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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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wollte ich's wagen, wir Beide würden miteinander fertig werden, aber Ihre
Herren Collegen --" Da blieb der Regierung nichts übrig, als den unbot¬
mäßigen Secretär zu entlassen. Doch wurde er in der Liste der Cameral-
praktikanten noch fortgeführt, bis er selbst die Tilgung forderte. Den Zeit¬
geist aber beschloß man durch die Censur zu beseitigen, zumal seit dem Censor
begegnet war, daß er eine kleine orientalische Geschichte unbeanstandet dem
Druck überlassen hatte, in welcher eine Rundreise des Großherzogs witzig
parodirt war -- in sehr harmloser und patriotischer Tendenz, Der Censor er¬
hielt darum eine Nase und strich seitdem zornig und ohne Wahl, manchmal
den Anfang, manchmal das Ende unschuldiger Artikel, und es half nicht viel,
daß Mathy ihn persönlich zur Rede stellte, weil er durch das unsinnige Strei¬
chen eine arge Gesetzwidrigkeit begehe.

So war Mathy den Leiden und dem Aerger, welche ein Journalist unter der
Censur zu ertragen hatte, preisgegeben und das kleine Fahrzeug seines Lebens
schwamm muthig in Wind und Wellen einer aufgeregten Zeit. -- Aber ge¬
rade in diesen Jahren hatte ihm ein gütiges Schicksal auch das Geschenk zu¬
getheilt, welches ihm sein Privatleben weihen und der stille Mittelpunkt
seines Fühlens und aller seiner Hoffnungen werden sollte. Im Jahre 1830
sah er in dem Hause eines Bekannten, Stromeyer, den er täglich besuchte, die
Schwester desselben, Anna. Als sie an einem Morgen in das Zimmer trat
im Trauerkleide, -- sie hatte kurz vorher ihren Vater, Amtsphysikus in
Tauber-Bischofsheim verloren, -- da stand sofort sein Entschluß fest, daß
diese seine Frau werden sollte oder keine. Er war damals 23 Jahr, aber
er sah weit älter aus. Hager, das Antlitz sehr ernst, stand er schweigsam
unter den Freunden.

Das Gefühl war so schnell in ihm aufgeblüht, aber es wurde zur
dauerhaften Flamme, welche seinem ganzen Leben Wärme und stillen Inhalt
gab, es war eine ächt deutsche Liebe, tief, unzerstörbar, seit er der Geliebten
sicher war, schritt er wie gefeit durch allen Sturm des Lebens. Wie unablässig
sein Geist in den großen Aufgaben der Zeit arbeitete, sein Glück fand er
seitdem nur an der Seite der geliebten Frau, welche, stark und fest wie er,
feine Bertraute bis zur letzten Stunde seines Erdenlebens blieb. Als er
beim Bruder um die Geliebte warb, und diesem die unsichere Stellung
Mathy's Bedenken machte, sagte Mathy ruhig, "wir können warten". Es war
damals weit schwerer als jetzt, auf journalistische Thätigkeit ein Hauswesen
zu gründen; Mathy setzte das doch durch, und konnte nach der Vermählung
seiner jungen Hausfrau einige hundert Gulden aufzeigen, die er für letzte
Fälle zurückgelegt hatte. Auch äußere Hindernisse hatte die Verbindung.
Schon war das Brautkleid fertig, der Brautkranz gewunden, da kam der
Braut in Schwetzingen die Schreckensnachricht, daß Mathy in Karlsruhe ver-


wollte ich's wagen, wir Beide würden miteinander fertig werden, aber Ihre
Herren Collegen —" Da blieb der Regierung nichts übrig, als den unbot¬
mäßigen Secretär zu entlassen. Doch wurde er in der Liste der Cameral-
praktikanten noch fortgeführt, bis er selbst die Tilgung forderte. Den Zeit¬
geist aber beschloß man durch die Censur zu beseitigen, zumal seit dem Censor
begegnet war, daß er eine kleine orientalische Geschichte unbeanstandet dem
Druck überlassen hatte, in welcher eine Rundreise des Großherzogs witzig
parodirt war — in sehr harmloser und patriotischer Tendenz, Der Censor er¬
hielt darum eine Nase und strich seitdem zornig und ohne Wahl, manchmal
den Anfang, manchmal das Ende unschuldiger Artikel, und es half nicht viel,
daß Mathy ihn persönlich zur Rede stellte, weil er durch das unsinnige Strei¬
chen eine arge Gesetzwidrigkeit begehe.

So war Mathy den Leiden und dem Aerger, welche ein Journalist unter der
Censur zu ertragen hatte, preisgegeben und das kleine Fahrzeug seines Lebens
schwamm muthig in Wind und Wellen einer aufgeregten Zeit. — Aber ge¬
rade in diesen Jahren hatte ihm ein gütiges Schicksal auch das Geschenk zu¬
getheilt, welches ihm sein Privatleben weihen und der stille Mittelpunkt
seines Fühlens und aller seiner Hoffnungen werden sollte. Im Jahre 1830
sah er in dem Hause eines Bekannten, Stromeyer, den er täglich besuchte, die
Schwester desselben, Anna. Als sie an einem Morgen in das Zimmer trat
im Trauerkleide, — sie hatte kurz vorher ihren Vater, Amtsphysikus in
Tauber-Bischofsheim verloren, — da stand sofort sein Entschluß fest, daß
diese seine Frau werden sollte oder keine. Er war damals 23 Jahr, aber
er sah weit älter aus. Hager, das Antlitz sehr ernst, stand er schweigsam
unter den Freunden.

Das Gefühl war so schnell in ihm aufgeblüht, aber es wurde zur
dauerhaften Flamme, welche seinem ganzen Leben Wärme und stillen Inhalt
gab, es war eine ächt deutsche Liebe, tief, unzerstörbar, seit er der Geliebten
sicher war, schritt er wie gefeit durch allen Sturm des Lebens. Wie unablässig
sein Geist in den großen Aufgaben der Zeit arbeitete, sein Glück fand er
seitdem nur an der Seite der geliebten Frau, welche, stark und fest wie er,
feine Bertraute bis zur letzten Stunde seines Erdenlebens blieb. Als er
beim Bruder um die Geliebte warb, und diesem die unsichere Stellung
Mathy's Bedenken machte, sagte Mathy ruhig, „wir können warten". Es war
damals weit schwerer als jetzt, auf journalistische Thätigkeit ein Hauswesen
zu gründen; Mathy setzte das doch durch, und konnte nach der Vermählung
seiner jungen Hausfrau einige hundert Gulden aufzeigen, die er für letzte
Fälle zurückgelegt hatte. Auch äußere Hindernisse hatte die Verbindung.
Schon war das Brautkleid fertig, der Brautkranz gewunden, da kam der
Braut in Schwetzingen die Schreckensnachricht, daß Mathy in Karlsruhe ver-


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[0375] wollte ich's wagen, wir Beide würden miteinander fertig werden, aber Ihre Herren Collegen —" Da blieb der Regierung nichts übrig, als den unbot¬ mäßigen Secretär zu entlassen. Doch wurde er in der Liste der Cameral- praktikanten noch fortgeführt, bis er selbst die Tilgung forderte. Den Zeit¬ geist aber beschloß man durch die Censur zu beseitigen, zumal seit dem Censor begegnet war, daß er eine kleine orientalische Geschichte unbeanstandet dem Druck überlassen hatte, in welcher eine Rundreise des Großherzogs witzig parodirt war — in sehr harmloser und patriotischer Tendenz, Der Censor er¬ hielt darum eine Nase und strich seitdem zornig und ohne Wahl, manchmal den Anfang, manchmal das Ende unschuldiger Artikel, und es half nicht viel, daß Mathy ihn persönlich zur Rede stellte, weil er durch das unsinnige Strei¬ chen eine arge Gesetzwidrigkeit begehe. So war Mathy den Leiden und dem Aerger, welche ein Journalist unter der Censur zu ertragen hatte, preisgegeben und das kleine Fahrzeug seines Lebens schwamm muthig in Wind und Wellen einer aufgeregten Zeit. — Aber ge¬ rade in diesen Jahren hatte ihm ein gütiges Schicksal auch das Geschenk zu¬ getheilt, welches ihm sein Privatleben weihen und der stille Mittelpunkt seines Fühlens und aller seiner Hoffnungen werden sollte. Im Jahre 1830 sah er in dem Hause eines Bekannten, Stromeyer, den er täglich besuchte, die Schwester desselben, Anna. Als sie an einem Morgen in das Zimmer trat im Trauerkleide, — sie hatte kurz vorher ihren Vater, Amtsphysikus in Tauber-Bischofsheim verloren, — da stand sofort sein Entschluß fest, daß diese seine Frau werden sollte oder keine. Er war damals 23 Jahr, aber er sah weit älter aus. Hager, das Antlitz sehr ernst, stand er schweigsam unter den Freunden. Das Gefühl war so schnell in ihm aufgeblüht, aber es wurde zur dauerhaften Flamme, welche seinem ganzen Leben Wärme und stillen Inhalt gab, es war eine ächt deutsche Liebe, tief, unzerstörbar, seit er der Geliebten sicher war, schritt er wie gefeit durch allen Sturm des Lebens. Wie unablässig sein Geist in den großen Aufgaben der Zeit arbeitete, sein Glück fand er seitdem nur an der Seite der geliebten Frau, welche, stark und fest wie er, feine Bertraute bis zur letzten Stunde seines Erdenlebens blieb. Als er beim Bruder um die Geliebte warb, und diesem die unsichere Stellung Mathy's Bedenken machte, sagte Mathy ruhig, „wir können warten". Es war damals weit schwerer als jetzt, auf journalistische Thätigkeit ein Hauswesen zu gründen; Mathy setzte das doch durch, und konnte nach der Vermählung seiner jungen Hausfrau einige hundert Gulden aufzeigen, die er für letzte Fälle zurückgelegt hatte. Auch äußere Hindernisse hatte die Verbindung. Schon war das Brautkleid fertig, der Brautkranz gewunden, da kam der Braut in Schwetzingen die Schreckensnachricht, daß Mathy in Karlsruhe ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/375>, abgerufen am 24.08.2024.