Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.zugung einer Provinz vor der andern, weder um das Prinzip provinzieller Wichtiger als das Verhältniß der Conservativen ist uns das, welches zugung einer Provinz vor der andern, weder um das Prinzip provinzieller Wichtiger als das Verhältniß der Conservativen ist uns das, welches <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117260"/> <p xml:id="ID_675" prev="#ID_674"> zugung einer Provinz vor der andern, weder um das Prinzip provinzieller<lb/> Selbstverwaltung für die neue Provinz, noch um eine Anwendung desselben<lb/> auf die übrigen Theile des Staates, sondern darum, inwieweit die Ord¬<lb/> nungen des alten preußischen Staats für den neuen deutschen<lb/> Staat maßgebend sein sollen. Wäre die abgestandene Phraseologie<lb/> vergangener Tage auf die veränderten Verhältnisse der Gegenwart anwendbar,<lb/> wir würden sagen, es handelte sich darum, ob Deutschland in Preußen aufgehen<lb/> oder Preußen mit Deutschland zu einem neuen Staatsorganismus verbunden<lb/> werden sollte. Nur aus der vollen Bedeutung dieser Alternative, deren sich<lb/> ein großer Theil der Landtagsglieder wenigstens instinctw bewußt gewesen<lb/> ist, läßt sich die ungeheure Rolle erklären, welche die Debatten der vorigen<lb/> Februarwoche im preußischen Parlament und in unserm öffentlichen Leben ge¬<lb/> spielt haben. Es hilft nichts, dieselbe zu maskiren und durch den Hinweis auf<lb/> die untergeordnete Bedeutung des Verwendungsmodus einer halben Million<lb/> Thaler zu verkleinern, oder sich über die verhängnißvollen Wirkungen der¬<lb/> selben durch die Thatsache der Zersetzung der conservativen Partei zu trösten,<lb/> — unter der einen oder der andern Form wird dieselbe Frage noch häufig<lb/> wiederkehren und ohne ihre prinzipielle Entscheidung ist jeder Versuch zu einer<lb/> heilsamen Reorganisation der Verwaltung in den neuen Provinzen vergeblich,<lb/> von ihrer glücklichen Lösung ist die Zukunft der gesammten deutschen Frage<lb/> wesentlich mitbedingt. Hätte sichs wirklich nur darum gehandelt, den Anfang für<lb/> die Selbstverwaltung der Provinzen in Hannover zu machen, ein Conflict, wie<lb/> der gegenwärtig zwischen der Regierung und den Conservativen ausgebrochene<lb/> wäre unmöglich, die Bewilligung jener Summe für hannoverische Provinzial-<lb/> zwecke eine bloße «zuestiou Ac Aal<z gewesen, das Ministerium hätte den Kar-<lb/> dorffschen Antrag nicht als das kleinere von zwei vorhandenen Uebeln, sondern<lb/> mit voller Seele angenommen. Nur weil die rechte Seite des Abgeordneten¬<lb/> hauses durchsehen ließ, daß sie dem Grafen Bismarck auf der Bahn der Con¬<lb/> cessionen an außerpreußische Eigenthümlichkeiten überhaupt nicht folgen wolle,<lb/> hat der Ministerpräsident mit ihr gebrochen; eine einmalige Versagung des<lb/> Gehorsams wäre nimmermehr ausreichend gewesen, Verbindungen von so lang¬<lb/> jähriger Dauer zu lösen, wie es die zwischen dem Grafen Bismarck und den<lb/> Conservativen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_676" next="#ID_677"> Wichtiger als das Verhältniß der Conservativen ist uns das, welches<lb/> die Mittelparteien, welches vor allem die nationalliberale Fraction zu<lb/> dem in Rede stehenden Gegenstande eingenommen haben, denn die Aus¬<lb/> sicht auf ihre Unterstützung liegt dem Ministerium am nächsten, wenn dieses<lb/> die Verbindung mit den 118 Mitgliedern der Rechten wirklich aufgibt; wird<lb/> uns doch seit Monaten versichert, im Schooße dieser Mittelparteien ruhe die<lb/> Zukunft Deutschlands und Preußens. Von den vier Fractionen, welche zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
zugung einer Provinz vor der andern, weder um das Prinzip provinzieller
Selbstverwaltung für die neue Provinz, noch um eine Anwendung desselben
auf die übrigen Theile des Staates, sondern darum, inwieweit die Ord¬
nungen des alten preußischen Staats für den neuen deutschen
Staat maßgebend sein sollen. Wäre die abgestandene Phraseologie
vergangener Tage auf die veränderten Verhältnisse der Gegenwart anwendbar,
wir würden sagen, es handelte sich darum, ob Deutschland in Preußen aufgehen
oder Preußen mit Deutschland zu einem neuen Staatsorganismus verbunden
werden sollte. Nur aus der vollen Bedeutung dieser Alternative, deren sich
ein großer Theil der Landtagsglieder wenigstens instinctw bewußt gewesen
ist, läßt sich die ungeheure Rolle erklären, welche die Debatten der vorigen
Februarwoche im preußischen Parlament und in unserm öffentlichen Leben ge¬
spielt haben. Es hilft nichts, dieselbe zu maskiren und durch den Hinweis auf
die untergeordnete Bedeutung des Verwendungsmodus einer halben Million
Thaler zu verkleinern, oder sich über die verhängnißvollen Wirkungen der¬
selben durch die Thatsache der Zersetzung der conservativen Partei zu trösten,
— unter der einen oder der andern Form wird dieselbe Frage noch häufig
wiederkehren und ohne ihre prinzipielle Entscheidung ist jeder Versuch zu einer
heilsamen Reorganisation der Verwaltung in den neuen Provinzen vergeblich,
von ihrer glücklichen Lösung ist die Zukunft der gesammten deutschen Frage
wesentlich mitbedingt. Hätte sichs wirklich nur darum gehandelt, den Anfang für
die Selbstverwaltung der Provinzen in Hannover zu machen, ein Conflict, wie
der gegenwärtig zwischen der Regierung und den Conservativen ausgebrochene
wäre unmöglich, die Bewilligung jener Summe für hannoverische Provinzial-
zwecke eine bloße «zuestiou Ac Aal<z gewesen, das Ministerium hätte den Kar-
dorffschen Antrag nicht als das kleinere von zwei vorhandenen Uebeln, sondern
mit voller Seele angenommen. Nur weil die rechte Seite des Abgeordneten¬
hauses durchsehen ließ, daß sie dem Grafen Bismarck auf der Bahn der Con¬
cessionen an außerpreußische Eigenthümlichkeiten überhaupt nicht folgen wolle,
hat der Ministerpräsident mit ihr gebrochen; eine einmalige Versagung des
Gehorsams wäre nimmermehr ausreichend gewesen, Verbindungen von so lang¬
jähriger Dauer zu lösen, wie es die zwischen dem Grafen Bismarck und den
Conservativen sind.
Wichtiger als das Verhältniß der Conservativen ist uns das, welches
die Mittelparteien, welches vor allem die nationalliberale Fraction zu
dem in Rede stehenden Gegenstande eingenommen haben, denn die Aus¬
sicht auf ihre Unterstützung liegt dem Ministerium am nächsten, wenn dieses
die Verbindung mit den 118 Mitgliedern der Rechten wirklich aufgibt; wird
uns doch seit Monaten versichert, im Schooße dieser Mittelparteien ruhe die
Zukunft Deutschlands und Preußens. Von den vier Fractionen, welche zu
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