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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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gethan, die ganze Nation in Anarchie und Blutvergießen zu stürzen. Haben
sie hierdurch das Gesetz verletzt oder nicht? nur um diese Frage handelt es
sich in dem Prozesse gegen die dubliner Zeitung, die mindestens ebenso hitzig
in ihren Erörterungen war, als irgendeine andere; angesichts dieser prosaischen
Streitfrage sind heroische Tiraden über die Freiheit der Presse, das Palladium
unserer Freiheit, so wenig am Platze, als es oratorische Ergießungen über
englische Freiheit in einem Prozesse gegen einen Taschendieb sein würden.
Wird der Herausgeber des Jrishman freigesprochen, so mag das Publikum
fragen, ob es weise sei, daß das Gesetz so schwach ist, die Veröffentlichung
directer Aufforderungen zum Aufruhr zu gestatten. Wird er verurtheilt, nun,
so mag seine Partei versuchen, die Aufhebung eines Gesetzes zu bewirken,
welches sie in der angenehmen Beschäftigung stört. Verrath, Anarchie, Rebel-
lion, Blutvergießen und Mord zu predigen, und wenn sie einen parlamenta¬
rischen Kämpen finden kann, der den Gegenstand vor das Haus der Gemeinen
bringt, ist sie völlig ebenso berechtigt hierzu, als der Straßenräuber, für Auf¬
hebung der tyrannischen Bestimmungen zu agitiren, welche den Raub mit
Zuchthaus und Strafarbeit bedrohen."

Mr. Pigott wollte nun gegen den Verfasser dieses von ihm für ein Libell
(Schmähschrift) erklärten Artikels Anklage erheben, wählte aber hierzu nicht
den gewöhnlichen Weg, wonach die Anklage zunächst der großen oder Anklage-
Jury vorgelegt wird und diese über iyre Zulassung entscheidet, sondern bean¬
tragte bei dem hierzu allein competenten Gerichtshofe Queens Beiles zu London
die Zulassung der Anklage ohne Prüfung vor der Anklagejury. Eine solche
Anklage heißt information, im Gegensatz zur gewöhnlichen Form, dem in-
Äietmsnt. Der Vertreter desjenigen, der dies Verfahren beantragt, trägt
dem Gerichtshofe eine von seinem Clienten eidlich bekräftigte Sachdarstellung
(Mäavit) vor, und stellt den Antrag, an den Beschuldigten eine schriftliche
Aufforderung (rule nisi) zu erlassen, sich über die Gründe zu äußern, welche
^ gegen die Zulassung der intorwatiou geltend machen könne. Gibt der
Gerichtshof dem Antrage Statt, so wird demnächst der Vertreter des Beschul¬
digten gehört, und dann definitiv über die Zulassung entschieden. Die Rich¬
tigkeit der Anklage hat der Gerichtshof nicht zu prüfen. -- Zur Entscheidung,
°b die rule an den Redacteur des Daily Telegraph zu erlassen, stand nun
am 27. Januar vor der Queens Beiles Termin an.

Der Vertreter des Mr. Pigott, Mr. Foster, trägt dessen Affidavit vor.
Mr. Pigott versichert in demselben, daß er nicht Fenier sei und nie zu Auf¬
ruhr oder Hochverrath gereizt habe, daß der Artikel "Das Brandopfer" einer
von denen sei, die Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anklage geworden
wären, und zwar der einzige Original-Artikel, während die anderen Abdrücke
von Briefen oder aus amerikanischen Zeitungen seien, und daß der Daily


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gethan, die ganze Nation in Anarchie und Blutvergießen zu stürzen. Haben
sie hierdurch das Gesetz verletzt oder nicht? nur um diese Frage handelt es
sich in dem Prozesse gegen die dubliner Zeitung, die mindestens ebenso hitzig
in ihren Erörterungen war, als irgendeine andere; angesichts dieser prosaischen
Streitfrage sind heroische Tiraden über die Freiheit der Presse, das Palladium
unserer Freiheit, so wenig am Platze, als es oratorische Ergießungen über
englische Freiheit in einem Prozesse gegen einen Taschendieb sein würden.
Wird der Herausgeber des Jrishman freigesprochen, so mag das Publikum
fragen, ob es weise sei, daß das Gesetz so schwach ist, die Veröffentlichung
directer Aufforderungen zum Aufruhr zu gestatten. Wird er verurtheilt, nun,
so mag seine Partei versuchen, die Aufhebung eines Gesetzes zu bewirken,
welches sie in der angenehmen Beschäftigung stört. Verrath, Anarchie, Rebel-
lion, Blutvergießen und Mord zu predigen, und wenn sie einen parlamenta¬
rischen Kämpen finden kann, der den Gegenstand vor das Haus der Gemeinen
bringt, ist sie völlig ebenso berechtigt hierzu, als der Straßenräuber, für Auf¬
hebung der tyrannischen Bestimmungen zu agitiren, welche den Raub mit
Zuchthaus und Strafarbeit bedrohen."

Mr. Pigott wollte nun gegen den Verfasser dieses von ihm für ein Libell
(Schmähschrift) erklärten Artikels Anklage erheben, wählte aber hierzu nicht
den gewöhnlichen Weg, wonach die Anklage zunächst der großen oder Anklage-
Jury vorgelegt wird und diese über iyre Zulassung entscheidet, sondern bean¬
tragte bei dem hierzu allein competenten Gerichtshofe Queens Beiles zu London
die Zulassung der Anklage ohne Prüfung vor der Anklagejury. Eine solche
Anklage heißt information, im Gegensatz zur gewöhnlichen Form, dem in-
Äietmsnt. Der Vertreter desjenigen, der dies Verfahren beantragt, trägt
dem Gerichtshofe eine von seinem Clienten eidlich bekräftigte Sachdarstellung
(Mäavit) vor, und stellt den Antrag, an den Beschuldigten eine schriftliche
Aufforderung (rule nisi) zu erlassen, sich über die Gründe zu äußern, welche
^ gegen die Zulassung der intorwatiou geltend machen könne. Gibt der
Gerichtshof dem Antrage Statt, so wird demnächst der Vertreter des Beschul¬
digten gehört, und dann definitiv über die Zulassung entschieden. Die Rich¬
tigkeit der Anklage hat der Gerichtshof nicht zu prüfen. — Zur Entscheidung,
°b die rule an den Redacteur des Daily Telegraph zu erlassen, stand nun
am 27. Januar vor der Queens Beiles Termin an.

Der Vertreter des Mr. Pigott, Mr. Foster, trägt dessen Affidavit vor.
Mr. Pigott versichert in demselben, daß er nicht Fenier sei und nie zu Auf¬
ruhr oder Hochverrath gereizt habe, daß der Artikel „Das Brandopfer" einer
von denen sei, die Gegenstand der gegen ihn erhobenen Anklage geworden
wären, und zwar der einzige Original-Artikel, während die anderen Abdrücke
von Briefen oder aus amerikanischen Zeitungen seien, und daß der Daily


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/395>, abgerufen am 24.08.2024.