neue Phase gerückt werden wird?




Literatur.

Das römisch-deutsche Kaiserreich und der deutsche Nationalstaat v. C. Willich
(Oldenburg bei Ferdinand Schmidt 1868).

Die vorliegende Brochüre, welche den Inhalt eines in größerem Kreise gehal¬
tenen Vortrags bildet und sich rasch einer größeren Verbreitung zu erfreuen gehabt
hat, zerfällt in zwei Theile, deren erster die Hauptmomente der politischen Entwicke¬
lung des' römisch-deutschen Reichs bis zu den Freiheitskriegen gegen die Franzosen
betrachtet, während der zweite den deutschen Nationalstaat der Zukunft zum Gegen¬
stand hat. Dieser Abschnitt zerfällt in vier Capitel; das erste untersucht die Bil¬
dungselemente und Errungenschaften der bisherigen Entwickelung, welche einem deut¬
schen Nationalstaat günstig sind, das zweite betrachtet Charakter und Entwickelungs¬
gang der beiden Großstaaten Oestreich und Preußen und deren entgegengesetzte
Stellung zu einem deutschen Nationalstaat; hierauf werden die Anträge zu einer
neuen staatlichen Bildung Deutschlands durchgegangen, welche zwischen den I. 1849
und 1866 versucht worden; der Schluß hat es endlich mit den Hoffnungen zuthun,
welche sich sür günstige Entwickelung aus der im I. 1866 gewonnenen Grundlage
hegen lassen. Bei der Klarheit und Präcision der Darstellung, durch welche diese
Schrift sich auszeichnet, ist dieselbe entschieden zu empfehlen, namentlich für solche
Kreise, denen an einem zusammenhängenden Ueberblick über die vielgewundene Ge¬
schichte der letzten Jahrzehnte gelegen ist. Hinzuzufügen wäre noch, daß der Ver¬
fasser die seiner Auffassung entgegenstehenden Anschauungen in versöhnlicher Weise
behandelt und daß er — nicht Preuße ist!




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.
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[0218] vernements. die Durchsicht und Bestätigung des nunmehr veröffentlichten neuen Zolltarifs, durch welchen mindestens die Aufschläge von 1858 und 1861 aufgehoben werden, die Concessionirung neuer Eisenbahnlinien (unter denen die Petersburg-Neval-Baltisch^Porter-Bahn die wichtigste ist), endlich der Ver¬ kauf der Moskau-Petersburger Staatsbahn an die große russische Compagnie wurden in den Wochen, welche der Badereise des Kaisers vorhergingen, be¬ stätigt. Angesichts der großen wirthschaftlichen Sorgen, welche dem russi¬ schen Reich bevorstehen, wird die auswärtige Politik desselben, trotz der kriegs¬ lustiger Sprache, welche ein großer Theil der Presse noch immer im Hinblick auf den Orient führt, wahrscheinlich noch für längere Zeit einen friedlichen Charakter tragen müssen. Im Norden Europas ist dieser Tage eine Verbindung abgeschlossen wor¬ den, welche dem scandinavischen Nationalgefühl Aussicht auf die Verwirk¬ lichung eines seiner ältesten und liebsten Wünsche eröffnet; die einzige Tochter des Königs von Schweden heirathet den dänischen Thronerben und der Scan- dinavismus sieht sich bereits am Vorabend einer neuen kalmarischen Union. Ob die Entscheidung über das Schicksal Nord-Schleswigs nicht durch diese Erfüllung der dänischen Nationalwünsche ihrem Abschluß entgegengeführt oder mindestens in eine neue Phase gerückt werden wird? Literatur. Das römisch-deutsche Kaiserreich und der deutsche Nationalstaat v. C. Willich (Oldenburg bei Ferdinand Schmidt 1868). Die vorliegende Brochüre, welche den Inhalt eines in größerem Kreise gehal¬ tenen Vortrags bildet und sich rasch einer größeren Verbreitung zu erfreuen gehabt hat, zerfällt in zwei Theile, deren erster die Hauptmomente der politischen Entwicke¬ lung des' römisch-deutschen Reichs bis zu den Freiheitskriegen gegen die Franzosen betrachtet, während der zweite den deutschen Nationalstaat der Zukunft zum Gegen¬ stand hat. Dieser Abschnitt zerfällt in vier Capitel; das erste untersucht die Bil¬ dungselemente und Errungenschaften der bisherigen Entwickelung, welche einem deut¬ schen Nationalstaat günstig sind, das zweite betrachtet Charakter und Entwickelungs¬ gang der beiden Großstaaten Oestreich und Preußen und deren entgegengesetzte Stellung zu einem deutschen Nationalstaat; hierauf werden die Anträge zu einer neuen staatlichen Bildung Deutschlands durchgegangen, welche zwischen den I. 1849 und 1866 versucht worden; der Schluß hat es endlich mit den Hoffnungen zuthun, welche sich sür günstige Entwickelung aus der im I. 1866 gewonnenen Grundlage hegen lassen. Bei der Klarheit und Präcision der Darstellung, durch welche diese Schrift sich auszeichnet, ist dieselbe entschieden zu empfehlen, namentlich für solche Kreise, denen an einem zusammenhängenden Ueberblick über die vielgewundene Ge¬ schichte der letzten Jahrzehnte gelegen ist. Hinzuzufügen wäre noch, daß der Ver¬ fasser die seiner Auffassung entgegenstehenden Anschauungen in versöhnlicher Weise behandelt und daß er — nicht Preuße ist! Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/218>, abgerufen am 02.07.2024.