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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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festzuhalten oder einzuführen, welcher der besten Intelligenz des Landes die
größten Aussichten gewährt.

Der Stadt, in welcher diese Zeilen geschrieben werden. brachten die letz¬
ten Tage einen besonderen Beweis, daß die Constituirung des norddeutschen
Bundesstaats vollendet sei, die preußische Besatzung Leipzigs wird heraus¬
gezogen, die Garnison wieder sächsischen-Bundestruppen übergeben. Von
officiösen Correspondenten Preußens wurde die Maßregel als ein Zeichen
des herzlichen Einvernehmens zwischen den beiden hohen Regierungen her¬
vorgehoben, wie auch Graf Bismarck die Bundestreue Sachsens mit
warmen Worten gerühmt hat. Erfreut enthalten wir uns darüber jeder eige¬
nen Reflexionen. Wir haben aber für das Zurückziehen der preußischen
Truppen einen andern Grund anzuführen: die Besatzungen von Leipzig und
Bautzen waren nach Erfüllung der Bestimmungen des Separatvertrages vom
7. Febr. 1867, welche dem Staat Sachsen ein eigenes geschlossenes Armee¬
corps und Sr, Majestät dem König von Sachsen gegenüber andern Bundes¬
fürsten einige souveräne Prärogative mehr zutheilte, eine bloße Demonstra¬
tion geworden, welche den sächsischen Localpatriotismus der Regierenden und
Regierten dauernd demüthigte. Da ein gutes Einvernehmen mit Sachsen
bereits werthvoll geworden ist, so war solche Demüthigung nicht weise. Die
Besetzung zweier Grenzstädte hatte aber auch keine militärische Wichtigkeit,
wenn eine Viertelmeile davon Truppen unter sächsischen Commando lagen,
deren Officiere an den kriegerischen Traditionen und Anschauungen der
tapfern sächsischen Armee ihr Selbstgefühl zu nähren verpflichtet sind. Grö¬
ßeren Nutzen für kameradschaftliche Verbindung des zwölften Bundescorps mit
den übrigen würde es nach unserem Dafürhalten gewähren, wenn der Bun¬
desfeldherr, sein vertragsmäßiges Recht wohlbedacht gebrauchend aus den
sächsischen Regimentern einzelne Offiziere in preußische commandiren wollte,
und umgekehrt, damit Gleichförmigkeit in der Dienstpraxis erhalten bleibe
und unter den tapfern Männern, welche fortan als Waffenbrüder neben ein¬
ander stehn sollen, auch persönlich gute Kameradschaft und das herzliche Ver¬
trauen gefördert werde, welches alle Offizierstische des Bundes verbrü¬
dern soll.

Dem 82. Regiment aber, welches jetzt die Mauern Leipzigs verläßt,
wird von der Stadt und den Bürgern warme Anerkennung für musterhafte
Haltung unter schwierigen Verhältnissen ausgesprochen; wir vermögen dem
Regiment keinen besseren Scheidegruß nachzusenden, als die Versicherung:
Offiziere und Mannschaft haben sich in Leipzig ganz und völlig so gehalten,
wie Preußen geziemt.




festzuhalten oder einzuführen, welcher der besten Intelligenz des Landes die
größten Aussichten gewährt.

Der Stadt, in welcher diese Zeilen geschrieben werden. brachten die letz¬
ten Tage einen besonderen Beweis, daß die Constituirung des norddeutschen
Bundesstaats vollendet sei, die preußische Besatzung Leipzigs wird heraus¬
gezogen, die Garnison wieder sächsischen-Bundestruppen übergeben. Von
officiösen Correspondenten Preußens wurde die Maßregel als ein Zeichen
des herzlichen Einvernehmens zwischen den beiden hohen Regierungen her¬
vorgehoben, wie auch Graf Bismarck die Bundestreue Sachsens mit
warmen Worten gerühmt hat. Erfreut enthalten wir uns darüber jeder eige¬
nen Reflexionen. Wir haben aber für das Zurückziehen der preußischen
Truppen einen andern Grund anzuführen: die Besatzungen von Leipzig und
Bautzen waren nach Erfüllung der Bestimmungen des Separatvertrages vom
7. Febr. 1867, welche dem Staat Sachsen ein eigenes geschlossenes Armee¬
corps und Sr, Majestät dem König von Sachsen gegenüber andern Bundes¬
fürsten einige souveräne Prärogative mehr zutheilte, eine bloße Demonstra¬
tion geworden, welche den sächsischen Localpatriotismus der Regierenden und
Regierten dauernd demüthigte. Da ein gutes Einvernehmen mit Sachsen
bereits werthvoll geworden ist, so war solche Demüthigung nicht weise. Die
Besetzung zweier Grenzstädte hatte aber auch keine militärische Wichtigkeit,
wenn eine Viertelmeile davon Truppen unter sächsischen Commando lagen,
deren Officiere an den kriegerischen Traditionen und Anschauungen der
tapfern sächsischen Armee ihr Selbstgefühl zu nähren verpflichtet sind. Grö¬
ßeren Nutzen für kameradschaftliche Verbindung des zwölften Bundescorps mit
den übrigen würde es nach unserem Dafürhalten gewähren, wenn der Bun¬
desfeldherr, sein vertragsmäßiges Recht wohlbedacht gebrauchend aus den
sächsischen Regimentern einzelne Offiziere in preußische commandiren wollte,
und umgekehrt, damit Gleichförmigkeit in der Dienstpraxis erhalten bleibe
und unter den tapfern Männern, welche fortan als Waffenbrüder neben ein¬
ander stehn sollen, auch persönlich gute Kameradschaft und das herzliche Ver¬
trauen gefördert werde, welches alle Offizierstische des Bundes verbrü¬
dern soll.

Dem 82. Regiment aber, welches jetzt die Mauern Leipzigs verläßt,
wird von der Stadt und den Bürgern warme Anerkennung für musterhafte
Haltung unter schwierigen Verhältnissen ausgesprochen; wir vermögen dem
Regiment keinen besseren Scheidegruß nachzusenden, als die Versicherung:
Offiziere und Mannschaft haben sich in Leipzig ganz und völlig so gehalten,
wie Preußen geziemt.




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[0038] festzuhalten oder einzuführen, welcher der besten Intelligenz des Landes die größten Aussichten gewährt. Der Stadt, in welcher diese Zeilen geschrieben werden. brachten die letz¬ ten Tage einen besonderen Beweis, daß die Constituirung des norddeutschen Bundesstaats vollendet sei, die preußische Besatzung Leipzigs wird heraus¬ gezogen, die Garnison wieder sächsischen-Bundestruppen übergeben. Von officiösen Correspondenten Preußens wurde die Maßregel als ein Zeichen des herzlichen Einvernehmens zwischen den beiden hohen Regierungen her¬ vorgehoben, wie auch Graf Bismarck die Bundestreue Sachsens mit warmen Worten gerühmt hat. Erfreut enthalten wir uns darüber jeder eige¬ nen Reflexionen. Wir haben aber für das Zurückziehen der preußischen Truppen einen andern Grund anzuführen: die Besatzungen von Leipzig und Bautzen waren nach Erfüllung der Bestimmungen des Separatvertrages vom 7. Febr. 1867, welche dem Staat Sachsen ein eigenes geschlossenes Armee¬ corps und Sr, Majestät dem König von Sachsen gegenüber andern Bundes¬ fürsten einige souveräne Prärogative mehr zutheilte, eine bloße Demonstra¬ tion geworden, welche den sächsischen Localpatriotismus der Regierenden und Regierten dauernd demüthigte. Da ein gutes Einvernehmen mit Sachsen bereits werthvoll geworden ist, so war solche Demüthigung nicht weise. Die Besetzung zweier Grenzstädte hatte aber auch keine militärische Wichtigkeit, wenn eine Viertelmeile davon Truppen unter sächsischen Commando lagen, deren Officiere an den kriegerischen Traditionen und Anschauungen der tapfern sächsischen Armee ihr Selbstgefühl zu nähren verpflichtet sind. Grö¬ ßeren Nutzen für kameradschaftliche Verbindung des zwölften Bundescorps mit den übrigen würde es nach unserem Dafürhalten gewähren, wenn der Bun¬ desfeldherr, sein vertragsmäßiges Recht wohlbedacht gebrauchend aus den sächsischen Regimentern einzelne Offiziere in preußische commandiren wollte, und umgekehrt, damit Gleichförmigkeit in der Dienstpraxis erhalten bleibe und unter den tapfern Männern, welche fortan als Waffenbrüder neben ein¬ ander stehn sollen, auch persönlich gute Kameradschaft und das herzliche Ver¬ trauen gefördert werde, welches alle Offizierstische des Bundes verbrü¬ dern soll. Dem 82. Regiment aber, welches jetzt die Mauern Leipzigs verläßt, wird von der Stadt und den Bürgern warme Anerkennung für musterhafte Haltung unter schwierigen Verhältnissen ausgesprochen; wir vermögen dem Regiment keinen besseren Scheidegruß nachzusenden, als die Versicherung: Offiziere und Mannschaft haben sich in Leipzig ganz und völlig so gehalten, wie Preußen geziemt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/38>, abgerufen am 01.07.2024.