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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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das Schiff schlug mehrmals heftig nach der Gegenseite, wodurch der Mast
einen Sprung von V" Zoll um den ganzen Umfang bekam, und endlich
2--3 Fuß über Deck abbrach und mit allen Raaen über Bord stürzte, wo¬
bei er die Stengen (Verlängerungen) der beiden andern Masten auch noch
abbrach aber nicht mitriß. In dieser Gefahr verfuhr man offenbar, trotz des
Schlingerns, das ohne Segel noch heftiger werden mußte, mit Geistesgegen¬
wart. Man stoppte die Maschine, um nicht die Schraube in das Tauwerk
der seitlängs gefallenen Masten zu verwickeln und brachte einen Theil der
noch hängenden.Raaen und Stengen in Sicherheit. Bei der Großraa in¬
dessen, die an 3 Punkten am Mast befestigt ist, hier aber nur noch an einem
einzigen, dem Hanger, hing, gelang dies nicht mehr; sie riß vielmehr auch
den Großmast mit sich, der 3 Fuß über Deck abbrach, nachdem er an der-
selben Stelle schon eine Stunde früher einen Riß erhalten. Dieser Mast fiel
weniger glücklich als der Fockmast; er brach in 3 Stücke und eins derselben
kam auf das Deck und auf Taugut zu liegen und erschwerte so das Kappen
des letzteren ungemein, während ein anderes sich in die Schraube verwickelte
und die Maschine am Arbeiten verhinderte, sodaß das Schiff steuerlos wurde
und wirklich gefährlich zu arbeiten begann. Da indessen zum Glück die hoch¬
gehende-See nicht durch Sturm verschlimmert wurde, gelang es, ohne Ver¬
lust an Menschenleben und, abgesehen von der eingeschlagenen Reiling, ohne
Beschädigung des Schiffskörpers am 22. Oetober Plymouth zu erreichen, von
wo das Schiff nach Hamoaze und dann ins Dock von Devonport ging.

Im Ganzen ist der Vorfall nicht so bedenklich, wie er bei uns wegen
Mangel an maritimer Erfahrung aufgefaßt wird. Dem englischen Panzer¬
geschwader sind vor Lissabon, dem französischen bei Teneriffa wiederholt Reinen
und Theile der Takelage weggeblasen worden, ohne daß man davon viel
Aufhebens gemacht hätte; vollends über Holzschiffe findet man alle Augen¬
blicke in den englischen Zeitungen derartige Notizen. Ueberdies hat nach
unserm Gewährsmann das Schiff selbst keinen Schaden gelitten und sich so¬
mit trotz der großen Anstrengung gut bewährt, besser vielleicht, als sich ein
Holzschiff in ähnlicher Lage erhalten haben würde. -- Ein Gerücht, das
ganze Schiff sei nicht mehr zu brauchen, wäre hiernach ganz ungegründet.
Es ist aber freilich die Takelage wieder zu ersetzen, die wegen der Stahlrohren
sehr theuer ist (ca. 130,000 Thlr., während sie bei einer gedeckten Corvette
noch nicht 40,000 Thlr. kostet); aber auch der Ersatz dieser Summe soll durch
eine zweijährige Garantie der Gesellschaft in Toulon (also nicht des flüchtig
gewordenen Nheders Armand in Bordeaux) sicher gestellt sein. Bei der neuen
Takelage wird man eben die Eisenmasten stärker machen müssen, vielleicht
auch elastischer durch Weglassung der Winkeleisen von kreuzförmigem Quer¬
schnitt und entsprechende Verstärkung der Wand; ebenso wird man die Wan-


das Schiff schlug mehrmals heftig nach der Gegenseite, wodurch der Mast
einen Sprung von V» Zoll um den ganzen Umfang bekam, und endlich
2—3 Fuß über Deck abbrach und mit allen Raaen über Bord stürzte, wo¬
bei er die Stengen (Verlängerungen) der beiden andern Masten auch noch
abbrach aber nicht mitriß. In dieser Gefahr verfuhr man offenbar, trotz des
Schlingerns, das ohne Segel noch heftiger werden mußte, mit Geistesgegen¬
wart. Man stoppte die Maschine, um nicht die Schraube in das Tauwerk
der seitlängs gefallenen Masten zu verwickeln und brachte einen Theil der
noch hängenden.Raaen und Stengen in Sicherheit. Bei der Großraa in¬
dessen, die an 3 Punkten am Mast befestigt ist, hier aber nur noch an einem
einzigen, dem Hanger, hing, gelang dies nicht mehr; sie riß vielmehr auch
den Großmast mit sich, der 3 Fuß über Deck abbrach, nachdem er an der-
selben Stelle schon eine Stunde früher einen Riß erhalten. Dieser Mast fiel
weniger glücklich als der Fockmast; er brach in 3 Stücke und eins derselben
kam auf das Deck und auf Taugut zu liegen und erschwerte so das Kappen
des letzteren ungemein, während ein anderes sich in die Schraube verwickelte
und die Maschine am Arbeiten verhinderte, sodaß das Schiff steuerlos wurde
und wirklich gefährlich zu arbeiten begann. Da indessen zum Glück die hoch¬
gehende-See nicht durch Sturm verschlimmert wurde, gelang es, ohne Ver¬
lust an Menschenleben und, abgesehen von der eingeschlagenen Reiling, ohne
Beschädigung des Schiffskörpers am 22. Oetober Plymouth zu erreichen, von
wo das Schiff nach Hamoaze und dann ins Dock von Devonport ging.

Im Ganzen ist der Vorfall nicht so bedenklich, wie er bei uns wegen
Mangel an maritimer Erfahrung aufgefaßt wird. Dem englischen Panzer¬
geschwader sind vor Lissabon, dem französischen bei Teneriffa wiederholt Reinen
und Theile der Takelage weggeblasen worden, ohne daß man davon viel
Aufhebens gemacht hätte; vollends über Holzschiffe findet man alle Augen¬
blicke in den englischen Zeitungen derartige Notizen. Ueberdies hat nach
unserm Gewährsmann das Schiff selbst keinen Schaden gelitten und sich so¬
mit trotz der großen Anstrengung gut bewährt, besser vielleicht, als sich ein
Holzschiff in ähnlicher Lage erhalten haben würde. — Ein Gerücht, das
ganze Schiff sei nicht mehr zu brauchen, wäre hiernach ganz ungegründet.
Es ist aber freilich die Takelage wieder zu ersetzen, die wegen der Stahlrohren
sehr theuer ist (ca. 130,000 Thlr., während sie bei einer gedeckten Corvette
noch nicht 40,000 Thlr. kostet); aber auch der Ersatz dieser Summe soll durch
eine zweijährige Garantie der Gesellschaft in Toulon (also nicht des flüchtig
gewordenen Nheders Armand in Bordeaux) sicher gestellt sein. Bei der neuen
Takelage wird man eben die Eisenmasten stärker machen müssen, vielleicht
auch elastischer durch Weglassung der Winkeleisen von kreuzförmigem Quer¬
schnitt und entsprechende Verstärkung der Wand; ebenso wird man die Wan-


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[0063] das Schiff schlug mehrmals heftig nach der Gegenseite, wodurch der Mast einen Sprung von V» Zoll um den ganzen Umfang bekam, und endlich 2—3 Fuß über Deck abbrach und mit allen Raaen über Bord stürzte, wo¬ bei er die Stengen (Verlängerungen) der beiden andern Masten auch noch abbrach aber nicht mitriß. In dieser Gefahr verfuhr man offenbar, trotz des Schlingerns, das ohne Segel noch heftiger werden mußte, mit Geistesgegen¬ wart. Man stoppte die Maschine, um nicht die Schraube in das Tauwerk der seitlängs gefallenen Masten zu verwickeln und brachte einen Theil der noch hängenden.Raaen und Stengen in Sicherheit. Bei der Großraa in¬ dessen, die an 3 Punkten am Mast befestigt ist, hier aber nur noch an einem einzigen, dem Hanger, hing, gelang dies nicht mehr; sie riß vielmehr auch den Großmast mit sich, der 3 Fuß über Deck abbrach, nachdem er an der- selben Stelle schon eine Stunde früher einen Riß erhalten. Dieser Mast fiel weniger glücklich als der Fockmast; er brach in 3 Stücke und eins derselben kam auf das Deck und auf Taugut zu liegen und erschwerte so das Kappen des letzteren ungemein, während ein anderes sich in die Schraube verwickelte und die Maschine am Arbeiten verhinderte, sodaß das Schiff steuerlos wurde und wirklich gefährlich zu arbeiten begann. Da indessen zum Glück die hoch¬ gehende-See nicht durch Sturm verschlimmert wurde, gelang es, ohne Ver¬ lust an Menschenleben und, abgesehen von der eingeschlagenen Reiling, ohne Beschädigung des Schiffskörpers am 22. Oetober Plymouth zu erreichen, von wo das Schiff nach Hamoaze und dann ins Dock von Devonport ging. Im Ganzen ist der Vorfall nicht so bedenklich, wie er bei uns wegen Mangel an maritimer Erfahrung aufgefaßt wird. Dem englischen Panzer¬ geschwader sind vor Lissabon, dem französischen bei Teneriffa wiederholt Reinen und Theile der Takelage weggeblasen worden, ohne daß man davon viel Aufhebens gemacht hätte; vollends über Holzschiffe findet man alle Augen¬ blicke in den englischen Zeitungen derartige Notizen. Ueberdies hat nach unserm Gewährsmann das Schiff selbst keinen Schaden gelitten und sich so¬ mit trotz der großen Anstrengung gut bewährt, besser vielleicht, als sich ein Holzschiff in ähnlicher Lage erhalten haben würde. — Ein Gerücht, das ganze Schiff sei nicht mehr zu brauchen, wäre hiernach ganz ungegründet. Es ist aber freilich die Takelage wieder zu ersetzen, die wegen der Stahlrohren sehr theuer ist (ca. 130,000 Thlr., während sie bei einer gedeckten Corvette noch nicht 40,000 Thlr. kostet); aber auch der Ersatz dieser Summe soll durch eine zweijährige Garantie der Gesellschaft in Toulon (also nicht des flüchtig gewordenen Nheders Armand in Bordeaux) sicher gestellt sein. Bei der neuen Takelage wird man eben die Eisenmasten stärker machen müssen, vielleicht auch elastischer durch Weglassung der Winkeleisen von kreuzförmigem Quer¬ schnitt und entsprechende Verstärkung der Wand; ebenso wird man die Wan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/63>, abgerufen am 02.10.2024.