Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.Rabenswald soll hundert Reiter bringen, die von Kunringen dreihundert, Schwieriger war es, den Wünschen des Dichters, der damit gewiß die Greifen wir eine dieser Schilderungen heraus, die nicht sowohl das Ver¬ Rabenswald soll hundert Reiter bringen, die von Kunringen dreihundert, Schwieriger war es, den Wünschen des Dichters, der damit gewiß die Greifen wir eine dieser Schilderungen heraus, die nicht sowohl das Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117337"/> <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913"> Rabenswald soll hundert Reiter bringen, die von Kunringen dreihundert,<lb/> der Marschall von Meissau zweihundert u. s. f. Der eine wird gemahnt,<lb/> sich nun dem Herzog dasür dankbar zu erweisen, daß er den Haug von<lb/> Taufers vertrieben habe; denn vor dem wäre ihm doch nichts übrig geblieben.<lb/> Ein anderer muß sich daran erinnern lassen, daß er keine Kinder habe, und<lb/> wie habe vor Zeiten der Dichter Bernhard Freidank kurz und gut gesagt?<lb/> »Wer seine Wittwe viel läßt erben, macht, daß sie desto mehr umwerben."</p><lb/> <p xml:id="ID_915"> Schwieriger war es, den Wünschen des Dichters, der damit gewiß die<lb/> Meinung aller Redlichen aussprach, in einem andern Punkte gerecht zu wer¬<lb/> den. Das Raubritterwesen hatte während des Interregnums unter dem<lb/> Deckmantel der politischen Fehden furchtbar überhandgenommen. Sowohl<lb/> die friedlichen und schutzlosen Landleute wurden beraubt und gequält, als auch<lb/> die Waarenzüge der Städter geplündert und ihre Führer zur Erpressung von<lb/> Lösegeld eingekerkert. Kaum ein Zeitgenosse gibt uns von diesem Unglück<lb/> und dieser Schmach so glührothe Bilder als unser Dichter. Und wer will<lb/> es ihm verdenken, wenn er vor allem den Herzog anklagte, der dieser ent¬<lb/> setzlichen Landplage zu steuern habe?</p><lb/> <p xml:id="ID_916" next="#ID_917"> Greifen wir eine dieser Schilderungen heraus, die nicht sowohl das Ver¬<lb/> derbliche, Verbrecherische dieses Treibens mit Entrüstung geißelt, als viel¬<lb/> mehr die Verkommenheit der Raubritter und ihrer Helfershelfer verhöhnt.<lb/> Diese Schilderung findet sich in einem Gedicht (XIII), das sich für den Brief<lb/> eines fahrenden Spielmanns an seinen Collegen ausgibt: der Briefsteller,<lb/> der übrigens als nun schon verstorben bezeichnet wird, heißt Seifried Helb-<lb/> ling, der andere Julian. Beide werden als KovegumpsImM d. h. Hofpossen¬<lb/> reißer bezeichnet — ein wenig ehrenvoller Titel; aber die Selbstbekenntnisse<lb/> Seifried Helblings rechtfertigen ihn durchaus. Sie zeigen, daß Ritter und<lb/> Sänger, die der Beginn des dreizehnten Jahrhunderts nach gleich idealer<lb/> Höhe strebend gesehen, am Ende desselben Jahrhunderts beide schon ebenso<lb/> tief gesunken waren. Der Dichter versteht es, diesen Wechsel in das rechte<lb/> Licht zu setzen. Er läßt seinen Briefschreiber damit beginnen, daß er nun<lb/> alt und hinfällig sei. und was noch schlimmer, daß er die besten, die nach<lb/> hohen Ehren strebenden überlebt habe. Nun folgt eine Aufzählung der<lb/> östreichischen Edeln aus der letzten Zeit der Babenberger. Da werden die<lb/> von Hardeck genannt, die im Jahre 1260 den Heldentod bei der Vertheidi¬<lb/> gung der Landesgrenze gegen die Ungarn gefunden hatten. Dagegen, sagt<lb/> Seifried Helbling, müssen selbst die gefeierten Helden der Tafelrunde zurück¬<lb/> stehn. Welche Muster von Ritterschaft waren das, Kot und Kraft von<lb/> Sleunz. die Kunringer Heinrich Hadamar Alber, Rapot von Valkenstein,<lb/> und wie sie weiter heißen. Wo ihre Wappenschilde glänzten, zwölf Striche<lb/> zobelschwarz und lichtgolden, oder das Einhorn, oder der Löwe, da ward</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
Rabenswald soll hundert Reiter bringen, die von Kunringen dreihundert,
der Marschall von Meissau zweihundert u. s. f. Der eine wird gemahnt,
sich nun dem Herzog dasür dankbar zu erweisen, daß er den Haug von
Taufers vertrieben habe; denn vor dem wäre ihm doch nichts übrig geblieben.
Ein anderer muß sich daran erinnern lassen, daß er keine Kinder habe, und
wie habe vor Zeiten der Dichter Bernhard Freidank kurz und gut gesagt?
»Wer seine Wittwe viel läßt erben, macht, daß sie desto mehr umwerben."
Schwieriger war es, den Wünschen des Dichters, der damit gewiß die
Meinung aller Redlichen aussprach, in einem andern Punkte gerecht zu wer¬
den. Das Raubritterwesen hatte während des Interregnums unter dem
Deckmantel der politischen Fehden furchtbar überhandgenommen. Sowohl
die friedlichen und schutzlosen Landleute wurden beraubt und gequält, als auch
die Waarenzüge der Städter geplündert und ihre Führer zur Erpressung von
Lösegeld eingekerkert. Kaum ein Zeitgenosse gibt uns von diesem Unglück
und dieser Schmach so glührothe Bilder als unser Dichter. Und wer will
es ihm verdenken, wenn er vor allem den Herzog anklagte, der dieser ent¬
setzlichen Landplage zu steuern habe?
Greifen wir eine dieser Schilderungen heraus, die nicht sowohl das Ver¬
derbliche, Verbrecherische dieses Treibens mit Entrüstung geißelt, als viel¬
mehr die Verkommenheit der Raubritter und ihrer Helfershelfer verhöhnt.
Diese Schilderung findet sich in einem Gedicht (XIII), das sich für den Brief
eines fahrenden Spielmanns an seinen Collegen ausgibt: der Briefsteller,
der übrigens als nun schon verstorben bezeichnet wird, heißt Seifried Helb-
ling, der andere Julian. Beide werden als KovegumpsImM d. h. Hofpossen¬
reißer bezeichnet — ein wenig ehrenvoller Titel; aber die Selbstbekenntnisse
Seifried Helblings rechtfertigen ihn durchaus. Sie zeigen, daß Ritter und
Sänger, die der Beginn des dreizehnten Jahrhunderts nach gleich idealer
Höhe strebend gesehen, am Ende desselben Jahrhunderts beide schon ebenso
tief gesunken waren. Der Dichter versteht es, diesen Wechsel in das rechte
Licht zu setzen. Er läßt seinen Briefschreiber damit beginnen, daß er nun
alt und hinfällig sei. und was noch schlimmer, daß er die besten, die nach
hohen Ehren strebenden überlebt habe. Nun folgt eine Aufzählung der
östreichischen Edeln aus der letzten Zeit der Babenberger. Da werden die
von Hardeck genannt, die im Jahre 1260 den Heldentod bei der Vertheidi¬
gung der Landesgrenze gegen die Ungarn gefunden hatten. Dagegen, sagt
Seifried Helbling, müssen selbst die gefeierten Helden der Tafelrunde zurück¬
stehn. Welche Muster von Ritterschaft waren das, Kot und Kraft von
Sleunz. die Kunringer Heinrich Hadamar Alber, Rapot von Valkenstein,
und wie sie weiter heißen. Wo ihre Wappenschilde glänzten, zwölf Striche
zobelschwarz und lichtgolden, oder das Einhorn, oder der Löwe, da ward
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