Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.Roussillon kam und sich ihm vorstellte, ob es ihm gefalle, daß er als Junker Roussillon kam und sich ihm vorstellte, ob es ihm gefalle, daß er als Junker <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117269"/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696" next="#ID_698"> Roussillon kam und sich ihm vorstellte, ob es ihm gefalle, daß er als Junker<lb/> an seinem Hofe bleiben sollte. Herr Rcnrnon, welcher sah, daß er schön und<lb/> höflich war, und dem er von guter Art zu sein schien, sagte ihm, daß er<lb/> willkommen sei. So blieb er bei ihm und benahm sich so wohl, daß groß<lb/> und klein ihn lieb gewann. Und er wußte sich so hervorzuthun, daß Rai-<lb/> mon ihn zum Pagen der Dame Margarita. seiner Gattin machte. Alsdann<lb/> suchte Guillen sich in Wort und That immer mehr zu vervollkommnen.<lb/> Aber wie es bei der Liebe zu geschehen pflegt, so kam es, daß die Liebe das<lb/> Herz der Dame Margarita mit Sturm nehmen wollte und sie entflammte<lb/> ihre Gedanken; so sehr gefiel ihr Guillems Wesen und seine Worte und<lb/> seine Erscheinung, daß sie sich nicht halten konnte und ihm eines Tages<lb/> sagte: „Sage mir Guillen, wenn eine Dame Dir Liebe zeigte, würdest Du<lb/> wagen, sie wieder zu lieben?" Guillen, der wohl merkte, wie sie es meinte,<lb/> antwortete ganz unbefangen: „Gewiß, Herrin, wenn ich wüßte, daß ihr Be¬<lb/> nehmen aufrichtig sei." — „Bei Sanct Johann" — sagte die Dame — „Du<lb/> hast gut und nach Weise eines wackern Mannes geantwortet, aber jetzt will<lb/> ich Dich prüfen, ob Du zu erkennen vermagst, welches Benehmen treu gemeint<lb/> sei und welches nicht." Und Guillen sprach: „O Herrin, es geschehe, wie<lb/> es Euch gefällt!" Und er fing an nachzudenken und alsbald erregte die<lb/> Liebe in ihm widerstreitende Gefühle und es drangen in die Tiefe seines<lb/> Herzens die Gedanken, welche Liebe ihm sandte, und von nun an war er<lb/> ein treuer Diener der Liebe und begann artige und galante Strophen zu<lb/> dichten und gewinnende Lieder zu singen zur größten Freude seiner Dame.<lb/> Und die Liebe, welche ihren Dienern gnädig ist, wollte ihn belohnen. Sie<lb/> bezwang die Dame so ganz mit sehnsüchtigen Gedanken, daß sie Tag und<lb/> Nacht nicht aufhören konnte, über die Trefflichkeit, welche Guillen so oft<lb/> bewährt hatte, nachzusinnen. Eines Tags rief sie ihn zu sich und sprach zu<lb/> ihm: „Guillen, hast Du nun an meinem Benehmen gemerkt, ob es treu ge¬<lb/> meint sei oder trügerisch?" Und er erwiderte: „Herrin, so wahr mir Gott<lb/> helfe, seit der Stunde, wo ich Euer Diener wurde, ist kein Gedanke in mein<lb/> Herz gekommen, als daß Ihr die beste seid, die jemals geboren wurde und<lb/> die wahrhaftigste in Wort und Benehmen. So glaube ich und werde es<lb/> all mein Leben glauben." Die Dame aber antwortete: „Guillen, ich sage<lb/> Dir. so mir Gott gnädig sei, durch mich sollst Du nie getäuscht werden, noch<lb/> sollen Deine Gedanken unbelohnt bleiben." Sie öffnete ihre Arme und um¬<lb/> fing ihn sanft in der Kammer, wo beide beieinander saßen; und so begannen<lb/> sie ihre Liebschaft. Aber es dauerte nicht lange, daß die Angeber, die Gott<lb/> haßt, von ihrer Liebe zu reden ansingen, und aus den Canzonen, welche<lb/> Guillen machte, erriethen, daß er sich mit der Dame Margarita verstände.<lb/> Sie sprachen so lange hin und her, bis es zu den Ohren des Herrn Raimon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Roussillon kam und sich ihm vorstellte, ob es ihm gefalle, daß er als Junker
an seinem Hofe bleiben sollte. Herr Rcnrnon, welcher sah, daß er schön und
höflich war, und dem er von guter Art zu sein schien, sagte ihm, daß er
willkommen sei. So blieb er bei ihm und benahm sich so wohl, daß groß
und klein ihn lieb gewann. Und er wußte sich so hervorzuthun, daß Rai-
mon ihn zum Pagen der Dame Margarita. seiner Gattin machte. Alsdann
suchte Guillen sich in Wort und That immer mehr zu vervollkommnen.
Aber wie es bei der Liebe zu geschehen pflegt, so kam es, daß die Liebe das
Herz der Dame Margarita mit Sturm nehmen wollte und sie entflammte
ihre Gedanken; so sehr gefiel ihr Guillems Wesen und seine Worte und
seine Erscheinung, daß sie sich nicht halten konnte und ihm eines Tages
sagte: „Sage mir Guillen, wenn eine Dame Dir Liebe zeigte, würdest Du
wagen, sie wieder zu lieben?" Guillen, der wohl merkte, wie sie es meinte,
antwortete ganz unbefangen: „Gewiß, Herrin, wenn ich wüßte, daß ihr Be¬
nehmen aufrichtig sei." — „Bei Sanct Johann" — sagte die Dame — „Du
hast gut und nach Weise eines wackern Mannes geantwortet, aber jetzt will
ich Dich prüfen, ob Du zu erkennen vermagst, welches Benehmen treu gemeint
sei und welches nicht." Und Guillen sprach: „O Herrin, es geschehe, wie
es Euch gefällt!" Und er fing an nachzudenken und alsbald erregte die
Liebe in ihm widerstreitende Gefühle und es drangen in die Tiefe seines
Herzens die Gedanken, welche Liebe ihm sandte, und von nun an war er
ein treuer Diener der Liebe und begann artige und galante Strophen zu
dichten und gewinnende Lieder zu singen zur größten Freude seiner Dame.
Und die Liebe, welche ihren Dienern gnädig ist, wollte ihn belohnen. Sie
bezwang die Dame so ganz mit sehnsüchtigen Gedanken, daß sie Tag und
Nacht nicht aufhören konnte, über die Trefflichkeit, welche Guillen so oft
bewährt hatte, nachzusinnen. Eines Tags rief sie ihn zu sich und sprach zu
ihm: „Guillen, hast Du nun an meinem Benehmen gemerkt, ob es treu ge¬
meint sei oder trügerisch?" Und er erwiderte: „Herrin, so wahr mir Gott
helfe, seit der Stunde, wo ich Euer Diener wurde, ist kein Gedanke in mein
Herz gekommen, als daß Ihr die beste seid, die jemals geboren wurde und
die wahrhaftigste in Wort und Benehmen. So glaube ich und werde es
all mein Leben glauben." Die Dame aber antwortete: „Guillen, ich sage
Dir. so mir Gott gnädig sei, durch mich sollst Du nie getäuscht werden, noch
sollen Deine Gedanken unbelohnt bleiben." Sie öffnete ihre Arme und um¬
fing ihn sanft in der Kammer, wo beide beieinander saßen; und so begannen
sie ihre Liebschaft. Aber es dauerte nicht lange, daß die Angeber, die Gott
haßt, von ihrer Liebe zu reden ansingen, und aus den Canzonen, welche
Guillen machte, erriethen, daß er sich mit der Dame Margarita verstände.
Sie sprachen so lange hin und her, bis es zu den Ohren des Herrn Raimon
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