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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Staat in nachweisbaren Schaden bringt. Man könnte letzteres bestreiten
Wollen, aber sehr richtig führt Rößler (Studien zur Fortbildung der preußi¬
schen Verfassung. II, x. 72) aus. daß es einerseits unmöglich, solche Hand¬
lungen straflos zu lassen, und andrerseits völlig unbedenklich ist. dieselben
dem höchsten Gerichtshof zu unterstellen. Treffend sagt Lord Brougham:
"Die Rathgeber der Krone sind in gleicher Weise verantwortlich für die
Politik und Weisheit, wie für die Gesetzmäßigkeit der Maßregeln der Re¬
gierung, denn sie sind verpflichtet, einerseits ihre Bemühungen im Dienst der
Krone anzuwenden, andererseits strafbar, wenn sie eine so wichtige Pflicht
übernehmen, ohne die nöthige Fähigkeit zu ihrer Erfüllung." Gegenstand
der Anklage sind demnach nur solche Handlungen oder Unterlassungen, welche
specifisch ministeriell, die also nur ein Mitglied des höchsten Rathes der
Krone begehen kann, wogegen jede Anklage auf ein gemeines Vergehen gegen
einen Minister bei den ordentlichen Gerichten zu verfolgen ist. So also,
Wenn es sich um unmittelbare Beschädigung des Staatseigenthums, um
Verwendung der Staatsmittel zu privaten Zwecken :c. handelt.

Die Frage, welchem höchsten Tribunal die Ministeranklagen zu unter¬
stellen sind, ist vielfach bestritten. Rößler sieht in der dem englischen Ober¬
hause zustehenden politischen Juridiction eine typische Einrichtung, aber es ist
ZU bedenken, daß die Lords auch in andern Civil- und Criminalangelegen-
heiten den obersten Appellhof bilden und in ihren durch hohe richterliche
Tunetionen zur Pairie -gelangten Mitgliedern juristisch ausgezeichnete Per¬
sönlichkeiten besitzen, deren Urtheil von entscheidenden Gewicht in allen Rechts¬
lagen ist. Diese höchste Instanz des Oberhauses hat sich historisch gebildet
Und scheint nicht leicht auf continentale Zustände übertragbar, wo ähnliche
Elemente und Traditionen mangeln. Die eigenthümliche, in größeren deut¬
schen Staaten nicht' zu umgehende Zusammensetzung des Oberhauses gibt
allerdings eine mehr als ausreichende Garantie, daß vom Unterhause ange¬
sägte Minister nicht leichtsinnig oder parteilich verurtheilt werden, aber wie
"us scheint, desto weniger Garantie, daß dieselben nicht freigesprochen werden,
Wenn sehr ausreichender Grund zur Klage des Unterhauses vorlag. Dagegen
'se Rößler unbedingt beizustimmen, wenn er die hohen Gerichtshöfe des
Privatrechtes für die Ministeranklage aus dem doppelten Grunde verwirft,
daß denselben die Vertrautheit mit den in Frage kommenden Geschäften fehlt
"ut daß sie andrerseits durch eine derartige Thätigkeit die Unbefangenheit in
Hrer Sphäre verlieren müssen. Es bleibt somit die Ueberweisung der Minister-
Anklage an einen speciellen Staatsgerichtshof, der bestimmt ist, die Summe
Politischen und staatsrechtlichen Intelligenz des Landes in sich zu ver¬
einigen. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes dürfen nicht bloße Rechts¬
gelehrte sein, weil sich die Klagen auf politische Verhältnisse beziehen, deren


Grenzboten I. 18ö8- 30

Staat in nachweisbaren Schaden bringt. Man könnte letzteres bestreiten
Wollen, aber sehr richtig führt Rößler (Studien zur Fortbildung der preußi¬
schen Verfassung. II, x. 72) aus. daß es einerseits unmöglich, solche Hand¬
lungen straflos zu lassen, und andrerseits völlig unbedenklich ist. dieselben
dem höchsten Gerichtshof zu unterstellen. Treffend sagt Lord Brougham:
"Die Rathgeber der Krone sind in gleicher Weise verantwortlich für die
Politik und Weisheit, wie für die Gesetzmäßigkeit der Maßregeln der Re¬
gierung, denn sie sind verpflichtet, einerseits ihre Bemühungen im Dienst der
Krone anzuwenden, andererseits strafbar, wenn sie eine so wichtige Pflicht
übernehmen, ohne die nöthige Fähigkeit zu ihrer Erfüllung." Gegenstand
der Anklage sind demnach nur solche Handlungen oder Unterlassungen, welche
specifisch ministeriell, die also nur ein Mitglied des höchsten Rathes der
Krone begehen kann, wogegen jede Anklage auf ein gemeines Vergehen gegen
einen Minister bei den ordentlichen Gerichten zu verfolgen ist. So also,
Wenn es sich um unmittelbare Beschädigung des Staatseigenthums, um
Verwendung der Staatsmittel zu privaten Zwecken :c. handelt.

Die Frage, welchem höchsten Tribunal die Ministeranklagen zu unter¬
stellen sind, ist vielfach bestritten. Rößler sieht in der dem englischen Ober¬
hause zustehenden politischen Juridiction eine typische Einrichtung, aber es ist
ZU bedenken, daß die Lords auch in andern Civil- und Criminalangelegen-
heiten den obersten Appellhof bilden und in ihren durch hohe richterliche
Tunetionen zur Pairie -gelangten Mitgliedern juristisch ausgezeichnete Per¬
sönlichkeiten besitzen, deren Urtheil von entscheidenden Gewicht in allen Rechts¬
lagen ist. Diese höchste Instanz des Oberhauses hat sich historisch gebildet
Und scheint nicht leicht auf continentale Zustände übertragbar, wo ähnliche
Elemente und Traditionen mangeln. Die eigenthümliche, in größeren deut¬
schen Staaten nicht' zu umgehende Zusammensetzung des Oberhauses gibt
allerdings eine mehr als ausreichende Garantie, daß vom Unterhause ange¬
sägte Minister nicht leichtsinnig oder parteilich verurtheilt werden, aber wie
"us scheint, desto weniger Garantie, daß dieselben nicht freigesprochen werden,
Wenn sehr ausreichender Grund zur Klage des Unterhauses vorlag. Dagegen
'se Rößler unbedingt beizustimmen, wenn er die hohen Gerichtshöfe des
Privatrechtes für die Ministeranklage aus dem doppelten Grunde verwirft,
daß denselben die Vertrautheit mit den in Frage kommenden Geschäften fehlt
"ut daß sie andrerseits durch eine derartige Thätigkeit die Unbefangenheit in
Hrer Sphäre verlieren müssen. Es bleibt somit die Ueberweisung der Minister-
Anklage an einen speciellen Staatsgerichtshof, der bestimmt ist, die Summe
Politischen und staatsrechtlichen Intelligenz des Landes in sich zu ver¬
einigen. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes dürfen nicht bloße Rechts¬
gelehrte sein, weil sich die Klagen auf politische Verhältnisse beziehen, deren


Grenzboten I. 18ö8- 30
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[0241] Staat in nachweisbaren Schaden bringt. Man könnte letzteres bestreiten Wollen, aber sehr richtig führt Rößler (Studien zur Fortbildung der preußi¬ schen Verfassung. II, x. 72) aus. daß es einerseits unmöglich, solche Hand¬ lungen straflos zu lassen, und andrerseits völlig unbedenklich ist. dieselben dem höchsten Gerichtshof zu unterstellen. Treffend sagt Lord Brougham: "Die Rathgeber der Krone sind in gleicher Weise verantwortlich für die Politik und Weisheit, wie für die Gesetzmäßigkeit der Maßregeln der Re¬ gierung, denn sie sind verpflichtet, einerseits ihre Bemühungen im Dienst der Krone anzuwenden, andererseits strafbar, wenn sie eine so wichtige Pflicht übernehmen, ohne die nöthige Fähigkeit zu ihrer Erfüllung." Gegenstand der Anklage sind demnach nur solche Handlungen oder Unterlassungen, welche specifisch ministeriell, die also nur ein Mitglied des höchsten Rathes der Krone begehen kann, wogegen jede Anklage auf ein gemeines Vergehen gegen einen Minister bei den ordentlichen Gerichten zu verfolgen ist. So also, Wenn es sich um unmittelbare Beschädigung des Staatseigenthums, um Verwendung der Staatsmittel zu privaten Zwecken :c. handelt. Die Frage, welchem höchsten Tribunal die Ministeranklagen zu unter¬ stellen sind, ist vielfach bestritten. Rößler sieht in der dem englischen Ober¬ hause zustehenden politischen Juridiction eine typische Einrichtung, aber es ist ZU bedenken, daß die Lords auch in andern Civil- und Criminalangelegen- heiten den obersten Appellhof bilden und in ihren durch hohe richterliche Tunetionen zur Pairie -gelangten Mitgliedern juristisch ausgezeichnete Per¬ sönlichkeiten besitzen, deren Urtheil von entscheidenden Gewicht in allen Rechts¬ lagen ist. Diese höchste Instanz des Oberhauses hat sich historisch gebildet Und scheint nicht leicht auf continentale Zustände übertragbar, wo ähnliche Elemente und Traditionen mangeln. Die eigenthümliche, in größeren deut¬ schen Staaten nicht' zu umgehende Zusammensetzung des Oberhauses gibt allerdings eine mehr als ausreichende Garantie, daß vom Unterhause ange¬ sägte Minister nicht leichtsinnig oder parteilich verurtheilt werden, aber wie "us scheint, desto weniger Garantie, daß dieselben nicht freigesprochen werden, Wenn sehr ausreichender Grund zur Klage des Unterhauses vorlag. Dagegen 'se Rößler unbedingt beizustimmen, wenn er die hohen Gerichtshöfe des Privatrechtes für die Ministeranklage aus dem doppelten Grunde verwirft, daß denselben die Vertrautheit mit den in Frage kommenden Geschäften fehlt "ut daß sie andrerseits durch eine derartige Thätigkeit die Unbefangenheit in Hrer Sphäre verlieren müssen. Es bleibt somit die Ueberweisung der Minister- Anklage an einen speciellen Staatsgerichtshof, der bestimmt ist, die Summe Politischen und staatsrechtlichen Intelligenz des Landes in sich zu ver¬ einigen. Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes dürfen nicht bloße Rechts¬ gelehrte sein, weil sich die Klagen auf politische Verhältnisse beziehen, deren Grenzboten I. 18ö8- 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/241>, abgerufen am 22.07.2024.