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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Franken Lira nennt, der Grieche Drachme, so mögen England bei dem So-
vereign, Nordamerika bei dem Dollar oder Eagle, Südamerika bei der Du¬
blone bleiben, auch wenn sie den Werth dieser Goldstücke auf eine bestimmte
Anzahl Franken ohne Bruch herab- oder hinaussetzen. Auch uns Deutschen
also wird nicht nothwendig zugemuthet. wenn wir uns dem Kerne eines
werdenden Weltmünzsystems anschließen wollen, inskünftig? nach Francs und
Centimes oder mindestens nach Franken und Cents zu rechnen. Wir mögen
die Stücke Mark und Pfennige nennen, oder wie wir sonst wollen. Ja es
ist vielleicht nicht einmal nöthig, gerade den Franken als silberne Haupt¬
münze zu adoptiren, um einer Union beizutreten, die in den Multiplen des
goldnen Fünffrankenstücks ihr Symbol findet.

Die Entscheidung dieser secundären Frage wird zum Theil wohl, so
sonderbar es klingen mag, von Englands Entschlüssen und Oestreichs Thaten
abhängen. In letzterm Reich, das gleich Rußland und Nordamerika, und
aus gleichen Gründen wie diese ebenfalls an entwertetem Papiergeld leiden¬
den Länder den pariser Münzeinigungsplänen auf der Basis des Gold,
frankensystems das regste Interesse entgegengetragen hat, ist nämlich die Idee
aufgetaucht, die Brücke vom Silberguldensystem zum Goldfrankensystem in
einem neuen Goldgulden zu suchen, der, wenn auch in Silber geprägt, genau
als der zehnte Theil eines goldenen Zehnguldenstückes ausgegeben würde und
umliefe. Das Zehnguldenstück wäre gleich fünfundzwanzig Franken in Gold,
gleich dem englischen Sovereign, wenn derselbe um zwei Pence, und dem
amerikanischen Fünfdollarstück oder Halfeagle, wenn dasselbe um siebzehn Cents
herabgesetzt würde. Nun ist es klar, daß, wenn Oestreich und England uns
mit einer solchen leichten und unschädlichen Modifikation des Frankensystems
demnächst in die Mitte nähmen, wir sehr aufgelegt sein könnten, uns dieser
anzuschließen, und nicht dem Originalsystem. Unsere Thaler, Zehn- und Fünf¬
groschenstücke würden sich ihr bequem genug anpassen, dürften also, als
Scheidemünze behandelt, fortcirculiren; an dem Goldgulden (oder einfach Gul¬
den) hätten wir nicht nur einen bekannten Namen, sondern auch eine ge¬
wohnte Größe für die silberne Hauptmünze und Rechnungseinheit; das
kleinste kupferne Stück endlich, der heutige östreichische Neukreuzer, würde
handlicher und den herrschenden kleinsten Preisen angemessener sein, als der
etwas allzu kleine und factisch kaum gebrauchte französische Centime. Aber
freilich, einstweilen thut diese Alternative sich noch nicht vor uns auf. Ame¬
rika zwar rüstet sich offenbar, das Fünfundzwanzigfrankenstück zum Mittel-
Punkt seines Systems zu machen; schon hat der Vorsitzende des Finanzaus¬
schusses im Senat zu Washington, John Sherman, einen dahingehender An¬
trag eingebracht. Aber während man in der Ferne handelt, sitzen in der
Nähe die einen gezwungen und die andern freiwillig still. Oestreich, das im


Franken Lira nennt, der Grieche Drachme, so mögen England bei dem So-
vereign, Nordamerika bei dem Dollar oder Eagle, Südamerika bei der Du¬
blone bleiben, auch wenn sie den Werth dieser Goldstücke auf eine bestimmte
Anzahl Franken ohne Bruch herab- oder hinaussetzen. Auch uns Deutschen
also wird nicht nothwendig zugemuthet. wenn wir uns dem Kerne eines
werdenden Weltmünzsystems anschließen wollen, inskünftig? nach Francs und
Centimes oder mindestens nach Franken und Cents zu rechnen. Wir mögen
die Stücke Mark und Pfennige nennen, oder wie wir sonst wollen. Ja es
ist vielleicht nicht einmal nöthig, gerade den Franken als silberne Haupt¬
münze zu adoptiren, um einer Union beizutreten, die in den Multiplen des
goldnen Fünffrankenstücks ihr Symbol findet.

Die Entscheidung dieser secundären Frage wird zum Theil wohl, so
sonderbar es klingen mag, von Englands Entschlüssen und Oestreichs Thaten
abhängen. In letzterm Reich, das gleich Rußland und Nordamerika, und
aus gleichen Gründen wie diese ebenfalls an entwertetem Papiergeld leiden¬
den Länder den pariser Münzeinigungsplänen auf der Basis des Gold,
frankensystems das regste Interesse entgegengetragen hat, ist nämlich die Idee
aufgetaucht, die Brücke vom Silberguldensystem zum Goldfrankensystem in
einem neuen Goldgulden zu suchen, der, wenn auch in Silber geprägt, genau
als der zehnte Theil eines goldenen Zehnguldenstückes ausgegeben würde und
umliefe. Das Zehnguldenstück wäre gleich fünfundzwanzig Franken in Gold,
gleich dem englischen Sovereign, wenn derselbe um zwei Pence, und dem
amerikanischen Fünfdollarstück oder Halfeagle, wenn dasselbe um siebzehn Cents
herabgesetzt würde. Nun ist es klar, daß, wenn Oestreich und England uns
mit einer solchen leichten und unschädlichen Modifikation des Frankensystems
demnächst in die Mitte nähmen, wir sehr aufgelegt sein könnten, uns dieser
anzuschließen, und nicht dem Originalsystem. Unsere Thaler, Zehn- und Fünf¬
groschenstücke würden sich ihr bequem genug anpassen, dürften also, als
Scheidemünze behandelt, fortcirculiren; an dem Goldgulden (oder einfach Gul¬
den) hätten wir nicht nur einen bekannten Namen, sondern auch eine ge¬
wohnte Größe für die silberne Hauptmünze und Rechnungseinheit; das
kleinste kupferne Stück endlich, der heutige östreichische Neukreuzer, würde
handlicher und den herrschenden kleinsten Preisen angemessener sein, als der
etwas allzu kleine und factisch kaum gebrauchte französische Centime. Aber
freilich, einstweilen thut diese Alternative sich noch nicht vor uns auf. Ame¬
rika zwar rüstet sich offenbar, das Fünfundzwanzigfrankenstück zum Mittel-
Punkt seines Systems zu machen; schon hat der Vorsitzende des Finanzaus¬
schusses im Senat zu Washington, John Sherman, einen dahingehender An¬
trag eingebracht. Aber während man in der Ferne handelt, sitzen in der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/309>, abgerufen am 22.07.2024.