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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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zog von Marlborough, als er vor einigen Wochen in Leipzig gewesen, hat
sein Quartier in diesem genommen. Man findet auch immer viel vornehme
Leute darin spatzieren, unter Anderen habe ich etliche Male den kaiserlichen
Ambassadeur Grafen v, Zinzendorf und den hannoverschen v. Oberg da
gesehen. Der Bose'sche Garten ist auch besehenswerth, namentlich die Oran¬
gerie, welche was Rares und Kostbares ist.

Der König August von Polen war auch die Messe über nebst seinen
besten Garden und Trabanten, welche alle prächtig montirt waren, präsent
und logirte wie gewöhnlich bei Herrn Appel am Markt. Er speiste dann
und wann öffentlich, sodaß man in die Zimmer hineingehen und zusehen
konnte, wie ich auch das Glück hatte, ihn tafeln zu sehen. Er war über alle
Maßen freundlich und sah einen jedweden sehr gnädig an, führte sich sehr
propre in Kleidern und war mit seinen Hofleuten sehr familiär und freund¬
lich. Er ist einigemale vom König von Schweden in Leipzig auf ein halbes
Stündchen besucht worden und hat auch dem König in seinem Quartier
wieder die Visite gegeben.

Man erzählt sich vom Könige von Polen allerlei schnurrige Dinge.
So fiel es ihm vor zwei Jahren ein, mit einem nur geringen Gefolge die
leipziger Messe zu besuchen und möglichst unerkannt auf der Reise zu bleiben.
Als er vor Leipzig kommt, bricht sein Wagen und er muß aussteigen. Da
kommt aber ein Bauer auf einem kleinen Pferd angeritten, wobei sich der
König kurz resolviret, den Bauer anhält, ihm ein gutes Stück Geld anbietet
und sich nach abgeschlossenen Handel auf die Mähre setzt. Ganz allein
sprengt er nun in vollem Galopp nach Leipzig hinein und niemand er-
kannte in dem Reiter den König und so kam er unerkannt vor das Appel-
sche Haus.

Des Herrn Bürgermeisters Roman Haus ist das schönste und köstlichste
in ganz Leipzig; darnach das des Herrn Grafen von Bose. Dann die
Börse, das Rathhaus, Tuchhaus, Auerbachs Hof, wo die besten Galanterien
zu sehen, Joachimsthal, wo die Lerchen mit einem guten Trunk Wein
bei Musique der Bergleute gut schmecken, dann das Accise- und Posthaus.
Die Universität ist die stärkste in ganz Deutschland, besonders von den Ju¬
risten ' besucht.

Den 8. May fuhren die meisten Handelsleute wieder nach Bremen
zurück. Dann folgte auch der Herr Oheim v. Post, ich aber blieb, nachdem
die Cöthen'schen Freunde gebeten, mit ihnen zu gehen. Der Herr Vetter
Weigel hatte auch zu dem Ende seinen polnischen Klepper in Leipzig ge¬
lassen, um den 9. nebst noch etlichen anderen Herren nach Bernburg zu
reisen, welches wir auch thaten und um 3 Uhr Nachmittags aus Leipzig
ritten und um 7 Uhr in Landsberg ankamen. Unterwegs hatten, wir ein


zog von Marlborough, als er vor einigen Wochen in Leipzig gewesen, hat
sein Quartier in diesem genommen. Man findet auch immer viel vornehme
Leute darin spatzieren, unter Anderen habe ich etliche Male den kaiserlichen
Ambassadeur Grafen v, Zinzendorf und den hannoverschen v. Oberg da
gesehen. Der Bose'sche Garten ist auch besehenswerth, namentlich die Oran¬
gerie, welche was Rares und Kostbares ist.

Der König August von Polen war auch die Messe über nebst seinen
besten Garden und Trabanten, welche alle prächtig montirt waren, präsent
und logirte wie gewöhnlich bei Herrn Appel am Markt. Er speiste dann
und wann öffentlich, sodaß man in die Zimmer hineingehen und zusehen
konnte, wie ich auch das Glück hatte, ihn tafeln zu sehen. Er war über alle
Maßen freundlich und sah einen jedweden sehr gnädig an, führte sich sehr
propre in Kleidern und war mit seinen Hofleuten sehr familiär und freund¬
lich. Er ist einigemale vom König von Schweden in Leipzig auf ein halbes
Stündchen besucht worden und hat auch dem König in seinem Quartier
wieder die Visite gegeben.

Man erzählt sich vom Könige von Polen allerlei schnurrige Dinge.
So fiel es ihm vor zwei Jahren ein, mit einem nur geringen Gefolge die
leipziger Messe zu besuchen und möglichst unerkannt auf der Reise zu bleiben.
Als er vor Leipzig kommt, bricht sein Wagen und er muß aussteigen. Da
kommt aber ein Bauer auf einem kleinen Pferd angeritten, wobei sich der
König kurz resolviret, den Bauer anhält, ihm ein gutes Stück Geld anbietet
und sich nach abgeschlossenen Handel auf die Mähre setzt. Ganz allein
sprengt er nun in vollem Galopp nach Leipzig hinein und niemand er-
kannte in dem Reiter den König und so kam er unerkannt vor das Appel-
sche Haus.

Des Herrn Bürgermeisters Roman Haus ist das schönste und köstlichste
in ganz Leipzig; darnach das des Herrn Grafen von Bose. Dann die
Börse, das Rathhaus, Tuchhaus, Auerbachs Hof, wo die besten Galanterien
zu sehen, Joachimsthal, wo die Lerchen mit einem guten Trunk Wein
bei Musique der Bergleute gut schmecken, dann das Accise- und Posthaus.
Die Universität ist die stärkste in ganz Deutschland, besonders von den Ju¬
risten ' besucht.

Den 8. May fuhren die meisten Handelsleute wieder nach Bremen
zurück. Dann folgte auch der Herr Oheim v. Post, ich aber blieb, nachdem
die Cöthen'schen Freunde gebeten, mit ihnen zu gehen. Der Herr Vetter
Weigel hatte auch zu dem Ende seinen polnischen Klepper in Leipzig ge¬
lassen, um den 9. nebst noch etlichen anderen Herren nach Bernburg zu
reisen, welches wir auch thaten und um 3 Uhr Nachmittags aus Leipzig
ritten und um 7 Uhr in Landsberg ankamen. Unterwegs hatten, wir ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/282>, abgerufen am 01.07.2024.