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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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funden Trinkwassers aus der Elbwasserkunst; allein sie zeugen zu Gunsten
sämmtlicher deutschen Dampfschiffe, der Hamburger sogut wie der Bremer,
und zu Gunsten der bremischen Segelschiffe. Nun geht aber beinahe die
Hälfte aller deutschen Auswanderung über Bremen, und nicht weniger als
ein Viertel auf deutschen Dampfern hinüber. Wir brauchen uns folglich der
bestehenden Zustände keineswegs zu schämen. Allein ebensowenig können wir
wünschen, die bisherigen, immer noch mangelhaften Einrichtungen unver¬
ändert aufrecht erhalten zu sehen. Die neue Stellung, zu welcher Deutsch¬
land sich erhoben hat, bringt gesteigerte Pflichten mit sich. Die Einmischung
des alten deutschen Bundestags in Auswanderungsangelegenheiten mochte
man sich, da sie doch nur im engherzigsten polizeilichen Sinne erfolgt wäre,
von Seiten der Hansestädte verbitten, und konnte es mit Erfolg; dem
norddeutschen Bunde kann man dieses Gebiet aber nicht versperren, weder
verfassungsmäßig noch thatsächlich, zumal seit unselige Vorgänge seine Da¬
zwischenkamst einmal herausgefordert haben. Jenseit des atlantischen Oceans
werden nicht mehr Hamburg oder Bremen für die Mängel des deutschen
Auswanderungswesens verantwortlich gemacht, sondern Deutschland muß
eintreten, und nach Berlin richten sich die Klagen oder Anklagen derer, welche
unter den feststehenden Einrichtungen zufällig oder nothwendig zu leiden
haben. Die Einsetzung einer ständigen Aufsichtsbehörde erscheint daher un¬
umgänglich. Zur Ausrüstung derselben mit zugleich wirksamen und doch auch
nicht unnöthig verletzenden Waffen aber wird es gut sein, wenn ein Bundes¬
gesetz die bestehenden örtlichen Vorschriften über Einrichtung von Auswan¬
dererschiffen übersichtlich und reformatorisch zusammenfaßt.

Dahin weist auch schon das Bedürfniß gleicher Gesetzgebung in beiden
deutschen Einschiffungshäfen. Hamburg und Bremen allein befördern zwar
nicht die gesammte deutsche Auswanderung nach Amerika hinüber, Havre,
Antwerpen, Rotterdam, und vor allem Liverpool, über das selbst ein Theil
der Hamburger Züge seinen Weg nimmt, haben daran ihren Antheil. Wie
nun bewirken, daß die Wohlthaten einer weise und umsichtig bemessenen
öffentlichen Fürsorge auch den über diese Häfen ziehenden Landsleuten zu Gute
kommen? wie insbesondere verhüten, daß nicht der Druck verschärfter Schutz¬
maßregeln, indem er auf den Passagepreis wirkt, die dürftigste Classe den
fremden Hafenplätzen, d. h. einer schlechteren Art von Beförderung zudränge?
Zu diesem Ziele gibt es offenbar einen Weg: internationale Verträge. Wie
man Conventionen über Post und Telegraphenwesen, über Münzumlauf und
Zuckerbesteuerung schließt, welche den Spielraum der einzelnen Gesetzgebung
zu Gunsten einer alle gleichmäßig interessirenden Uebereinstimmung einengen,
so läßt sich auf demselben Wege wohl auch ein gewisses Minimum von
Schutz für schutzbedürftige Auswanderer Deutschlands erreichen. Dann fiel?


funden Trinkwassers aus der Elbwasserkunst; allein sie zeugen zu Gunsten
sämmtlicher deutschen Dampfschiffe, der Hamburger sogut wie der Bremer,
und zu Gunsten der bremischen Segelschiffe. Nun geht aber beinahe die
Hälfte aller deutschen Auswanderung über Bremen, und nicht weniger als
ein Viertel auf deutschen Dampfern hinüber. Wir brauchen uns folglich der
bestehenden Zustände keineswegs zu schämen. Allein ebensowenig können wir
wünschen, die bisherigen, immer noch mangelhaften Einrichtungen unver¬
ändert aufrecht erhalten zu sehen. Die neue Stellung, zu welcher Deutsch¬
land sich erhoben hat, bringt gesteigerte Pflichten mit sich. Die Einmischung
des alten deutschen Bundestags in Auswanderungsangelegenheiten mochte
man sich, da sie doch nur im engherzigsten polizeilichen Sinne erfolgt wäre,
von Seiten der Hansestädte verbitten, und konnte es mit Erfolg; dem
norddeutschen Bunde kann man dieses Gebiet aber nicht versperren, weder
verfassungsmäßig noch thatsächlich, zumal seit unselige Vorgänge seine Da¬
zwischenkamst einmal herausgefordert haben. Jenseit des atlantischen Oceans
werden nicht mehr Hamburg oder Bremen für die Mängel des deutschen
Auswanderungswesens verantwortlich gemacht, sondern Deutschland muß
eintreten, und nach Berlin richten sich die Klagen oder Anklagen derer, welche
unter den feststehenden Einrichtungen zufällig oder nothwendig zu leiden
haben. Die Einsetzung einer ständigen Aufsichtsbehörde erscheint daher un¬
umgänglich. Zur Ausrüstung derselben mit zugleich wirksamen und doch auch
nicht unnöthig verletzenden Waffen aber wird es gut sein, wenn ein Bundes¬
gesetz die bestehenden örtlichen Vorschriften über Einrichtung von Auswan¬
dererschiffen übersichtlich und reformatorisch zusammenfaßt.

Dahin weist auch schon das Bedürfniß gleicher Gesetzgebung in beiden
deutschen Einschiffungshäfen. Hamburg und Bremen allein befördern zwar
nicht die gesammte deutsche Auswanderung nach Amerika hinüber, Havre,
Antwerpen, Rotterdam, und vor allem Liverpool, über das selbst ein Theil
der Hamburger Züge seinen Weg nimmt, haben daran ihren Antheil. Wie
nun bewirken, daß die Wohlthaten einer weise und umsichtig bemessenen
öffentlichen Fürsorge auch den über diese Häfen ziehenden Landsleuten zu Gute
kommen? wie insbesondere verhüten, daß nicht der Druck verschärfter Schutz¬
maßregeln, indem er auf den Passagepreis wirkt, die dürftigste Classe den
fremden Hafenplätzen, d. h. einer schlechteren Art von Beförderung zudränge?
Zu diesem Ziele gibt es offenbar einen Weg: internationale Verträge. Wie
man Conventionen über Post und Telegraphenwesen, über Münzumlauf und
Zuckerbesteuerung schließt, welche den Spielraum der einzelnen Gesetzgebung
zu Gunsten einer alle gleichmäßig interessirenden Uebereinstimmung einengen,
so läßt sich auf demselben Wege wohl auch ein gewisses Minimum von
Schutz für schutzbedürftige Auswanderer Deutschlands erreichen. Dann fiel?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/390>, abgerufen am 24.08.2024.