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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Kautschukwaaren, Strohhüte mit Garnitur, gepolsterte und überzogene Mö¬
bel, feineres Pelzwerk, gemeine feste Seife, gefärbte Strohmatten und ein
paar andere Gegenstände ohne Belang. Nach einer Berechnung des bremer
Handelsblattes, die sich auf die Zollvereinseinfuhr von 1866 gründet, win¬
den die Befreiungen etwa 1,123,000, die Ermäßigungen 1,188,000 Thaler
Ausfall herbeiführen. Es wären also 2'/s Millionen anderweitig zu decken,
vorausgesetzt, daß der norddeutsche Bund und die süddeutschen Regierungen
nicht im Interesse des consumirenden Publikums und in der Hoffnung aus
die natürlichen Wirkungen gesteigerten Verkehrs, welche sich früher oder später
in erhöhten Einkünften aus den übriggebliebenen Zöllen geltendmachen wer¬
den, ganz auf den entsprechenden Theil ihrer Einnahmen verzichten wollen.

In dem Reformplan des Handelstagsausschusses ist übrigens ein nicht
unerheblicher Zoll, der auf Wein, unberücksichtigt geblieben, weil dessen künf¬
tiges Geschick durch die Verhandlungen mit Oestreich und Frankreich bereits
so gut wie entschieden war. Eine selbständige, abgesonderte Behandlung haben
die ebenso schwierigen als wichtigen Fragen der Zuckerbesteuerung erfahren.
Die Herabsetzung des Weinzolls auf zwei Drittel wird vorübergehend ohne
Zweifel einen Ausfall nach sich ziehen, wogegen bei der Reform des Zucker¬
zolls und der Rübensteuer mit Sicherheit auf einen bedeutenden Mehrertrag
zu rechnen ist, falls sie in einem halbwegs vernünftigen und praktischen Sinne
geschieht. Gegenwärtig verkürzt der Zollverein seiner Casse die Einnahme,
welche sie vom Zucker haben könnte und hängt den untern Volksclassen die
Zuckerdose zu hoch, indem er einestheils die Rübenzuckerindustrie gegen den
Colonialzucker, anderntheils die Raffinade gegen den Rohzucker im Zolle
begünstigt. Vermöge dieser selbstmörderischen Praxis hält sich unser Zucker¬
verbrauch auf 10 Pfund im Jahr durchschnittlich auf den Kopf der Bevöl¬
kerung, während Frankreich 13--14 und England gar 40 Pfund verbraucht;
und ganz entsprechend nimmt bei uns der Staat nur 10 Sgr. auf den Kopf
der Bevölkerung ein, in Frankreich aber 19 und in England 35 Sgr. Der
Spielraum für eine rationelle Reform ist also erfreulich groß. Ernste Hin¬
dernisse stehen derselben auch nicht im Wege, denn die Nübenzuckerindustrie>
die seit Jahren regelmäßig exportirt, schämt sich beinahe selbst schon, noch
nach Schutz zu rufen, und an den Zuckerrohrsiedereien ist eigentlich nichts
mehr zu ruiniren. das hat der Nübenzuckerschutz bereits mit bestem Erfolge
übernommen und durchgeführt. Sowohl die Motive als die zweckmäßige
Art der Reform finden sich mit musterhafter Gründlichkeit in einer Denk¬
schrift der Hamburger Handelskammer, von Dr. Soetbeers Hand erörtert, die
auch so unparteilich zu Werke geht, daß nicht allein anderweite Schutzzöllner,
sondern selbst Rübenzuckerindustrielle sich mit ihren Schlüssen einverstanden
erklärt haben. Für die Umwandlung der Rübensteuer in eine Zuckersteuer,


Grenzboten I. 1868. 63

Kautschukwaaren, Strohhüte mit Garnitur, gepolsterte und überzogene Mö¬
bel, feineres Pelzwerk, gemeine feste Seife, gefärbte Strohmatten und ein
paar andere Gegenstände ohne Belang. Nach einer Berechnung des bremer
Handelsblattes, die sich auf die Zollvereinseinfuhr von 1866 gründet, win¬
den die Befreiungen etwa 1,123,000, die Ermäßigungen 1,188,000 Thaler
Ausfall herbeiführen. Es wären also 2'/s Millionen anderweitig zu decken,
vorausgesetzt, daß der norddeutsche Bund und die süddeutschen Regierungen
nicht im Interesse des consumirenden Publikums und in der Hoffnung aus
die natürlichen Wirkungen gesteigerten Verkehrs, welche sich früher oder später
in erhöhten Einkünften aus den übriggebliebenen Zöllen geltendmachen wer¬
den, ganz auf den entsprechenden Theil ihrer Einnahmen verzichten wollen.

In dem Reformplan des Handelstagsausschusses ist übrigens ein nicht
unerheblicher Zoll, der auf Wein, unberücksichtigt geblieben, weil dessen künf¬
tiges Geschick durch die Verhandlungen mit Oestreich und Frankreich bereits
so gut wie entschieden war. Eine selbständige, abgesonderte Behandlung haben
die ebenso schwierigen als wichtigen Fragen der Zuckerbesteuerung erfahren.
Die Herabsetzung des Weinzolls auf zwei Drittel wird vorübergehend ohne
Zweifel einen Ausfall nach sich ziehen, wogegen bei der Reform des Zucker¬
zolls und der Rübensteuer mit Sicherheit auf einen bedeutenden Mehrertrag
zu rechnen ist, falls sie in einem halbwegs vernünftigen und praktischen Sinne
geschieht. Gegenwärtig verkürzt der Zollverein seiner Casse die Einnahme,
welche sie vom Zucker haben könnte und hängt den untern Volksclassen die
Zuckerdose zu hoch, indem er einestheils die Rübenzuckerindustrie gegen den
Colonialzucker, anderntheils die Raffinade gegen den Rohzucker im Zolle
begünstigt. Vermöge dieser selbstmörderischen Praxis hält sich unser Zucker¬
verbrauch auf 10 Pfund im Jahr durchschnittlich auf den Kopf der Bevöl¬
kerung, während Frankreich 13—14 und England gar 40 Pfund verbraucht;
und ganz entsprechend nimmt bei uns der Staat nur 10 Sgr. auf den Kopf
der Bevölkerung ein, in Frankreich aber 19 und in England 35 Sgr. Der
Spielraum für eine rationelle Reform ist also erfreulich groß. Ernste Hin¬
dernisse stehen derselben auch nicht im Wege, denn die Nübenzuckerindustrie>
die seit Jahren regelmäßig exportirt, schämt sich beinahe selbst schon, noch
nach Schutz zu rufen, und an den Zuckerrohrsiedereien ist eigentlich nichts
mehr zu ruiniren. das hat der Nübenzuckerschutz bereits mit bestem Erfolge
übernommen und durchgeführt. Sowohl die Motive als die zweckmäßige
Art der Reform finden sich mit musterhafter Gründlichkeit in einer Denk¬
schrift der Hamburger Handelskammer, von Dr. Soetbeers Hand erörtert, die
auch so unparteilich zu Werke geht, daß nicht allein anderweite Schutzzöllner,
sondern selbst Rübenzuckerindustrielle sich mit ihren Schlüssen einverstanden
erklärt haben. Für die Umwandlung der Rübensteuer in eine Zuckersteuer,


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[0507] Kautschukwaaren, Strohhüte mit Garnitur, gepolsterte und überzogene Mö¬ bel, feineres Pelzwerk, gemeine feste Seife, gefärbte Strohmatten und ein paar andere Gegenstände ohne Belang. Nach einer Berechnung des bremer Handelsblattes, die sich auf die Zollvereinseinfuhr von 1866 gründet, win¬ den die Befreiungen etwa 1,123,000, die Ermäßigungen 1,188,000 Thaler Ausfall herbeiführen. Es wären also 2'/s Millionen anderweitig zu decken, vorausgesetzt, daß der norddeutsche Bund und die süddeutschen Regierungen nicht im Interesse des consumirenden Publikums und in der Hoffnung aus die natürlichen Wirkungen gesteigerten Verkehrs, welche sich früher oder später in erhöhten Einkünften aus den übriggebliebenen Zöllen geltendmachen wer¬ den, ganz auf den entsprechenden Theil ihrer Einnahmen verzichten wollen. In dem Reformplan des Handelstagsausschusses ist übrigens ein nicht unerheblicher Zoll, der auf Wein, unberücksichtigt geblieben, weil dessen künf¬ tiges Geschick durch die Verhandlungen mit Oestreich und Frankreich bereits so gut wie entschieden war. Eine selbständige, abgesonderte Behandlung haben die ebenso schwierigen als wichtigen Fragen der Zuckerbesteuerung erfahren. Die Herabsetzung des Weinzolls auf zwei Drittel wird vorübergehend ohne Zweifel einen Ausfall nach sich ziehen, wogegen bei der Reform des Zucker¬ zolls und der Rübensteuer mit Sicherheit auf einen bedeutenden Mehrertrag zu rechnen ist, falls sie in einem halbwegs vernünftigen und praktischen Sinne geschieht. Gegenwärtig verkürzt der Zollverein seiner Casse die Einnahme, welche sie vom Zucker haben könnte und hängt den untern Volksclassen die Zuckerdose zu hoch, indem er einestheils die Rübenzuckerindustrie gegen den Colonialzucker, anderntheils die Raffinade gegen den Rohzucker im Zolle begünstigt. Vermöge dieser selbstmörderischen Praxis hält sich unser Zucker¬ verbrauch auf 10 Pfund im Jahr durchschnittlich auf den Kopf der Bevöl¬ kerung, während Frankreich 13—14 und England gar 40 Pfund verbraucht; und ganz entsprechend nimmt bei uns der Staat nur 10 Sgr. auf den Kopf der Bevölkerung ein, in Frankreich aber 19 und in England 35 Sgr. Der Spielraum für eine rationelle Reform ist also erfreulich groß. Ernste Hin¬ dernisse stehen derselben auch nicht im Wege, denn die Nübenzuckerindustrie> die seit Jahren regelmäßig exportirt, schämt sich beinahe selbst schon, noch nach Schutz zu rufen, und an den Zuckerrohrsiedereien ist eigentlich nichts mehr zu ruiniren. das hat der Nübenzuckerschutz bereits mit bestem Erfolge übernommen und durchgeführt. Sowohl die Motive als die zweckmäßige Art der Reform finden sich mit musterhafter Gründlichkeit in einer Denk¬ schrift der Hamburger Handelskammer, von Dr. Soetbeers Hand erörtert, die auch so unparteilich zu Werke geht, daß nicht allein anderweite Schutzzöllner, sondern selbst Rübenzuckerindustrielle sich mit ihren Schlüssen einverstanden erklärt haben. Für die Umwandlung der Rübensteuer in eine Zuckersteuer, Grenzboten I. 1868. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/507>, abgerufen am 22.07.2024.