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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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großen Schritten seinen glücklichen Fortgang. Wie habe ich doch so ver¬
lassen sein können und nicht eher diese Sprache der Seele gelernt! Mir ist
es. als wäre ich in einer ganz andern Welt; meine Seele flattert so leicht
mit dem liebenswürdigen Täubchen, welches aus Anakreons Hand sein
Brod pickt.

Weimar den 4. Januar 1784.--Mein Fleiß im Griechischen
geht mit großen Schritten; diesen Winter studire ich den Aristophanes, wel¬
chen ich zuweilen mit Wieland lese; ich finde an ihm sehr viel Vergnügen,
sein beißender Witz ist unerschöpflich, und mit allem dem hat er so viel
Grazie, daß man ihm alles gern verzeiht, auch selbst seine schmutzigen Sachen.
Ich habe mit den Fröschen den Anfang gemacht, die so gut auf unsere Zeit
passen, daß, wenn Aristophan jetzt noch lebte, er nicht besser über unsere
^ovi-x^ ^ä"pcov und Kw^rin rs^s sprechen könnte.

Gleichzeitig trieb sie das Lateinische so eifrig, daß Knebel ihr bei Ueber¬
sendung seiner Uebersetzung des Properz einen Antheil an derselben zuschrei¬
ben konnte. Sie erwiderte darauf:

Weimar den 29. Oktbr. 1798.--Wie sehr Sie mich durch Ihre
Uebersetzung des Properz überrascht haben, und das Vergnügen, was Sie
mir damit gemacht, ist schwer mit Worten auszudrücken. Ebenso ist es mit
dem schmeichelhaften Compliment, was Sie mir machen, indem Sie mir einen
Antheil an diesem Werke der Kunst und des Geistes, womit Sie dem gelehr¬
ten Publikum ein so schönes Geschenk machen, zueignen wollen; ich kann es
nur annehmen als eine poetische Empfindung, die Sie aus einen Augenblick
getäuscht hat.

Aus den uns handschriftlich vorliegenden Uebersetzungen (es sind 15 Ele¬
gien des Properz und 4 Idyllen des Theokrit und Bion) -- überzeugt man
sich, daß diese Sprachstudien von der trefflichen Fürstin mit Liebe und Aus¬
dauer getrieben wurden. Die Uebersetzerin hat ihre Concepte wiederholt ge¬
ändert und umgearbeitet, und endlich ihre Arbeit in zierlicher Reinschrift
ihren Lehrern zur Correctur vorgelegt. Wenn es schon überhaupt zu den
Ausnahmen gehört, daß Frauen sich mit der Erlernung der alten Sprachen
beschäftigen, so sind die Beispiele in so hoher Stellung noch seltener. Es
zeugt aber von ganz besonderer Begeisterung und Energie, wenn solche Stu¬
dien noch in spätern Jahren angefangen und fortgesetzt werden. -- Mag
man auch an diesen Uebersetzungen vielerlei als falsch oder ungenügend zu
tadeln haben, so wird man die Mittheilung derselben nicht ohne Interesse
ausnehmen, schon weil sie die Möglichkeit der Beurtheilung dessen liefert,
wie weit es die Verfasserin mit ihren Studien gebracht hatte. Aus diesem
Grunde theilen wir die nachstehenden beiden Proben mit.


großen Schritten seinen glücklichen Fortgang. Wie habe ich doch so ver¬
lassen sein können und nicht eher diese Sprache der Seele gelernt! Mir ist
es. als wäre ich in einer ganz andern Welt; meine Seele flattert so leicht
mit dem liebenswürdigen Täubchen, welches aus Anakreons Hand sein
Brod pickt.

Weimar den 4. Januar 1784.--Mein Fleiß im Griechischen
geht mit großen Schritten; diesen Winter studire ich den Aristophanes, wel¬
chen ich zuweilen mit Wieland lese; ich finde an ihm sehr viel Vergnügen,
sein beißender Witz ist unerschöpflich, und mit allem dem hat er so viel
Grazie, daß man ihm alles gern verzeiht, auch selbst seine schmutzigen Sachen.
Ich habe mit den Fröschen den Anfang gemacht, die so gut auf unsere Zeit
passen, daß, wenn Aristophan jetzt noch lebte, er nicht besser über unsere
^ovi-x^ ^ä»pcov und Kw^rin rs^s sprechen könnte.

Gleichzeitig trieb sie das Lateinische so eifrig, daß Knebel ihr bei Ueber¬
sendung seiner Uebersetzung des Properz einen Antheil an derselben zuschrei¬
ben konnte. Sie erwiderte darauf:

Weimar den 29. Oktbr. 1798.--Wie sehr Sie mich durch Ihre
Uebersetzung des Properz überrascht haben, und das Vergnügen, was Sie
mir damit gemacht, ist schwer mit Worten auszudrücken. Ebenso ist es mit
dem schmeichelhaften Compliment, was Sie mir machen, indem Sie mir einen
Antheil an diesem Werke der Kunst und des Geistes, womit Sie dem gelehr¬
ten Publikum ein so schönes Geschenk machen, zueignen wollen; ich kann es
nur annehmen als eine poetische Empfindung, die Sie aus einen Augenblick
getäuscht hat.

Aus den uns handschriftlich vorliegenden Uebersetzungen (es sind 15 Ele¬
gien des Properz und 4 Idyllen des Theokrit und Bion) — überzeugt man
sich, daß diese Sprachstudien von der trefflichen Fürstin mit Liebe und Aus¬
dauer getrieben wurden. Die Uebersetzerin hat ihre Concepte wiederholt ge¬
ändert und umgearbeitet, und endlich ihre Arbeit in zierlicher Reinschrift
ihren Lehrern zur Correctur vorgelegt. Wenn es schon überhaupt zu den
Ausnahmen gehört, daß Frauen sich mit der Erlernung der alten Sprachen
beschäftigen, so sind die Beispiele in so hoher Stellung noch seltener. Es
zeugt aber von ganz besonderer Begeisterung und Energie, wenn solche Stu¬
dien noch in spätern Jahren angefangen und fortgesetzt werden. — Mag
man auch an diesen Uebersetzungen vielerlei als falsch oder ungenügend zu
tadeln haben, so wird man die Mittheilung derselben nicht ohne Interesse
ausnehmen, schon weil sie die Möglichkeit der Beurtheilung dessen liefert,
wie weit es die Verfasserin mit ihren Studien gebracht hatte. Aus diesem
Grunde theilen wir die nachstehenden beiden Proben mit.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/40>, abgerufen am 01.07.2024.