Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nur zusammenraffen könnten. Ja, auch die Damen am fürstlichen Hose gehen
nicht leer aus. Da sei die Schwester des von Helfenstein, eine alte karge
Schwäbin, die leihe Pfenninge aus, um dafür eine Mark zu nehmen, und
kaufe Weizen und Korn auf, um es zu behalten, bis etwa ein theures Jahr
komme. Natürlich werden auch die Geistlichen nicht geschont: der Abt von
Admont, der Ordensbrecher, der in die Hölle fahren solle. Und endlich die
weltlichen Räthe des Herzogs. Das seien nur vier, und zwei von ihnen
noch dazu bei dem ungarischen Grafen Iwan von Güssing in Gefangenschaft.
Wenn die ganze Gesellschaft in den Schmutz versänke, dann wäre noch zu
wünschen, daß sie das Wasser nicht unlauter machten. Des klagt das arme
Oestreich, zum ersten, zweiten und dritten Mal und verwünscht zuletzt den
König selbst in ganz unehrerbietig derbem Ausdruck.

Man kann nicht leugnen, bittrer, ja frecher konnte ein Unterthan nicht
von seinem Fürsten reden. Aber es ist auch das schlimmste. Es ist der
letzte, volle Ausbruch der Unzufriedenheit, die das straffe Auftreten der
Habsburger und ganz besonders des Herzogs Albrecht in Oestreich hervor¬
gerufen hatte. Sah sich schon Rudolph genöthigt, die Steuer des Böhmen¬
königs doppelt zu erheben, so wurde nun zweierlei als besonders drückend,
ja als unerträglich empfunden. Einmal, daß es die Fremden, die Schwaben
waren, die die besten Stellen im Lande erhielten, und sodann, was uns als
gewichtiger erscheinen wird, daß man bei all dem durchgreifenden, hochbe¬
steuernden Regiment weder von der furchtbaren Pestbeule jener Zeit, dem
Raubritterthum befreit ward, noch auch Schutz gegen außen, vor allem gegen
die grausamen Verheerungen der Ungarn hatte. Dies letzte sollte aber bald
anders werden. Im Jahr 1289 sammelte Albrecht ein gewaltiges Heer und
brach in Ungarn ein. Graf Iwan von Güssing, der an den Landesgrenzen
auf einer ausgedehnten und fast ganz unabhängigen Herrschaft saß und von
da aus die deutschen Nachbarn unaufhörlich beunruhigte, wurde angegriffen,
eines feiner Raubnester nach dem andern fiel, die Städte, darunter Preßburg
wurden von den wiener Bürgern für ihren Herrn besetzt gehalten. Zwar
waren diese Erfolge keine bleibenden; denn König Andreas, der bald darauf
den ungarischen Thron bestieg, siel, von dem patriotisch erregten Adel ge¬
trieben, 1291 mit zahllosen Neiterschaaren in Oestreich ein, belagerte selbst
Wien; aber der noch am Ende des Jahres geschlossene Friede, der dem Grafen
Iwan sein Gebiet zurückgab, nöthigte ihn zugleich, seine Burgen zu brechen.

Mit dem Ungarnzug Albrechts änderte sich auch die Stimmung unseres
Dichters. In einem Gedichte (VI). das er. die Samenunge d. h. die Ver¬
sammlung des Heeres genannt hat, fordert er die vornehmen Dienstmannen
auf, ihr großes Gut anzugreifen und mit zahlreicher Ritterschaft auf dem
Sammelplatz zu erscheinen. Da werden die einzelnen geschätzt, der Herr von


nur zusammenraffen könnten. Ja, auch die Damen am fürstlichen Hose gehen
nicht leer aus. Da sei die Schwester des von Helfenstein, eine alte karge
Schwäbin, die leihe Pfenninge aus, um dafür eine Mark zu nehmen, und
kaufe Weizen und Korn auf, um es zu behalten, bis etwa ein theures Jahr
komme. Natürlich werden auch die Geistlichen nicht geschont: der Abt von
Admont, der Ordensbrecher, der in die Hölle fahren solle. Und endlich die
weltlichen Räthe des Herzogs. Das seien nur vier, und zwei von ihnen
noch dazu bei dem ungarischen Grafen Iwan von Güssing in Gefangenschaft.
Wenn die ganze Gesellschaft in den Schmutz versänke, dann wäre noch zu
wünschen, daß sie das Wasser nicht unlauter machten. Des klagt das arme
Oestreich, zum ersten, zweiten und dritten Mal und verwünscht zuletzt den
König selbst in ganz unehrerbietig derbem Ausdruck.

Man kann nicht leugnen, bittrer, ja frecher konnte ein Unterthan nicht
von seinem Fürsten reden. Aber es ist auch das schlimmste. Es ist der
letzte, volle Ausbruch der Unzufriedenheit, die das straffe Auftreten der
Habsburger und ganz besonders des Herzogs Albrecht in Oestreich hervor¬
gerufen hatte. Sah sich schon Rudolph genöthigt, die Steuer des Böhmen¬
königs doppelt zu erheben, so wurde nun zweierlei als besonders drückend,
ja als unerträglich empfunden. Einmal, daß es die Fremden, die Schwaben
waren, die die besten Stellen im Lande erhielten, und sodann, was uns als
gewichtiger erscheinen wird, daß man bei all dem durchgreifenden, hochbe¬
steuernden Regiment weder von der furchtbaren Pestbeule jener Zeit, dem
Raubritterthum befreit ward, noch auch Schutz gegen außen, vor allem gegen
die grausamen Verheerungen der Ungarn hatte. Dies letzte sollte aber bald
anders werden. Im Jahr 1289 sammelte Albrecht ein gewaltiges Heer und
brach in Ungarn ein. Graf Iwan von Güssing, der an den Landesgrenzen
auf einer ausgedehnten und fast ganz unabhängigen Herrschaft saß und von
da aus die deutschen Nachbarn unaufhörlich beunruhigte, wurde angegriffen,
eines feiner Raubnester nach dem andern fiel, die Städte, darunter Preßburg
wurden von den wiener Bürgern für ihren Herrn besetzt gehalten. Zwar
waren diese Erfolge keine bleibenden; denn König Andreas, der bald darauf
den ungarischen Thron bestieg, siel, von dem patriotisch erregten Adel ge¬
trieben, 1291 mit zahllosen Neiterschaaren in Oestreich ein, belagerte selbst
Wien; aber der noch am Ende des Jahres geschlossene Friede, der dem Grafen
Iwan sein Gebiet zurückgab, nöthigte ihn zugleich, seine Burgen zu brechen.

Mit dem Ungarnzug Albrechts änderte sich auch die Stimmung unseres
Dichters. In einem Gedichte (VI). das er. die Samenunge d. h. die Ver¬
sammlung des Heeres genannt hat, fordert er die vornehmen Dienstmannen
auf, ihr großes Gut anzugreifen und mit zahlreicher Ritterschaft auf dem
Sammelplatz zu erscheinen. Da werden die einzelnen geschätzt, der Herr von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117336"/>
          <p xml:id="ID_911" prev="#ID_910"> nur zusammenraffen könnten. Ja, auch die Damen am fürstlichen Hose gehen<lb/>
nicht leer aus. Da sei die Schwester des von Helfenstein, eine alte karge<lb/>
Schwäbin, die leihe Pfenninge aus, um dafür eine Mark zu nehmen, und<lb/>
kaufe Weizen und Korn auf, um es zu behalten, bis etwa ein theures Jahr<lb/>
komme. Natürlich werden auch die Geistlichen nicht geschont: der Abt von<lb/>
Admont, der Ordensbrecher, der in die Hölle fahren solle. Und endlich die<lb/>
weltlichen Räthe des Herzogs. Das seien nur vier, und zwei von ihnen<lb/>
noch dazu bei dem ungarischen Grafen Iwan von Güssing in Gefangenschaft.<lb/>
Wenn die ganze Gesellschaft in den Schmutz versänke, dann wäre noch zu<lb/>
wünschen, daß sie das Wasser nicht unlauter machten. Des klagt das arme<lb/>
Oestreich, zum ersten, zweiten und dritten Mal und verwünscht zuletzt den<lb/>
König selbst in ganz unehrerbietig derbem Ausdruck.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_912"> Man kann nicht leugnen, bittrer, ja frecher konnte ein Unterthan nicht<lb/>
von seinem Fürsten reden. Aber es ist auch das schlimmste. Es ist der<lb/>
letzte, volle Ausbruch der Unzufriedenheit, die das straffe Auftreten der<lb/>
Habsburger und ganz besonders des Herzogs Albrecht in Oestreich hervor¬<lb/>
gerufen hatte. Sah sich schon Rudolph genöthigt, die Steuer des Böhmen¬<lb/>
königs doppelt zu erheben, so wurde nun zweierlei als besonders drückend,<lb/>
ja als unerträglich empfunden. Einmal, daß es die Fremden, die Schwaben<lb/>
waren, die die besten Stellen im Lande erhielten, und sodann, was uns als<lb/>
gewichtiger erscheinen wird, daß man bei all dem durchgreifenden, hochbe¬<lb/>
steuernden Regiment weder von der furchtbaren Pestbeule jener Zeit, dem<lb/>
Raubritterthum befreit ward, noch auch Schutz gegen außen, vor allem gegen<lb/>
die grausamen Verheerungen der Ungarn hatte. Dies letzte sollte aber bald<lb/>
anders werden. Im Jahr 1289 sammelte Albrecht ein gewaltiges Heer und<lb/>
brach in Ungarn ein. Graf Iwan von Güssing, der an den Landesgrenzen<lb/>
auf einer ausgedehnten und fast ganz unabhängigen Herrschaft saß und von<lb/>
da aus die deutschen Nachbarn unaufhörlich beunruhigte, wurde angegriffen,<lb/>
eines feiner Raubnester nach dem andern fiel, die Städte, darunter Preßburg<lb/>
wurden von den wiener Bürgern für ihren Herrn besetzt gehalten. Zwar<lb/>
waren diese Erfolge keine bleibenden; denn König Andreas, der bald darauf<lb/>
den ungarischen Thron bestieg, siel, von dem patriotisch erregten Adel ge¬<lb/>
trieben, 1291 mit zahllosen Neiterschaaren in Oestreich ein, belagerte selbst<lb/>
Wien; aber der noch am Ende des Jahres geschlossene Friede, der dem Grafen<lb/>
Iwan sein Gebiet zurückgab, nöthigte ihn zugleich, seine Burgen zu brechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Mit dem Ungarnzug Albrechts änderte sich auch die Stimmung unseres<lb/>
Dichters. In einem Gedichte (VI). das er. die Samenunge d. h. die Ver¬<lb/>
sammlung des Heeres genannt hat, fordert er die vornehmen Dienstmannen<lb/>
auf, ihr großes Gut anzugreifen und mit zahlreicher Ritterschaft auf dem<lb/>
Sammelplatz zu erscheinen. Da werden die einzelnen geschätzt, der Herr von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] nur zusammenraffen könnten. Ja, auch die Damen am fürstlichen Hose gehen nicht leer aus. Da sei die Schwester des von Helfenstein, eine alte karge Schwäbin, die leihe Pfenninge aus, um dafür eine Mark zu nehmen, und kaufe Weizen und Korn auf, um es zu behalten, bis etwa ein theures Jahr komme. Natürlich werden auch die Geistlichen nicht geschont: der Abt von Admont, der Ordensbrecher, der in die Hölle fahren solle. Und endlich die weltlichen Räthe des Herzogs. Das seien nur vier, und zwei von ihnen noch dazu bei dem ungarischen Grafen Iwan von Güssing in Gefangenschaft. Wenn die ganze Gesellschaft in den Schmutz versänke, dann wäre noch zu wünschen, daß sie das Wasser nicht unlauter machten. Des klagt das arme Oestreich, zum ersten, zweiten und dritten Mal und verwünscht zuletzt den König selbst in ganz unehrerbietig derbem Ausdruck. Man kann nicht leugnen, bittrer, ja frecher konnte ein Unterthan nicht von seinem Fürsten reden. Aber es ist auch das schlimmste. Es ist der letzte, volle Ausbruch der Unzufriedenheit, die das straffe Auftreten der Habsburger und ganz besonders des Herzogs Albrecht in Oestreich hervor¬ gerufen hatte. Sah sich schon Rudolph genöthigt, die Steuer des Böhmen¬ königs doppelt zu erheben, so wurde nun zweierlei als besonders drückend, ja als unerträglich empfunden. Einmal, daß es die Fremden, die Schwaben waren, die die besten Stellen im Lande erhielten, und sodann, was uns als gewichtiger erscheinen wird, daß man bei all dem durchgreifenden, hochbe¬ steuernden Regiment weder von der furchtbaren Pestbeule jener Zeit, dem Raubritterthum befreit ward, noch auch Schutz gegen außen, vor allem gegen die grausamen Verheerungen der Ungarn hatte. Dies letzte sollte aber bald anders werden. Im Jahr 1289 sammelte Albrecht ein gewaltiges Heer und brach in Ungarn ein. Graf Iwan von Güssing, der an den Landesgrenzen auf einer ausgedehnten und fast ganz unabhängigen Herrschaft saß und von da aus die deutschen Nachbarn unaufhörlich beunruhigte, wurde angegriffen, eines feiner Raubnester nach dem andern fiel, die Städte, darunter Preßburg wurden von den wiener Bürgern für ihren Herrn besetzt gehalten. Zwar waren diese Erfolge keine bleibenden; denn König Andreas, der bald darauf den ungarischen Thron bestieg, siel, von dem patriotisch erregten Adel ge¬ trieben, 1291 mit zahllosen Neiterschaaren in Oestreich ein, belagerte selbst Wien; aber der noch am Ende des Jahres geschlossene Friede, der dem Grafen Iwan sein Gebiet zurückgab, nöthigte ihn zugleich, seine Burgen zu brechen. Mit dem Ungarnzug Albrechts änderte sich auch die Stimmung unseres Dichters. In einem Gedichte (VI). das er. die Samenunge d. h. die Ver¬ sammlung des Heeres genannt hat, fordert er die vornehmen Dienstmannen auf, ihr großes Gut anzugreifen und mit zahlreicher Ritterschaft auf dem Sammelplatz zu erscheinen. Da werden die einzelnen geschätzt, der Herr von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/332>, abgerufen am 05.02.2025.