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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Magistrate und Bankverwaltungen nicht mehr respectirt. Noch viel unan¬
genehmer, weil durch Gewöhnung nicht so leicht abzustumpfen, ist die Wider¬
wärtigkeit des verschiedenartigen Silber- und Kupfergeldes. Diese vor allem
drängt mit Gewalt auf Umwandlung hin.

Einer solchen bietet nun die Verfassung des norddeutschen Bundes die
werthvollste Handhabe. Allerdings steht in ihr nicht wie in der nordameri¬
kanischen Unionsacte geschrieben: "Kein Einzelstaat darf Münzen schlagen."
Allein sie zieht das Münzwesen in die Competenz der Bundesgewalt herein,
und so hängt es nur von dieser ab, wieviel Spielraum sie der verhängniß-
v vilen Zersplitterung der Souveränetät in Münzsachen, die Deutschland so
unübersehbare Nachtheile bereitet hat, noch lassen will. Man darf wohl
zuversichtlich annehmen: gar keinen. Sobald Bundesrath und Reichstag ein¬
mal darüber kommen, wird es ebenso geschwind und für immer aus sein
mit dem Münzregal der Einzelstaaten, das ohnehin seit Jahren schon durch
Münzverträge in Fesseln geschlagen war, wenn auch noch nicht in unlös¬
bare, -- wie mit seiner bitteren Frucht, dem Chaos der herrschenden
Münzsysteme.

Einheit jedoch innerhalb des norddeutschen Bundes ist uns nicht genug.
Wir begehren eine ganz Deutschland umfassende Münzeinheit. Es ist daher
wünschenswerth, daß das Münzwesen bald in die Competenzsphäre des Zoll¬
parlaments und des dazu gehörigen erweiterten Bundesraths aufgenommen
werde, -- eine Vervollständigung der neuen Zollverträge, die den widerstre¬
benden Mächten im Süden leichter abzuringen sein wird als manche andere,
weil der Süden ein noch viel ausgeprägteres Interesse als der Norden
daran hat, daß das Münzwesen von den gesetzgebenden Körperschaften Ge-
sammtdeutschlands, nicht nur von denjenigen Norddeutschlands geordnet
werdi'.

Eine Regelung für den Norden allein, müssen die Süddeutschen sich
sagen, könnte leicht in eine bloße Befestigung des jetzigen preußischen Systems
und Auslöschung der noch vorhandenen Verschiedenheiten in der Einheit dieses
vornehmsten und mächtigsten unter den bestehenden Systemen ausschlagen.
Wenn auch neuere Ereignisse und Erfahrungen, namentlich die dem Kriege
von 1866 voraufgehende Finanzkrisis in Berlin der Idee des Uebergangs
zur Goldwährung einflußreiche Vertreter gewonnen haben, an denen es früher
so gut wie gänzlich fehlte, so ist andrerseits doch in den breiteren Schichten
der Bevölkerung, die eigentlich politischen Kreise eingeschlossen, das Gefühl
für die Nothwendigkeit einer Aenderung im Ganzen noch so wenig geweckt,
daß es gegen die unleugbaren Beschwerlichkeiten jeder solcher Aenderung
kaum wird aufkommen können. Im täglichen Leben merkt man von der
Unzulänglichkeit des bestehenden Münzwesens ja eben nicht viel. An das


Magistrate und Bankverwaltungen nicht mehr respectirt. Noch viel unan¬
genehmer, weil durch Gewöhnung nicht so leicht abzustumpfen, ist die Wider¬
wärtigkeit des verschiedenartigen Silber- und Kupfergeldes. Diese vor allem
drängt mit Gewalt auf Umwandlung hin.

Einer solchen bietet nun die Verfassung des norddeutschen Bundes die
werthvollste Handhabe. Allerdings steht in ihr nicht wie in der nordameri¬
kanischen Unionsacte geschrieben: „Kein Einzelstaat darf Münzen schlagen."
Allein sie zieht das Münzwesen in die Competenz der Bundesgewalt herein,
und so hängt es nur von dieser ab, wieviel Spielraum sie der verhängniß-
v vilen Zersplitterung der Souveränetät in Münzsachen, die Deutschland so
unübersehbare Nachtheile bereitet hat, noch lassen will. Man darf wohl
zuversichtlich annehmen: gar keinen. Sobald Bundesrath und Reichstag ein¬
mal darüber kommen, wird es ebenso geschwind und für immer aus sein
mit dem Münzregal der Einzelstaaten, das ohnehin seit Jahren schon durch
Münzverträge in Fesseln geschlagen war, wenn auch noch nicht in unlös¬
bare, — wie mit seiner bitteren Frucht, dem Chaos der herrschenden
Münzsysteme.

Einheit jedoch innerhalb des norddeutschen Bundes ist uns nicht genug.
Wir begehren eine ganz Deutschland umfassende Münzeinheit. Es ist daher
wünschenswerth, daß das Münzwesen bald in die Competenzsphäre des Zoll¬
parlaments und des dazu gehörigen erweiterten Bundesraths aufgenommen
werde, — eine Vervollständigung der neuen Zollverträge, die den widerstre¬
benden Mächten im Süden leichter abzuringen sein wird als manche andere,
weil der Süden ein noch viel ausgeprägteres Interesse als der Norden
daran hat, daß das Münzwesen von den gesetzgebenden Körperschaften Ge-
sammtdeutschlands, nicht nur von denjenigen Norddeutschlands geordnet
werdi'.

Eine Regelung für den Norden allein, müssen die Süddeutschen sich
sagen, könnte leicht in eine bloße Befestigung des jetzigen preußischen Systems
und Auslöschung der noch vorhandenen Verschiedenheiten in der Einheit dieses
vornehmsten und mächtigsten unter den bestehenden Systemen ausschlagen.
Wenn auch neuere Ereignisse und Erfahrungen, namentlich die dem Kriege
von 1866 voraufgehende Finanzkrisis in Berlin der Idee des Uebergangs
zur Goldwährung einflußreiche Vertreter gewonnen haben, an denen es früher
so gut wie gänzlich fehlte, so ist andrerseits doch in den breiteren Schichten
der Bevölkerung, die eigentlich politischen Kreise eingeschlossen, das Gefühl
für die Nothwendigkeit einer Aenderung im Ganzen noch so wenig geweckt,
daß es gegen die unleugbaren Beschwerlichkeiten jeder solcher Aenderung
kaum wird aufkommen können. Im täglichen Leben merkt man von der
Unzulänglichkeit des bestehenden Münzwesens ja eben nicht viel. An das


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[0306] Magistrate und Bankverwaltungen nicht mehr respectirt. Noch viel unan¬ genehmer, weil durch Gewöhnung nicht so leicht abzustumpfen, ist die Wider¬ wärtigkeit des verschiedenartigen Silber- und Kupfergeldes. Diese vor allem drängt mit Gewalt auf Umwandlung hin. Einer solchen bietet nun die Verfassung des norddeutschen Bundes die werthvollste Handhabe. Allerdings steht in ihr nicht wie in der nordameri¬ kanischen Unionsacte geschrieben: „Kein Einzelstaat darf Münzen schlagen." Allein sie zieht das Münzwesen in die Competenz der Bundesgewalt herein, und so hängt es nur von dieser ab, wieviel Spielraum sie der verhängniß- v vilen Zersplitterung der Souveränetät in Münzsachen, die Deutschland so unübersehbare Nachtheile bereitet hat, noch lassen will. Man darf wohl zuversichtlich annehmen: gar keinen. Sobald Bundesrath und Reichstag ein¬ mal darüber kommen, wird es ebenso geschwind und für immer aus sein mit dem Münzregal der Einzelstaaten, das ohnehin seit Jahren schon durch Münzverträge in Fesseln geschlagen war, wenn auch noch nicht in unlös¬ bare, — wie mit seiner bitteren Frucht, dem Chaos der herrschenden Münzsysteme. Einheit jedoch innerhalb des norddeutschen Bundes ist uns nicht genug. Wir begehren eine ganz Deutschland umfassende Münzeinheit. Es ist daher wünschenswerth, daß das Münzwesen bald in die Competenzsphäre des Zoll¬ parlaments und des dazu gehörigen erweiterten Bundesraths aufgenommen werde, — eine Vervollständigung der neuen Zollverträge, die den widerstre¬ benden Mächten im Süden leichter abzuringen sein wird als manche andere, weil der Süden ein noch viel ausgeprägteres Interesse als der Norden daran hat, daß das Münzwesen von den gesetzgebenden Körperschaften Ge- sammtdeutschlands, nicht nur von denjenigen Norddeutschlands geordnet werdi'. Eine Regelung für den Norden allein, müssen die Süddeutschen sich sagen, könnte leicht in eine bloße Befestigung des jetzigen preußischen Systems und Auslöschung der noch vorhandenen Verschiedenheiten in der Einheit dieses vornehmsten und mächtigsten unter den bestehenden Systemen ausschlagen. Wenn auch neuere Ereignisse und Erfahrungen, namentlich die dem Kriege von 1866 voraufgehende Finanzkrisis in Berlin der Idee des Uebergangs zur Goldwährung einflußreiche Vertreter gewonnen haben, an denen es früher so gut wie gänzlich fehlte, so ist andrerseits doch in den breiteren Schichten der Bevölkerung, die eigentlich politischen Kreise eingeschlossen, das Gefühl für die Nothwendigkeit einer Aenderung im Ganzen noch so wenig geweckt, daß es gegen die unleugbaren Beschwerlichkeiten jeder solcher Aenderung kaum wird aufkommen können. Im täglichen Leben merkt man von der Unzulänglichkeit des bestehenden Münzwesens ja eben nicht viel. An das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/306>, abgerufen am 22.07.2024.