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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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fertigt, ist eben weniger aus einer Haltung der Parteien, denen man jeden¬
falls einen sehr niedrigen Standpunkt beimessen würde, wenn man irgend¬
wer." ihre Aufgabe als "Gehorsam" gegen die Regierung bezeichnen wollte,
sondern aus der Persönlichkeit des Grafen Bismarck zu erklären, welchem die
größten Erfolge zu einer -- in den meisten Fällen ohne Zweifel gerecht¬
fertigten -- Gewohnheit geworden sind.

Abweichend von dem Gegner will es mir vielmehr als eine Bürgschaft
gesunder politischer Zustände erscheinen, daß nicht allein ein Stirnrunzeln
des leitenden Ministers, nicht Rücksichten auf alte Verbindungen und Par¬
teifreundschaften, sondern auch in hohem Maße sachliche Interessen und ge¬
wissenhafte Ueberzeugung des Einzelnen in der Landesvertretung maßgebend
erscheinen. Und dafür hat allerdings die Verhandlung über den hannover-
schen Provinzialfonds einen schlagenden Beweis geliefert. Eine Sache, wel¬
scher Benda, Bodelschwingh, Brauchitsch, Gneist, Loewe. Reichensperger,
Schulze (Delitzsch), Tuchter und Waldeck gemeinsam als Gegner gegenüber-
stehen, darf wohl als eine nicht politische Frage bezeichnet werden.

Und auch das ist ein nothwendiger Gewinn aus einer derartigen ob¬
jectiven Auffassung dieser Frage, daß seitdem viele gegenseitige Verbitterungen
der letzten Jahre von Partei zu Partei im Interesse des großen Ganzen einer
größeren persönlichen Anerkennung Platz gemacht haben.

Es ist für Jeden, welcher innerhalb der wochenlangen Vorerörterungen
gestanden hat, völlig unverständlich, wie hier von einer "alten Schablone
der Demokratie" oder dem "schroffen Altpreußenthum der Conservativen"
gesprochen werden mag. Die Voraussetzung, daß die letzteren der Regierung
"auf der Bahn der Concessionen an außerpreußische Eigenthümlichkeiten über¬
haupt nicht folgen wollten", wird durch ihr Votum zu Gunsten der hanno-
verschen Aemterverfassung entschieden widerlegt.

Wenn der einheitlich ministerielle Charakter der freiconservativen Partei
rühmlichst erwähnt wird, so muß doch zur Steuer der Wahrheit bemerkt
werden, daß 11 Mitglieder gegen die Majorität von 36 gestimmt haben,
und der Ruhm als "Partei" den "Ausschlag" gegeben zu haben, muß im
Einklang mit der Dankadresse der Hameler Bauern der wie immer ein-
müthigen Haltung der 10 Polen ungeschmälert verbleiben.

Ganz unverständlich, weil an innerem Widerspruch laborirend, erscheinen
aber die Vorwürfe gegen die eigene Partei des Correspondenten -- die Na¬
tionalliberalen. Eine Partei, welche man selbst als die "Hauptträgerin der
neuesten Aera preußisch-deutschen Staatslebens" prädicirt, "welche die besten
Kräfte der neuen Provinzen an sich gezogen, und mit den einsichtigsten Män¬
nern der alten Länder in Verbindung gebracht hat", sollte man dann auch
mit Vorwürfen, wie "Mangel an einheitlicher Leitung, wie an der gehörigen


fertigt, ist eben weniger aus einer Haltung der Parteien, denen man jeden¬
falls einen sehr niedrigen Standpunkt beimessen würde, wenn man irgend¬
wer.» ihre Aufgabe als „Gehorsam" gegen die Regierung bezeichnen wollte,
sondern aus der Persönlichkeit des Grafen Bismarck zu erklären, welchem die
größten Erfolge zu einer — in den meisten Fällen ohne Zweifel gerecht¬
fertigten — Gewohnheit geworden sind.

Abweichend von dem Gegner will es mir vielmehr als eine Bürgschaft
gesunder politischer Zustände erscheinen, daß nicht allein ein Stirnrunzeln
des leitenden Ministers, nicht Rücksichten auf alte Verbindungen und Par¬
teifreundschaften, sondern auch in hohem Maße sachliche Interessen und ge¬
wissenhafte Ueberzeugung des Einzelnen in der Landesvertretung maßgebend
erscheinen. Und dafür hat allerdings die Verhandlung über den hannover-
schen Provinzialfonds einen schlagenden Beweis geliefert. Eine Sache, wel¬
scher Benda, Bodelschwingh, Brauchitsch, Gneist, Loewe. Reichensperger,
Schulze (Delitzsch), Tuchter und Waldeck gemeinsam als Gegner gegenüber-
stehen, darf wohl als eine nicht politische Frage bezeichnet werden.

Und auch das ist ein nothwendiger Gewinn aus einer derartigen ob¬
jectiven Auffassung dieser Frage, daß seitdem viele gegenseitige Verbitterungen
der letzten Jahre von Partei zu Partei im Interesse des großen Ganzen einer
größeren persönlichen Anerkennung Platz gemacht haben.

Es ist für Jeden, welcher innerhalb der wochenlangen Vorerörterungen
gestanden hat, völlig unverständlich, wie hier von einer „alten Schablone
der Demokratie" oder dem „schroffen Altpreußenthum der Conservativen"
gesprochen werden mag. Die Voraussetzung, daß die letzteren der Regierung
„auf der Bahn der Concessionen an außerpreußische Eigenthümlichkeiten über¬
haupt nicht folgen wollten", wird durch ihr Votum zu Gunsten der hanno-
verschen Aemterverfassung entschieden widerlegt.

Wenn der einheitlich ministerielle Charakter der freiconservativen Partei
rühmlichst erwähnt wird, so muß doch zur Steuer der Wahrheit bemerkt
werden, daß 11 Mitglieder gegen die Majorität von 36 gestimmt haben,
und der Ruhm als „Partei" den „Ausschlag" gegeben zu haben, muß im
Einklang mit der Dankadresse der Hameler Bauern der wie immer ein-
müthigen Haltung der 10 Polen ungeschmälert verbleiben.

Ganz unverständlich, weil an innerem Widerspruch laborirend, erscheinen
aber die Vorwürfe gegen die eigene Partei des Correspondenten — die Na¬
tionalliberalen. Eine Partei, welche man selbst als die „Hauptträgerin der
neuesten Aera preußisch-deutschen Staatslebens" prädicirt, „welche die besten
Kräfte der neuen Provinzen an sich gezogen, und mit den einsichtigsten Män¬
nern der alten Länder in Verbindung gebracht hat", sollte man dann auch
mit Vorwürfen, wie „Mangel an einheitlicher Leitung, wie an der gehörigen


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[0516] fertigt, ist eben weniger aus einer Haltung der Parteien, denen man jeden¬ falls einen sehr niedrigen Standpunkt beimessen würde, wenn man irgend¬ wer.» ihre Aufgabe als „Gehorsam" gegen die Regierung bezeichnen wollte, sondern aus der Persönlichkeit des Grafen Bismarck zu erklären, welchem die größten Erfolge zu einer — in den meisten Fällen ohne Zweifel gerecht¬ fertigten — Gewohnheit geworden sind. Abweichend von dem Gegner will es mir vielmehr als eine Bürgschaft gesunder politischer Zustände erscheinen, daß nicht allein ein Stirnrunzeln des leitenden Ministers, nicht Rücksichten auf alte Verbindungen und Par¬ teifreundschaften, sondern auch in hohem Maße sachliche Interessen und ge¬ wissenhafte Ueberzeugung des Einzelnen in der Landesvertretung maßgebend erscheinen. Und dafür hat allerdings die Verhandlung über den hannover- schen Provinzialfonds einen schlagenden Beweis geliefert. Eine Sache, wel¬ scher Benda, Bodelschwingh, Brauchitsch, Gneist, Loewe. Reichensperger, Schulze (Delitzsch), Tuchter und Waldeck gemeinsam als Gegner gegenüber- stehen, darf wohl als eine nicht politische Frage bezeichnet werden. Und auch das ist ein nothwendiger Gewinn aus einer derartigen ob¬ jectiven Auffassung dieser Frage, daß seitdem viele gegenseitige Verbitterungen der letzten Jahre von Partei zu Partei im Interesse des großen Ganzen einer größeren persönlichen Anerkennung Platz gemacht haben. Es ist für Jeden, welcher innerhalb der wochenlangen Vorerörterungen gestanden hat, völlig unverständlich, wie hier von einer „alten Schablone der Demokratie" oder dem „schroffen Altpreußenthum der Conservativen" gesprochen werden mag. Die Voraussetzung, daß die letzteren der Regierung „auf der Bahn der Concessionen an außerpreußische Eigenthümlichkeiten über¬ haupt nicht folgen wollten", wird durch ihr Votum zu Gunsten der hanno- verschen Aemterverfassung entschieden widerlegt. Wenn der einheitlich ministerielle Charakter der freiconservativen Partei rühmlichst erwähnt wird, so muß doch zur Steuer der Wahrheit bemerkt werden, daß 11 Mitglieder gegen die Majorität von 36 gestimmt haben, und der Ruhm als „Partei" den „Ausschlag" gegeben zu haben, muß im Einklang mit der Dankadresse der Hameler Bauern der wie immer ein- müthigen Haltung der 10 Polen ungeschmälert verbleiben. Ganz unverständlich, weil an innerem Widerspruch laborirend, erscheinen aber die Vorwürfe gegen die eigene Partei des Correspondenten — die Na¬ tionalliberalen. Eine Partei, welche man selbst als die „Hauptträgerin der neuesten Aera preußisch-deutschen Staatslebens" prädicirt, „welche die besten Kräfte der neuen Provinzen an sich gezogen, und mit den einsichtigsten Män¬ nern der alten Länder in Verbindung gebracht hat", sollte man dann auch mit Vorwürfen, wie „Mangel an einheitlicher Leitung, wie an der gehörigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/516>, abgerufen am 01.10.2024.