Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vielmehr nur auf eine Consöderation, aber allerdings auch auf vollständige
Vertreibung der Oestreicher. Als diese durch Villafranca vereitelt war, mochte
er der unitarischen Bewegung nicht entgegentreten, er ermuthigte sogar zur
preußischen Allianz, weil er dadurch sein Programm "frei bis zur Adria" er¬
füllt zu sehen hoffte, für das er selbst nicht wieder Krieg führen konnte.
Nachdem aber jetzt Oestreich wirklich ganz vertrieben, würde er sich schwerlich
übermäßig grämen, wenn Italien wieder zerfiele und sich in ein subalpinisches
Königreich, das päpstliche Gebiet und Neapel theilte.

Noch spricht man in Se. Cloud für die Einheit Italiens, aber man
denkt bereits wie Thiers, der ja auch nicht verlangt, daß man Krieg erkläre,
aber arglistig hinzusetzt, es werde nicht Frankreichs Schuld sein, wenn sich
die verblendete Nation auf die Spitze seines Schwertes stürze! Die Legiti-
misten und Anhänger der vertriebenen Fürsten schöpfen wieder Muth, schon
sollen dem römischen Stuhl sranzösischerseits Aussichten auf Erweiterung seines
jetzigen Gebietes gemacht worden sein, falls jene Dreitheilung eintrete. Daß
es zu derselben komme, welche allerdings allein ein päpstliches Regiment ohne
fremde Besatzung möglich macht, ist nicht unmöglich, jedenfalls aber wird
dies nicht ohne einen großen Kampf geschehen, bei dem die Italiener schwer¬
lich allein stehen dürften.

Und hier kommt das deutsche Interesse in Frage. Die Politik von
Thiers gegen Italien geht ebensowohl gegen Preußen, man wagt nur nicht,
dem Starken dasselbe zu bieten, wie dem Schwachen. "Kein Souverän
sollte an seinen Grenzen die Bildung eines Staates von 25 Millionen
fördern", ruft der Bewunderer Nichelieus, er will wohl die einmal vollen¬
deten Thatsachen anerkennen, aber nicht weiter soll sich die Flut ergießen;
Frankreichs Beruf ist es, die kleineren Staaten zu schützen, Rouher deutet
an, daß die Langmuth des Kaisers ein Ende haben könne, Luxemburg sei
das erste Avertissement gewesen. Dies ist zugleich ein Wink nach Darmstadt,
Stuttgart und München, der dort wohl verstanden zu sein scheint, hatte doch
Herr von Beust von Paris zurückkehrend dort Station gemacht und die Ein¬
ladung zur Conferenz an die deutschen Mittelstaaten angekündigt, welche
zwischen Frankreich und Oestreich verabredet war. Herr von Dalwigk zeigte
sich als gelehriger Schüler, und auch bei Herrn von Varnbüler scheinen die
alten Sympathien wiedergekehrt, die Demonstration in der würtembergischen
Kammer gegen den Eintritt in den norddeutschen Bund war wohl vorbe¬
reitet. Aber auch die baierische Regierung hat nach Paris geantwortet, ohne
sich erst in Berlin zu benehmen, wie es schicklich und klug gewesen wäre.
Die wohlverdiente Lektion, welche Herr von Dalwigk erhielt, richtete sich also
ebenso sehr nicht nur nach Stuttgart und München, sondern auch nach Paris
und Wien. Man kann demnach nicht sagen, daß die italienische Krisis uns


vielmehr nur auf eine Consöderation, aber allerdings auch auf vollständige
Vertreibung der Oestreicher. Als diese durch Villafranca vereitelt war, mochte
er der unitarischen Bewegung nicht entgegentreten, er ermuthigte sogar zur
preußischen Allianz, weil er dadurch sein Programm „frei bis zur Adria" er¬
füllt zu sehen hoffte, für das er selbst nicht wieder Krieg führen konnte.
Nachdem aber jetzt Oestreich wirklich ganz vertrieben, würde er sich schwerlich
übermäßig grämen, wenn Italien wieder zerfiele und sich in ein subalpinisches
Königreich, das päpstliche Gebiet und Neapel theilte.

Noch spricht man in Se. Cloud für die Einheit Italiens, aber man
denkt bereits wie Thiers, der ja auch nicht verlangt, daß man Krieg erkläre,
aber arglistig hinzusetzt, es werde nicht Frankreichs Schuld sein, wenn sich
die verblendete Nation auf die Spitze seines Schwertes stürze! Die Legiti-
misten und Anhänger der vertriebenen Fürsten schöpfen wieder Muth, schon
sollen dem römischen Stuhl sranzösischerseits Aussichten auf Erweiterung seines
jetzigen Gebietes gemacht worden sein, falls jene Dreitheilung eintrete. Daß
es zu derselben komme, welche allerdings allein ein päpstliches Regiment ohne
fremde Besatzung möglich macht, ist nicht unmöglich, jedenfalls aber wird
dies nicht ohne einen großen Kampf geschehen, bei dem die Italiener schwer¬
lich allein stehen dürften.

Und hier kommt das deutsche Interesse in Frage. Die Politik von
Thiers gegen Italien geht ebensowohl gegen Preußen, man wagt nur nicht,
dem Starken dasselbe zu bieten, wie dem Schwachen. „Kein Souverän
sollte an seinen Grenzen die Bildung eines Staates von 25 Millionen
fördern", ruft der Bewunderer Nichelieus, er will wohl die einmal vollen¬
deten Thatsachen anerkennen, aber nicht weiter soll sich die Flut ergießen;
Frankreichs Beruf ist es, die kleineren Staaten zu schützen, Rouher deutet
an, daß die Langmuth des Kaisers ein Ende haben könne, Luxemburg sei
das erste Avertissement gewesen. Dies ist zugleich ein Wink nach Darmstadt,
Stuttgart und München, der dort wohl verstanden zu sein scheint, hatte doch
Herr von Beust von Paris zurückkehrend dort Station gemacht und die Ein¬
ladung zur Conferenz an die deutschen Mittelstaaten angekündigt, welche
zwischen Frankreich und Oestreich verabredet war. Herr von Dalwigk zeigte
sich als gelehriger Schüler, und auch bei Herrn von Varnbüler scheinen die
alten Sympathien wiedergekehrt, die Demonstration in der würtembergischen
Kammer gegen den Eintritt in den norddeutschen Bund war wohl vorbe¬
reitet. Aber auch die baierische Regierung hat nach Paris geantwortet, ohne
sich erst in Berlin zu benehmen, wie es schicklich und klug gewesen wäre.
Die wohlverdiente Lektion, welche Herr von Dalwigk erhielt, richtete sich also
ebenso sehr nicht nur nach Stuttgart und München, sondern auch nach Paris
und Wien. Man kann demnach nicht sagen, daß die italienische Krisis uns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117040"/>
          <p xml:id="ID_81" prev="#ID_80"> vielmehr nur auf eine Consöderation, aber allerdings auch auf vollständige<lb/>
Vertreibung der Oestreicher. Als diese durch Villafranca vereitelt war, mochte<lb/>
er der unitarischen Bewegung nicht entgegentreten, er ermuthigte sogar zur<lb/>
preußischen Allianz, weil er dadurch sein Programm &#x201E;frei bis zur Adria" er¬<lb/>
füllt zu sehen hoffte, für das er selbst nicht wieder Krieg führen konnte.<lb/>
Nachdem aber jetzt Oestreich wirklich ganz vertrieben, würde er sich schwerlich<lb/>
übermäßig grämen, wenn Italien wieder zerfiele und sich in ein subalpinisches<lb/>
Königreich, das päpstliche Gebiet und Neapel theilte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_82"> Noch spricht man in Se. Cloud für die Einheit Italiens, aber man<lb/>
denkt bereits wie Thiers, der ja auch nicht verlangt, daß man Krieg erkläre,<lb/>
aber arglistig hinzusetzt, es werde nicht Frankreichs Schuld sein, wenn sich<lb/>
die verblendete Nation auf die Spitze seines Schwertes stürze! Die Legiti-<lb/>
misten und Anhänger der vertriebenen Fürsten schöpfen wieder Muth, schon<lb/>
sollen dem römischen Stuhl sranzösischerseits Aussichten auf Erweiterung seines<lb/>
jetzigen Gebietes gemacht worden sein, falls jene Dreitheilung eintrete. Daß<lb/>
es zu derselben komme, welche allerdings allein ein päpstliches Regiment ohne<lb/>
fremde Besatzung möglich macht, ist nicht unmöglich, jedenfalls aber wird<lb/>
dies nicht ohne einen großen Kampf geschehen, bei dem die Italiener schwer¬<lb/>
lich allein stehen dürften.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_83" next="#ID_84"> Und hier kommt das deutsche Interesse in Frage. Die Politik von<lb/>
Thiers gegen Italien geht ebensowohl gegen Preußen, man wagt nur nicht,<lb/>
dem Starken dasselbe zu bieten, wie dem Schwachen. &#x201E;Kein Souverän<lb/>
sollte an seinen Grenzen die Bildung eines Staates von 25 Millionen<lb/>
fördern", ruft der Bewunderer Nichelieus, er will wohl die einmal vollen¬<lb/>
deten Thatsachen anerkennen, aber nicht weiter soll sich die Flut ergießen;<lb/>
Frankreichs Beruf ist es, die kleineren Staaten zu schützen, Rouher deutet<lb/>
an, daß die Langmuth des Kaisers ein Ende haben könne, Luxemburg sei<lb/>
das erste Avertissement gewesen. Dies ist zugleich ein Wink nach Darmstadt,<lb/>
Stuttgart und München, der dort wohl verstanden zu sein scheint, hatte doch<lb/>
Herr von Beust von Paris zurückkehrend dort Station gemacht und die Ein¬<lb/>
ladung zur Conferenz an die deutschen Mittelstaaten angekündigt, welche<lb/>
zwischen Frankreich und Oestreich verabredet war. Herr von Dalwigk zeigte<lb/>
sich als gelehriger Schüler, und auch bei Herrn von Varnbüler scheinen die<lb/>
alten Sympathien wiedergekehrt, die Demonstration in der würtembergischen<lb/>
Kammer gegen den Eintritt in den norddeutschen Bund war wohl vorbe¬<lb/>
reitet. Aber auch die baierische Regierung hat nach Paris geantwortet, ohne<lb/>
sich erst in Berlin zu benehmen, wie es schicklich und klug gewesen wäre.<lb/>
Die wohlverdiente Lektion, welche Herr von Dalwigk erhielt, richtete sich also<lb/>
ebenso sehr nicht nur nach Stuttgart und München, sondern auch nach Paris<lb/>
und Wien. Man kann demnach nicht sagen, daß die italienische Krisis uns</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0034] vielmehr nur auf eine Consöderation, aber allerdings auch auf vollständige Vertreibung der Oestreicher. Als diese durch Villafranca vereitelt war, mochte er der unitarischen Bewegung nicht entgegentreten, er ermuthigte sogar zur preußischen Allianz, weil er dadurch sein Programm „frei bis zur Adria" er¬ füllt zu sehen hoffte, für das er selbst nicht wieder Krieg führen konnte. Nachdem aber jetzt Oestreich wirklich ganz vertrieben, würde er sich schwerlich übermäßig grämen, wenn Italien wieder zerfiele und sich in ein subalpinisches Königreich, das päpstliche Gebiet und Neapel theilte. Noch spricht man in Se. Cloud für die Einheit Italiens, aber man denkt bereits wie Thiers, der ja auch nicht verlangt, daß man Krieg erkläre, aber arglistig hinzusetzt, es werde nicht Frankreichs Schuld sein, wenn sich die verblendete Nation auf die Spitze seines Schwertes stürze! Die Legiti- misten und Anhänger der vertriebenen Fürsten schöpfen wieder Muth, schon sollen dem römischen Stuhl sranzösischerseits Aussichten auf Erweiterung seines jetzigen Gebietes gemacht worden sein, falls jene Dreitheilung eintrete. Daß es zu derselben komme, welche allerdings allein ein päpstliches Regiment ohne fremde Besatzung möglich macht, ist nicht unmöglich, jedenfalls aber wird dies nicht ohne einen großen Kampf geschehen, bei dem die Italiener schwer¬ lich allein stehen dürften. Und hier kommt das deutsche Interesse in Frage. Die Politik von Thiers gegen Italien geht ebensowohl gegen Preußen, man wagt nur nicht, dem Starken dasselbe zu bieten, wie dem Schwachen. „Kein Souverän sollte an seinen Grenzen die Bildung eines Staates von 25 Millionen fördern", ruft der Bewunderer Nichelieus, er will wohl die einmal vollen¬ deten Thatsachen anerkennen, aber nicht weiter soll sich die Flut ergießen; Frankreichs Beruf ist es, die kleineren Staaten zu schützen, Rouher deutet an, daß die Langmuth des Kaisers ein Ende haben könne, Luxemburg sei das erste Avertissement gewesen. Dies ist zugleich ein Wink nach Darmstadt, Stuttgart und München, der dort wohl verstanden zu sein scheint, hatte doch Herr von Beust von Paris zurückkehrend dort Station gemacht und die Ein¬ ladung zur Conferenz an die deutschen Mittelstaaten angekündigt, welche zwischen Frankreich und Oestreich verabredet war. Herr von Dalwigk zeigte sich als gelehriger Schüler, und auch bei Herrn von Varnbüler scheinen die alten Sympathien wiedergekehrt, die Demonstration in der würtembergischen Kammer gegen den Eintritt in den norddeutschen Bund war wohl vorbe¬ reitet. Aber auch die baierische Regierung hat nach Paris geantwortet, ohne sich erst in Berlin zu benehmen, wie es schicklich und klug gewesen wäre. Die wohlverdiente Lektion, welche Herr von Dalwigk erhielt, richtete sich also ebenso sehr nicht nur nach Stuttgart und München, sondern auch nach Paris und Wien. Man kann demnach nicht sagen, daß die italienische Krisis uns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/34
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/34>, abgerufen am 01.07.2024.