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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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60 Silbergroschen für den Centner erhöht werden. Damit ist der Antrag
freilich noch nicht durch das Zvllparlament durchgebracht. Bis dieses zusam¬
mentritt, kann die Agitation sich von neuem erheben, -- wenn auch einer
ihrer lautesten Träger, Herr Adam Trabert in Kassel, durch Verantwortung
auf eine Hochverrathsanklage augenblicklich verhindert ist, den Stoff im Inter¬
esse der künftigen Föderativrepublik auszubeuten. Im Schoße des Parla¬
ments selbst werden die gefährdeten Productions-, Industrie- und Handels¬
interessen sich zu einem mächtigen Bunde die Hand reichen, verstärkt durch
alle die, welche stark mit den von Einschränkung und schlechterem Kraute
bedrohten Rauchern sympathisiren. Das gegenüberstehende finanzielle Motiv
wird daher imponirend auftreten müssen, wenn es den Sieg behalten will.

Eine bloße Erhöhung der Zollvereinseinkünfte auf gut Glück, ohne nach¬
gewiesene Nothwendigkeit gleichen Mehrbedarfs, mag man sie nun auf rund
zwei Millionen, auf mehr oder auf weniger anschlagen, wird -- das läßt
sich ohne Wagniß weissagen -- keine siegreiche Beredtsamkeit entwickeln kön¬
nen. Selbst mit dem Nachweis entsprechenden Mehrbedarfs wird man es
im Parlament außerordentlich genau nehmen, und wahrscheinlich lieber auf
die Matrieularumlagen ziehen, als sich ohne weiteres zu einer Erhöhung der
Tabaksauflagen verstehen, zumal schon die Ausdehnung der norddeutschen
Morgensteuer auf Süddeutschland, der sich kein Verständiger widersetzen wird,
'eine Mehrbelastung der süddeutschen Producenten und einzelner Classen der
süddeutschen Raucher involvirt. Kurz: die höhere Tabaksbesteuerung hat nur
dann Chancen der Annahme, wenn sie als ein Theil eines umfassenden und
in der Hauptsache erleichternden, nicht mehrbelastenden Rcformplanes auf¬
tritt. Wenn man eine durchgreifende Reduction des Tarifs auf eine spätere
Session vertagen zu müssen meint, so gebe man nur auch gleich die Hoffnung
auf höhere Heranziehung des Tabaksverbrauchs auf. Denn dann wird den
verletzten Interessenten gegenüber im Parlament keine überlegene mora¬
lische Macht ins Feld geführt, wie es der Fall sein könnte, wenn man
erklärte, eine erhöhte Tabaks- und eine berichtigte Zuckerbesteuerung seien
gewissermaßen der Preis, sür welchen die Staatsfinanzen es sich gefallen
lassen könnten, daß eine Menge zollpflichtiger Artikel ganz oder theilweise
vom Zoll befreit würden. An einer derartigen umfassenden Aufhebung und
Ermäßigung von Zöllen sind Handel, Industrie und Landwirthschaft, kurz
alle Factoren der nationalen Production (und ebenso die Consumenten) in
noch höherem Grade interessirt, als an dem Fortbestand der gegenwärtigen
Besteuerung von Tabak und Zucker. An sie knüpfen sich Hoffnungen eines
volkswirtschaftlichen Aufschwungs und eines finanziellen Mehrertrags, welche
eine beinahe unabsehbare Perspective immer zunehmender Erleichterung der
Staatslasten, verbunden mit gleichmäßig zunehmender Fähigkeit des Volkes,
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60 Silbergroschen für den Centner erhöht werden. Damit ist der Antrag
freilich noch nicht durch das Zvllparlament durchgebracht. Bis dieses zusam¬
mentritt, kann die Agitation sich von neuem erheben, — wenn auch einer
ihrer lautesten Träger, Herr Adam Trabert in Kassel, durch Verantwortung
auf eine Hochverrathsanklage augenblicklich verhindert ist, den Stoff im Inter¬
esse der künftigen Föderativrepublik auszubeuten. Im Schoße des Parla¬
ments selbst werden die gefährdeten Productions-, Industrie- und Handels¬
interessen sich zu einem mächtigen Bunde die Hand reichen, verstärkt durch
alle die, welche stark mit den von Einschränkung und schlechterem Kraute
bedrohten Rauchern sympathisiren. Das gegenüberstehende finanzielle Motiv
wird daher imponirend auftreten müssen, wenn es den Sieg behalten will.

Eine bloße Erhöhung der Zollvereinseinkünfte auf gut Glück, ohne nach¬
gewiesene Nothwendigkeit gleichen Mehrbedarfs, mag man sie nun auf rund
zwei Millionen, auf mehr oder auf weniger anschlagen, wird — das läßt
sich ohne Wagniß weissagen — keine siegreiche Beredtsamkeit entwickeln kön¬
nen. Selbst mit dem Nachweis entsprechenden Mehrbedarfs wird man es
im Parlament außerordentlich genau nehmen, und wahrscheinlich lieber auf
die Matrieularumlagen ziehen, als sich ohne weiteres zu einer Erhöhung der
Tabaksauflagen verstehen, zumal schon die Ausdehnung der norddeutschen
Morgensteuer auf Süddeutschland, der sich kein Verständiger widersetzen wird,
'eine Mehrbelastung der süddeutschen Producenten und einzelner Classen der
süddeutschen Raucher involvirt. Kurz: die höhere Tabaksbesteuerung hat nur
dann Chancen der Annahme, wenn sie als ein Theil eines umfassenden und
in der Hauptsache erleichternden, nicht mehrbelastenden Rcformplanes auf¬
tritt. Wenn man eine durchgreifende Reduction des Tarifs auf eine spätere
Session vertagen zu müssen meint, so gebe man nur auch gleich die Hoffnung
auf höhere Heranziehung des Tabaksverbrauchs auf. Denn dann wird den
verletzten Interessenten gegenüber im Parlament keine überlegene mora¬
lische Macht ins Feld geführt, wie es der Fall sein könnte, wenn man
erklärte, eine erhöhte Tabaks- und eine berichtigte Zuckerbesteuerung seien
gewissermaßen der Preis, sür welchen die Staatsfinanzen es sich gefallen
lassen könnten, daß eine Menge zollpflichtiger Artikel ganz oder theilweise
vom Zoll befreit würden. An einer derartigen umfassenden Aufhebung und
Ermäßigung von Zöllen sind Handel, Industrie und Landwirthschaft, kurz
alle Factoren der nationalen Production (und ebenso die Consumenten) in
noch höherem Grade interessirt, als an dem Fortbestand der gegenwärtigen
Besteuerung von Tabak und Zucker. An sie knüpfen sich Hoffnungen eines
volkswirtschaftlichen Aufschwungs und eines finanziellen Mehrertrags, welche
eine beinahe unabsehbare Perspective immer zunehmender Erleichterung der
Staatslasten, verbunden mit gleichmäßig zunehmender Fähigkeit des Volkes,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/509>, abgerufen am 03.07.2024.