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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Schraube. Wie vier Riesenflügel einer Windmühle, in einer Höhenausdeh¬
nung von über 20 Fuß Schraubcndurchmesser rotiren die fein gewundenen
Bronzeplatten majestätisch lautlos durch die Luft, und führen uns anschau¬
lich die Bewegung vor Augen, mittelst deren sie dereinst im Wasser ein Pan¬
zerschiff von 100.000 Centnern Schwere pfeilschnell dahintreiben werden. Jetzt
aber stehen staunend noch die artigen Pariserinnen dicht dabei und lassen
es sich lächelnd gefallen, daß der gewaltige Luftzug, den die Schrauben¬
flügel hervorbringen, statt ihres Fächers die heiße Stirne kühlt. --

Wie bereits erwähnt, ist das Schiff selbst und die Maschine des "Fried¬
rich Karl" von der französischen Loeietö ach torZes et ach et^ntiers as
1^ mecUteriÄnne" unter Aufsicht eines Schiffs- und Maschinenbau-Ingenieurs
und eines Werkmeisters aus Preußen construirt, wo es am 16. Januar 1867
von Stapel lief. Nachdem die Panzerfregatte von der betreffenden preußi¬
schen Commission abgenommen war, ging sie mit einer Besatzung von 269
Mann und in Begleitung der beiden preußischen Holzcorvetten "Hertha" und
"Medusa" am 12. October d. I. bei ruhiger See und gutem Wetter nach
Gibraltar, wo sie nach 2 Tagen 18 Stunden anlangte. Am 16. October
dampfte sie von dort, nachdem sie ihre Kohlen aufgefüllt hatte, durch die bis-
cayische See dem Canal zu. Leider hatte sie hier mit schlechtem Wetter und
hohem Wogenschwall zu kämpfen, durch welchen sie ihre beiden vorderen
Masten verlor. Es liegen uns über den Unfall selbst zur Zeit erst zwei
Briefe von Augenzeugen vor, aus denen trotz der genauen Beschreibung des
Hergangs dennoch die Ursache des Unglücks nicht hervorgeht. Daher kann
das Urtheil über diesen Fall nur ein bedingtes sein.

Der "Friedrich Karl" hatte bei seiner Abfahrt von Toulon noch keine
Geschütze an Bord und besaß darum viel zu geringen Tiefgang; das Panzer¬
gewicht lag also sehr hoch und fast ganz über Wasser, während der untere
Theil zu wenig Stütze im Wasser hatte; man mußte deshalb Eisenballast
einnehmen, und brachte so das Schiff auf die richtige Wasserlinie. Wie aber
in diesem Blatte bereits zu der Beschreibung des "Arminius" bemerkt wurde,
pflegen die Constructeure bei Panzerschiffen das bedeutende Obergewicht des
Küraffes und der Geschütze durch die Maschine sehr kräftig zu contrebalan-
ciren, und in übermäßiger Würdigung jenes Obergewichts oft sogar zu
kräftig zu balanciren; wenigstens haben dies die Probefahrten der englischen
und der französischen Panzerflotte in der atlantischen See gezeigt, wo gerade
die anscheinend zu hoch belasteten französischen Zweidecker, bez. die höchstge¬
panzerten englischen Fregatten sich gegen alle Erwartung am besten hielten.
Sie machten die weichsten Bewegungen, schlugen nicht so heftig aufwärts,
während die steiferen Schiffe, sobald sie sich auf eine Seite gelegt hatten, mit
enormer Gewalt in die Höhe schnellten und mit den Masten nach der andern


Schraube. Wie vier Riesenflügel einer Windmühle, in einer Höhenausdeh¬
nung von über 20 Fuß Schraubcndurchmesser rotiren die fein gewundenen
Bronzeplatten majestätisch lautlos durch die Luft, und führen uns anschau¬
lich die Bewegung vor Augen, mittelst deren sie dereinst im Wasser ein Pan¬
zerschiff von 100.000 Centnern Schwere pfeilschnell dahintreiben werden. Jetzt
aber stehen staunend noch die artigen Pariserinnen dicht dabei und lassen
es sich lächelnd gefallen, daß der gewaltige Luftzug, den die Schrauben¬
flügel hervorbringen, statt ihres Fächers die heiße Stirne kühlt. —

Wie bereits erwähnt, ist das Schiff selbst und die Maschine des „Fried¬
rich Karl" von der französischen Loeietö ach torZes et ach et^ntiers as
1^ mecUteriÄnne« unter Aufsicht eines Schiffs- und Maschinenbau-Ingenieurs
und eines Werkmeisters aus Preußen construirt, wo es am 16. Januar 1867
von Stapel lief. Nachdem die Panzerfregatte von der betreffenden preußi¬
schen Commission abgenommen war, ging sie mit einer Besatzung von 269
Mann und in Begleitung der beiden preußischen Holzcorvetten „Hertha" und
„Medusa" am 12. October d. I. bei ruhiger See und gutem Wetter nach
Gibraltar, wo sie nach 2 Tagen 18 Stunden anlangte. Am 16. October
dampfte sie von dort, nachdem sie ihre Kohlen aufgefüllt hatte, durch die bis-
cayische See dem Canal zu. Leider hatte sie hier mit schlechtem Wetter und
hohem Wogenschwall zu kämpfen, durch welchen sie ihre beiden vorderen
Masten verlor. Es liegen uns über den Unfall selbst zur Zeit erst zwei
Briefe von Augenzeugen vor, aus denen trotz der genauen Beschreibung des
Hergangs dennoch die Ursache des Unglücks nicht hervorgeht. Daher kann
das Urtheil über diesen Fall nur ein bedingtes sein.

Der „Friedrich Karl" hatte bei seiner Abfahrt von Toulon noch keine
Geschütze an Bord und besaß darum viel zu geringen Tiefgang; das Panzer¬
gewicht lag also sehr hoch und fast ganz über Wasser, während der untere
Theil zu wenig Stütze im Wasser hatte; man mußte deshalb Eisenballast
einnehmen, und brachte so das Schiff auf die richtige Wasserlinie. Wie aber
in diesem Blatte bereits zu der Beschreibung des „Arminius" bemerkt wurde,
pflegen die Constructeure bei Panzerschiffen das bedeutende Obergewicht des
Küraffes und der Geschütze durch die Maschine sehr kräftig zu contrebalan-
ciren, und in übermäßiger Würdigung jenes Obergewichts oft sogar zu
kräftig zu balanciren; wenigstens haben dies die Probefahrten der englischen
und der französischen Panzerflotte in der atlantischen See gezeigt, wo gerade
die anscheinend zu hoch belasteten französischen Zweidecker, bez. die höchstge¬
panzerten englischen Fregatten sich gegen alle Erwartung am besten hielten.
Sie machten die weichsten Bewegungen, schlugen nicht so heftig aufwärts,
während die steiferen Schiffe, sobald sie sich auf eine Seite gelegt hatten, mit
enormer Gewalt in die Höhe schnellten und mit den Masten nach der andern


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[0061] Schraube. Wie vier Riesenflügel einer Windmühle, in einer Höhenausdeh¬ nung von über 20 Fuß Schraubcndurchmesser rotiren die fein gewundenen Bronzeplatten majestätisch lautlos durch die Luft, und führen uns anschau¬ lich die Bewegung vor Augen, mittelst deren sie dereinst im Wasser ein Pan¬ zerschiff von 100.000 Centnern Schwere pfeilschnell dahintreiben werden. Jetzt aber stehen staunend noch die artigen Pariserinnen dicht dabei und lassen es sich lächelnd gefallen, daß der gewaltige Luftzug, den die Schrauben¬ flügel hervorbringen, statt ihres Fächers die heiße Stirne kühlt. — Wie bereits erwähnt, ist das Schiff selbst und die Maschine des „Fried¬ rich Karl" von der französischen Loeietö ach torZes et ach et^ntiers as 1^ mecUteriÄnne« unter Aufsicht eines Schiffs- und Maschinenbau-Ingenieurs und eines Werkmeisters aus Preußen construirt, wo es am 16. Januar 1867 von Stapel lief. Nachdem die Panzerfregatte von der betreffenden preußi¬ schen Commission abgenommen war, ging sie mit einer Besatzung von 269 Mann und in Begleitung der beiden preußischen Holzcorvetten „Hertha" und „Medusa" am 12. October d. I. bei ruhiger See und gutem Wetter nach Gibraltar, wo sie nach 2 Tagen 18 Stunden anlangte. Am 16. October dampfte sie von dort, nachdem sie ihre Kohlen aufgefüllt hatte, durch die bis- cayische See dem Canal zu. Leider hatte sie hier mit schlechtem Wetter und hohem Wogenschwall zu kämpfen, durch welchen sie ihre beiden vorderen Masten verlor. Es liegen uns über den Unfall selbst zur Zeit erst zwei Briefe von Augenzeugen vor, aus denen trotz der genauen Beschreibung des Hergangs dennoch die Ursache des Unglücks nicht hervorgeht. Daher kann das Urtheil über diesen Fall nur ein bedingtes sein. Der „Friedrich Karl" hatte bei seiner Abfahrt von Toulon noch keine Geschütze an Bord und besaß darum viel zu geringen Tiefgang; das Panzer¬ gewicht lag also sehr hoch und fast ganz über Wasser, während der untere Theil zu wenig Stütze im Wasser hatte; man mußte deshalb Eisenballast einnehmen, und brachte so das Schiff auf die richtige Wasserlinie. Wie aber in diesem Blatte bereits zu der Beschreibung des „Arminius" bemerkt wurde, pflegen die Constructeure bei Panzerschiffen das bedeutende Obergewicht des Küraffes und der Geschütze durch die Maschine sehr kräftig zu contrebalan- ciren, und in übermäßiger Würdigung jenes Obergewichts oft sogar zu kräftig zu balanciren; wenigstens haben dies die Probefahrten der englischen und der französischen Panzerflotte in der atlantischen See gezeigt, wo gerade die anscheinend zu hoch belasteten französischen Zweidecker, bez. die höchstge¬ panzerten englischen Fregatten sich gegen alle Erwartung am besten hielten. Sie machten die weichsten Bewegungen, schlugen nicht so heftig aufwärts, während die steiferen Schiffe, sobald sie sich auf eine Seite gelegt hatten, mit enormer Gewalt in die Höhe schnellten und mit den Masten nach der andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/61>, abgerufen am 05.02.2025.