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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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von solchen artigen Werkzeugen in seinem Wamms, das von Rechtswegen
eine Diebskutte heißen sollte/ -- Der Knappe führt ein neues Bild vor:
Ungarisches Haar und bairisches Gebahren, an den Ellenbogen lange Zipfel;
die Stiefeln sind wohl zu sehen; denn der Nock ist ganz unanständig kurz;
mit dem Aufschürzen braucht er sich freilich nicht zu bemühen. .Ein Kraut¬
junker' entgegnet der Ritter; wer den Esel nicht erkenne, der solle nur nach
den Ohren sehen. -- Noch mehr weiß der Knappe: einen vorn mit großem
Schöpf, hinten kurz geschoren, daß das Haar kaum einen Finger breit vor¬
guckt. Und doch hat er kein Landgut in Thüringen oder Sachsen;- auch ist
ihm nie in Meißen die Kornsaat verunglückt; denn nie kam er dahin. Rede
man ihn aber an, dann antworte er: "Wat wolt gi, halig Kumpan?" Ob
das wohl ein rechter Oestreicher, ein Ostermann sei? "El nein", ist die Ant¬
wort, "der mit seinem wat wat, mit seinem kurzen Kopf und langen Hals ist
eine rechte Ostergans.' --Nun aber kommt eine Figur, die der Dichter offenbar
mit besonderer Liebe gezeichnet hat. Vor dem Leithaus -- der Schänke -- steht
ein Knappe, im Wamms von Eisenringen, darüber einen Nock von feinem
pöltinger Tuch und hübschem Schnitt. Im breiten, etwas herabhängenden Gurt
steckt sein Daumen, die anderen Finger umspannen ein Misencar, ein Gnaden¬
messer. Die linke aber drückt auf den prächtig gezierten Griff des Fiambergs.
sodcch die Spitze hinten emporsieht. Eisenhandschuhe schützen beide Hände,
auch Hut und Gottler sind mit Eisen eingenäht. Dem Jüngling kommt die
Wirthin entgegen, die er um Wein anspricht, indem er unter Flüchen be¬
theuert, alles bezahlen zu wollen, und wenn er's seinem Vater stehlen müßte.
.Was denkt ihr, Frau? Ich bin nicht arm. Mein frommer Knecht, der
Wolfesdarm") zieht grad' ein Thier in euren Stall, -- Hätt' ich die Wahl
der Hengste all, ich nähm' nicht drei für den allein. Seht, ob der kräftig
wol mag sein! Ein Fallthor brach' vor seinem Schnauben; und wenn, das
sollt ihr gern mir glauben, der Himmel auf die Erde siel, ich fürchtet' nicht
'nen Pappenstiel das Rumpeln: Denn er flog' dazwischen hindurch und sollt'
mit mir entwischen/ Derweile kommt der andere Knappe, Geierskropf, der
soeben vom Essen aufgestanden ist und sich nun ein's Trinken begibt. ,Frau
Wirthin, bringt den Leuten Wein!' rief Geierskropf, der wackre Zecher.
Sie bracht' ihm einen vollen Becher, den sog er in den Schlund hinein-'
Welch gute Kehle ist doch meine! Was da für Dings hinunterfährt und
mir vom Leib den Mangel wehrt!' Und als nun die Frau dem Herrn die
Unersättlichkeit der Knechte klagt, bestätigt das Wolfesdarm: ,So krank möcht'
ich noch niemals sein, ich zaust' euch doch ein Ochsenbein wie einen kleinen



") Dieser Name wie so manches andere läßt vermuthen, daß der Dichter das nähre vom
Meier Helmbrecht gekannt habe.

von solchen artigen Werkzeugen in seinem Wamms, das von Rechtswegen
eine Diebskutte heißen sollte/ — Der Knappe führt ein neues Bild vor:
Ungarisches Haar und bairisches Gebahren, an den Ellenbogen lange Zipfel;
die Stiefeln sind wohl zu sehen; denn der Nock ist ganz unanständig kurz;
mit dem Aufschürzen braucht er sich freilich nicht zu bemühen. .Ein Kraut¬
junker' entgegnet der Ritter; wer den Esel nicht erkenne, der solle nur nach
den Ohren sehen. — Noch mehr weiß der Knappe: einen vorn mit großem
Schöpf, hinten kurz geschoren, daß das Haar kaum einen Finger breit vor¬
guckt. Und doch hat er kein Landgut in Thüringen oder Sachsen;- auch ist
ihm nie in Meißen die Kornsaat verunglückt; denn nie kam er dahin. Rede
man ihn aber an, dann antworte er: „Wat wolt gi, halig Kumpan?" Ob
das wohl ein rechter Oestreicher, ein Ostermann sei? „El nein", ist die Ant¬
wort, „der mit seinem wat wat, mit seinem kurzen Kopf und langen Hals ist
eine rechte Ostergans.' —Nun aber kommt eine Figur, die der Dichter offenbar
mit besonderer Liebe gezeichnet hat. Vor dem Leithaus — der Schänke — steht
ein Knappe, im Wamms von Eisenringen, darüber einen Nock von feinem
pöltinger Tuch und hübschem Schnitt. Im breiten, etwas herabhängenden Gurt
steckt sein Daumen, die anderen Finger umspannen ein Misencar, ein Gnaden¬
messer. Die linke aber drückt auf den prächtig gezierten Griff des Fiambergs.
sodcch die Spitze hinten emporsieht. Eisenhandschuhe schützen beide Hände,
auch Hut und Gottler sind mit Eisen eingenäht. Dem Jüngling kommt die
Wirthin entgegen, die er um Wein anspricht, indem er unter Flüchen be¬
theuert, alles bezahlen zu wollen, und wenn er's seinem Vater stehlen müßte.
.Was denkt ihr, Frau? Ich bin nicht arm. Mein frommer Knecht, der
Wolfesdarm") zieht grad' ein Thier in euren Stall, — Hätt' ich die Wahl
der Hengste all, ich nähm' nicht drei für den allein. Seht, ob der kräftig
wol mag sein! Ein Fallthor brach' vor seinem Schnauben; und wenn, das
sollt ihr gern mir glauben, der Himmel auf die Erde siel, ich fürchtet' nicht
'nen Pappenstiel das Rumpeln: Denn er flog' dazwischen hindurch und sollt'
mit mir entwischen/ Derweile kommt der andere Knappe, Geierskropf, der
soeben vom Essen aufgestanden ist und sich nun ein's Trinken begibt. ,Frau
Wirthin, bringt den Leuten Wein!' rief Geierskropf, der wackre Zecher.
Sie bracht' ihm einen vollen Becher, den sog er in den Schlund hinein-'
Welch gute Kehle ist doch meine! Was da für Dings hinunterfährt und
mir vom Leib den Mangel wehrt!' Und als nun die Frau dem Herrn die
Unersättlichkeit der Knechte klagt, bestätigt das Wolfesdarm: ,So krank möcht'
ich noch niemals sein, ich zaust' euch doch ein Ochsenbein wie einen kleinen



") Dieser Name wie so manches andere läßt vermuthen, daß der Dichter das nähre vom
Meier Helmbrecht gekannt habe.
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[0336] von solchen artigen Werkzeugen in seinem Wamms, das von Rechtswegen eine Diebskutte heißen sollte/ — Der Knappe führt ein neues Bild vor: Ungarisches Haar und bairisches Gebahren, an den Ellenbogen lange Zipfel; die Stiefeln sind wohl zu sehen; denn der Nock ist ganz unanständig kurz; mit dem Aufschürzen braucht er sich freilich nicht zu bemühen. .Ein Kraut¬ junker' entgegnet der Ritter; wer den Esel nicht erkenne, der solle nur nach den Ohren sehen. — Noch mehr weiß der Knappe: einen vorn mit großem Schöpf, hinten kurz geschoren, daß das Haar kaum einen Finger breit vor¬ guckt. Und doch hat er kein Landgut in Thüringen oder Sachsen;- auch ist ihm nie in Meißen die Kornsaat verunglückt; denn nie kam er dahin. Rede man ihn aber an, dann antworte er: „Wat wolt gi, halig Kumpan?" Ob das wohl ein rechter Oestreicher, ein Ostermann sei? „El nein", ist die Ant¬ wort, „der mit seinem wat wat, mit seinem kurzen Kopf und langen Hals ist eine rechte Ostergans.' —Nun aber kommt eine Figur, die der Dichter offenbar mit besonderer Liebe gezeichnet hat. Vor dem Leithaus — der Schänke — steht ein Knappe, im Wamms von Eisenringen, darüber einen Nock von feinem pöltinger Tuch und hübschem Schnitt. Im breiten, etwas herabhängenden Gurt steckt sein Daumen, die anderen Finger umspannen ein Misencar, ein Gnaden¬ messer. Die linke aber drückt auf den prächtig gezierten Griff des Fiambergs. sodcch die Spitze hinten emporsieht. Eisenhandschuhe schützen beide Hände, auch Hut und Gottler sind mit Eisen eingenäht. Dem Jüngling kommt die Wirthin entgegen, die er um Wein anspricht, indem er unter Flüchen be¬ theuert, alles bezahlen zu wollen, und wenn er's seinem Vater stehlen müßte. .Was denkt ihr, Frau? Ich bin nicht arm. Mein frommer Knecht, der Wolfesdarm") zieht grad' ein Thier in euren Stall, — Hätt' ich die Wahl der Hengste all, ich nähm' nicht drei für den allein. Seht, ob der kräftig wol mag sein! Ein Fallthor brach' vor seinem Schnauben; und wenn, das sollt ihr gern mir glauben, der Himmel auf die Erde siel, ich fürchtet' nicht 'nen Pappenstiel das Rumpeln: Denn er flog' dazwischen hindurch und sollt' mit mir entwischen/ Derweile kommt der andere Knappe, Geierskropf, der soeben vom Essen aufgestanden ist und sich nun ein's Trinken begibt. ,Frau Wirthin, bringt den Leuten Wein!' rief Geierskropf, der wackre Zecher. Sie bracht' ihm einen vollen Becher, den sog er in den Schlund hinein-' Welch gute Kehle ist doch meine! Was da für Dings hinunterfährt und mir vom Leib den Mangel wehrt!' Und als nun die Frau dem Herrn die Unersättlichkeit der Knechte klagt, bestätigt das Wolfesdarm: ,So krank möcht' ich noch niemals sein, ich zaust' euch doch ein Ochsenbein wie einen kleinen ") Dieser Name wie so manches andere läßt vermuthen, daß der Dichter das nähre vom Meier Helmbrecht gekannt habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/336>, abgerufen am 24.08.2024.