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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Unglück und Verluste nicht gehemmt, schiert Bertram den Haß, immer aufs
neue hetzt er die Brüder gegeneinander, ruft er die mächtigen Barone zum
Kampfe gegen des Lehnsherrn drückende Gewalt.

Als Freund und Rathgeber des "jungen Königs", wie der älteste Sohn
Heinrichs II. genannt wird, war er die Haupttriebfeder aller Empörungen
und Kriege, welche dieser tapfere und von allen Zeitgenossen hochgepriesene
Fürst gegen den Vater und den Bruder Richard Löwenherz erregte. Bertram
gesteht selbst, daß er den Kampf blos des Kampfes wegen liebe, ja daß ihm
derselbe nöthiges Bedürfniß des Lebens sei. Eines seiner mächtigen Sirven-
tese schließt, mit den Worten:


Nicht solche Wonne flößt mir ein
Schlaf, Speis' und Trank, als wenn es schallt
Von beiden Seiten: drauf! hinein!
Und leerer Pferde Wiehern hallt
Laut aus des Waldes Schatten,
Und Hilferuf die Freunde weckt,
Und Groß und Klein schon dicht bedeckt
Des Grases grüne Matten,
Und mancher liegt dcchingestreckt,
Dem noch der Schaft im Busen steckt.

Dante, welcher den Dichternamen Bertrams hoch erhebt, läßt ihn im
Inferno mit seinem vom Rumpf getrennten Haupte in der Hand seufzend
einherwandeln, weil er im Leben den Sohn vom Vater, seinem natürlichen
Haupte getrennt. Dem gegenüber ist es billig, hier noch einen Zug aus
Bertrams Leben mitzutheilen, der ihn auch von einer milderen Seite zeigt
und zugleich auf das Uebergewicht, welches sein großartiger Charakter ihm
auch über siegende Feinde verlieh, ein Helles Licht wirft. Ich folge der
einfachen Erzählung der Handschriften möglichst getreu. -- Der junge König
Heinrich war gestorben und Bertram durch den Verlust des treuen Freundes
in die äußerste Betrübniß versetzt, welcher Stimmung wir sein herrliches
Klagelied auf den Tod des jungen Helden verdanken. Zu dieser Trauer
kam noch die härteste äußere Bedrängniß. Heinrich II. hielt ihn in seiner
Feste Autafort eng umschlossen und nach tapferer Gegenwehr wurde dieselbe
mit Sturm genommen. "Bertram -- so fährt die Lebensnachricht fort
wurde mit allen den Seinigen zum Zelte des König Heinrich geführt. Der
König empfing ihn sehr übel und sprach zu ihm: "Bertram, Bertram, Ihr
habt oft gesagt, daß nicht die Hälfte Eures Verstandes Euch Noth thäte zu
keiner Zeit, aber wisset, daß Ihr ihn jetzt wohl ganz nöthig hättet." "Herr/
erwiderte Bertram -- "es ist richtig, daß ich dieses gesagt habe, und ich
habe die Wahrheit gesprochen." "So habt Ihr ihn nun verloren," sprach der


Unglück und Verluste nicht gehemmt, schiert Bertram den Haß, immer aufs
neue hetzt er die Brüder gegeneinander, ruft er die mächtigen Barone zum
Kampfe gegen des Lehnsherrn drückende Gewalt.

Als Freund und Rathgeber des „jungen Königs", wie der älteste Sohn
Heinrichs II. genannt wird, war er die Haupttriebfeder aller Empörungen
und Kriege, welche dieser tapfere und von allen Zeitgenossen hochgepriesene
Fürst gegen den Vater und den Bruder Richard Löwenherz erregte. Bertram
gesteht selbst, daß er den Kampf blos des Kampfes wegen liebe, ja daß ihm
derselbe nöthiges Bedürfniß des Lebens sei. Eines seiner mächtigen Sirven-
tese schließt, mit den Worten:


Nicht solche Wonne flößt mir ein
Schlaf, Speis' und Trank, als wenn es schallt
Von beiden Seiten: drauf! hinein!
Und leerer Pferde Wiehern hallt
Laut aus des Waldes Schatten,
Und Hilferuf die Freunde weckt,
Und Groß und Klein schon dicht bedeckt
Des Grases grüne Matten,
Und mancher liegt dcchingestreckt,
Dem noch der Schaft im Busen steckt.

Dante, welcher den Dichternamen Bertrams hoch erhebt, läßt ihn im
Inferno mit seinem vom Rumpf getrennten Haupte in der Hand seufzend
einherwandeln, weil er im Leben den Sohn vom Vater, seinem natürlichen
Haupte getrennt. Dem gegenüber ist es billig, hier noch einen Zug aus
Bertrams Leben mitzutheilen, der ihn auch von einer milderen Seite zeigt
und zugleich auf das Uebergewicht, welches sein großartiger Charakter ihm
auch über siegende Feinde verlieh, ein Helles Licht wirft. Ich folge der
einfachen Erzählung der Handschriften möglichst getreu. — Der junge König
Heinrich war gestorben und Bertram durch den Verlust des treuen Freundes
in die äußerste Betrübniß versetzt, welcher Stimmung wir sein herrliches
Klagelied auf den Tod des jungen Helden verdanken. Zu dieser Trauer
kam noch die härteste äußere Bedrängniß. Heinrich II. hielt ihn in seiner
Feste Autafort eng umschlossen und nach tapferer Gegenwehr wurde dieselbe
mit Sturm genommen. „Bertram — so fährt die Lebensnachricht fort
wurde mit allen den Seinigen zum Zelte des König Heinrich geführt. Der
König empfing ihn sehr übel und sprach zu ihm: „Bertram, Bertram, Ihr
habt oft gesagt, daß nicht die Hälfte Eures Verstandes Euch Noth thäte zu
keiner Zeit, aber wisset, daß Ihr ihn jetzt wohl ganz nöthig hättet." „Herr/
erwiderte Bertram — „es ist richtig, daß ich dieses gesagt habe, und ich
habe die Wahrheit gesprochen." „So habt Ihr ihn nun verloren," sprach der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/260>, abgerufen am 22.07.2024.