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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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einer thörichten Revolution zu bewahren, und die Regierung hatte wahr¬
scheinlich eine Empfindung davon, als sie ihn kurz darauf zum Staatsrath
machte. Aber man kam nicht zu dem Entschluß, ihn an die Spitze der
Geschäfte zu stellen; Mathy ging zum Vorparlament nach Frankfurt und der
kurze Schreck, welchen sein Eingreifen über die Verschwörer gebracht hatte,
hielt bei der Schwäche der badischen Beamten nicht vor.

Ihm selbst war gleichgültig, daß er jetzt plötzlich ein Gegenstand wü¬
thenden Hasses für die Volkshaufen geworden war, er widmete feine ganze
Thätigkeit den Arbeiten der Paulskirche, wurde Unterstaatssecretär im
Reichsministerium der Finanzen, und war zeitweise als Commissarius in
Kiel und München. Damals wurde ihm auch einmal -- und zwar durch
Vermittlung Varnbülers -- das Finanzministerium Würtembergs angeboten.
Ein angesehenes Mitglied seines Clubs, wenn er die Tribüne betrat mit Ach¬
tung und Scheu gehört, hielt er doch im Ganzen sich zurück, seinem Scharf¬
blick wurde frühzeitig klar, daß der ganze Erfolg von Kompromissen mit
Preußen und Oestreich abhänge und daß die ersteren unsicher, die Ausein¬
andersetzung mit Oestreich unwahrscheinlich sei. Als 1849 Friedrich Wil¬
helm IV. die angebotene Kaiserkrone ablehnte und das Parlament zerfiel, sah
er kurz entschlossen, daß die nächste Arbeit sein müsse, die Vereinigung der
deutschen Stämme auf dem Gebiet der materiellen Interessen vorzubereiten,
Preußen mußte die Führung des neuen Staates haben, der Zollverein und
die Verkehrsinteressen mußten die Brücke für eine künftige politische Einheit
der deutschen Staaten werden. Für die Steigerung dieser realen Interessen
hatte jetzt der Patriot zunächst zu arbeiten..

Die badische Regierung hatte ihn unter dem Einfluß der östreichischen
Reaction ohne Pension durch Decret aus seiner Staatsstellung entlassen.
Schon im Jahre 1844 hatte er mit Bassermann eine Buchhandlung in
Manheim gegründet, welche schnell eine angesehene Stellung im Buchhandel
erwarb. Er war auch in diesem Geschäfte regelmäßiger Arbeiter gewesen,
soweit seine häufige Abwesenheit das möglich machte; jetzt kehrte er in die
Handlung zurück. Aber die Rücksicht auf seine eigene Existenz nöthigte ihn
bald, eine andere Thätigkeit zu suchen.

Durch Mevissen wurde ihm 1853 eine Stellung in dem Schafhausenschen
Bankverein zu Köln vermittelt. Und jetzt trat er in einen neuen Kreis
großer realer Interessen ein, wieder gerade in den Jahren, in denen sie eine
entscheidende Fortbildung erfuhren, und er hatte wieder einen wesentlichen
Antheil an ihrer Organisation und ihrem Gedeihen. Kaum einer, der nicht im
kaufmännischen Geschäft aufgewachsen, mochte so reiche Kenntniß des geschäft-
lichen Verkehrs besitzen. Er war in der Theorie der Verkehrsinteressen eine
Autorität, ein guter Rechner und vorzüglicher Disponent, und einzurichten


einer thörichten Revolution zu bewahren, und die Regierung hatte wahr¬
scheinlich eine Empfindung davon, als sie ihn kurz darauf zum Staatsrath
machte. Aber man kam nicht zu dem Entschluß, ihn an die Spitze der
Geschäfte zu stellen; Mathy ging zum Vorparlament nach Frankfurt und der
kurze Schreck, welchen sein Eingreifen über die Verschwörer gebracht hatte,
hielt bei der Schwäche der badischen Beamten nicht vor.

Ihm selbst war gleichgültig, daß er jetzt plötzlich ein Gegenstand wü¬
thenden Hasses für die Volkshaufen geworden war, er widmete feine ganze
Thätigkeit den Arbeiten der Paulskirche, wurde Unterstaatssecretär im
Reichsministerium der Finanzen, und war zeitweise als Commissarius in
Kiel und München. Damals wurde ihm auch einmal — und zwar durch
Vermittlung Varnbülers — das Finanzministerium Würtembergs angeboten.
Ein angesehenes Mitglied seines Clubs, wenn er die Tribüne betrat mit Ach¬
tung und Scheu gehört, hielt er doch im Ganzen sich zurück, seinem Scharf¬
blick wurde frühzeitig klar, daß der ganze Erfolg von Kompromissen mit
Preußen und Oestreich abhänge und daß die ersteren unsicher, die Ausein¬
andersetzung mit Oestreich unwahrscheinlich sei. Als 1849 Friedrich Wil¬
helm IV. die angebotene Kaiserkrone ablehnte und das Parlament zerfiel, sah
er kurz entschlossen, daß die nächste Arbeit sein müsse, die Vereinigung der
deutschen Stämme auf dem Gebiet der materiellen Interessen vorzubereiten,
Preußen mußte die Führung des neuen Staates haben, der Zollverein und
die Verkehrsinteressen mußten die Brücke für eine künftige politische Einheit
der deutschen Staaten werden. Für die Steigerung dieser realen Interessen
hatte jetzt der Patriot zunächst zu arbeiten..

Die badische Regierung hatte ihn unter dem Einfluß der östreichischen
Reaction ohne Pension durch Decret aus seiner Staatsstellung entlassen.
Schon im Jahre 1844 hatte er mit Bassermann eine Buchhandlung in
Manheim gegründet, welche schnell eine angesehene Stellung im Buchhandel
erwarb. Er war auch in diesem Geschäfte regelmäßiger Arbeiter gewesen,
soweit seine häufige Abwesenheit das möglich machte; jetzt kehrte er in die
Handlung zurück. Aber die Rücksicht auf seine eigene Existenz nöthigte ihn
bald, eine andere Thätigkeit zu suchen.

Durch Mevissen wurde ihm 1853 eine Stellung in dem Schafhausenschen
Bankverein zu Köln vermittelt. Und jetzt trat er in einen neuen Kreis
großer realer Interessen ein, wieder gerade in den Jahren, in denen sie eine
entscheidende Fortbildung erfuhren, und er hatte wieder einen wesentlichen
Antheil an ihrer Organisation und ihrem Gedeihen. Kaum einer, der nicht im
kaufmännischen Geschäft aufgewachsen, mochte so reiche Kenntniß des geschäft-
lichen Verkehrs besitzen. Er war in der Theorie der Verkehrsinteressen eine
Autorität, ein guter Rechner und vorzüglicher Disponent, und einzurichten


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[0381] einer thörichten Revolution zu bewahren, und die Regierung hatte wahr¬ scheinlich eine Empfindung davon, als sie ihn kurz darauf zum Staatsrath machte. Aber man kam nicht zu dem Entschluß, ihn an die Spitze der Geschäfte zu stellen; Mathy ging zum Vorparlament nach Frankfurt und der kurze Schreck, welchen sein Eingreifen über die Verschwörer gebracht hatte, hielt bei der Schwäche der badischen Beamten nicht vor. Ihm selbst war gleichgültig, daß er jetzt plötzlich ein Gegenstand wü¬ thenden Hasses für die Volkshaufen geworden war, er widmete feine ganze Thätigkeit den Arbeiten der Paulskirche, wurde Unterstaatssecretär im Reichsministerium der Finanzen, und war zeitweise als Commissarius in Kiel und München. Damals wurde ihm auch einmal — und zwar durch Vermittlung Varnbülers — das Finanzministerium Würtembergs angeboten. Ein angesehenes Mitglied seines Clubs, wenn er die Tribüne betrat mit Ach¬ tung und Scheu gehört, hielt er doch im Ganzen sich zurück, seinem Scharf¬ blick wurde frühzeitig klar, daß der ganze Erfolg von Kompromissen mit Preußen und Oestreich abhänge und daß die ersteren unsicher, die Ausein¬ andersetzung mit Oestreich unwahrscheinlich sei. Als 1849 Friedrich Wil¬ helm IV. die angebotene Kaiserkrone ablehnte und das Parlament zerfiel, sah er kurz entschlossen, daß die nächste Arbeit sein müsse, die Vereinigung der deutschen Stämme auf dem Gebiet der materiellen Interessen vorzubereiten, Preußen mußte die Führung des neuen Staates haben, der Zollverein und die Verkehrsinteressen mußten die Brücke für eine künftige politische Einheit der deutschen Staaten werden. Für die Steigerung dieser realen Interessen hatte jetzt der Patriot zunächst zu arbeiten.. Die badische Regierung hatte ihn unter dem Einfluß der östreichischen Reaction ohne Pension durch Decret aus seiner Staatsstellung entlassen. Schon im Jahre 1844 hatte er mit Bassermann eine Buchhandlung in Manheim gegründet, welche schnell eine angesehene Stellung im Buchhandel erwarb. Er war auch in diesem Geschäfte regelmäßiger Arbeiter gewesen, soweit seine häufige Abwesenheit das möglich machte; jetzt kehrte er in die Handlung zurück. Aber die Rücksicht auf seine eigene Existenz nöthigte ihn bald, eine andere Thätigkeit zu suchen. Durch Mevissen wurde ihm 1853 eine Stellung in dem Schafhausenschen Bankverein zu Köln vermittelt. Und jetzt trat er in einen neuen Kreis großer realer Interessen ein, wieder gerade in den Jahren, in denen sie eine entscheidende Fortbildung erfuhren, und er hatte wieder einen wesentlichen Antheil an ihrer Organisation und ihrem Gedeihen. Kaum einer, der nicht im kaufmännischen Geschäft aufgewachsen, mochte so reiche Kenntniß des geschäft- lichen Verkehrs besitzen. Er war in der Theorie der Verkehrsinteressen eine Autorität, ein guter Rechner und vorzüglicher Disponent, und einzurichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/381>, abgerufen am 24.08.2024.