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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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italischen Weinbau möglichst zu monopolisiren, d. h. die Weincultur in den
Provinzen zu beschränken. Schon im I. 129 v. Chr. bestand eine Verord¬
nung, wonach in den transalpinischen Provinzen, besonders in Gallien, wohin
eine bedeutende Ausfuhr italischen Weines stattfand, niemand neue Wein-
und Oelpflanzungen anlegen durfte: eine Maßregel, die bei Cicero (der als
Zweck die Steigerung des Werths der italischen Weinberge ausdrücklich an¬
gibt), zwar als klug, aber nicht als gerecht bezeichnet wird.

Nur wenn man dies berücksichtigt kann man die Nachricht verstehn, daß
Kaiser Probus (282 v. Chr.) in ganz Gallien, Spanien, Britanien und Pan-
nonien (Steiermark, Kärnthen, Krain, Ungarn, Slavonien, einen Theil von
Croatien und Bosnien) den Weinbau und die Weinbereitung frei gab. Er
hob also jene Beschränkung auf, die übrigens nie ein absolutes Verbot gewesen
war; spanische und französische Weine werden schon in der letzten Zeit der
Republik und in der ersten Kaiserzeit zahlreich erwähnt. Im Jahre 311 waren
die Weinberge von Autun bereits durch Alter in Verfall gerathen, die Wurzeln
der Rebenstöcke hatten sich dermaßen im Boden ausgebreitet, daß das Wachs¬
thum durch Mangel an Raum unmöglich geworden war; über den Bordeaux¬
wein haben wir erst aus dem Ende des vierten Jahrhunderts eine Nach¬
richt, die zugleich die dortigen Austern rühmt. Ich füge einige Bemerkungen
über andere gegenwärtig geschätzte Sorten hinzu. Das Alter des Weinbaus
aus beiden Rheinufern ist unbekannt. Auf dem linken, wo er älter war,
kennen wir die Weinberge längs den Ufern der Mosel erst aus dem Gedicht
des Ausonius über diesen Fluß; Venantius Fortunatus (in der zweiten
Hälfte des 6. Jahrhunderts) besingt außer den Weinbergen von Metz und
Trier auch die von Andernach. Keinesfalls kann man aus jener Nachricht
von Probus schließen, daß von ihm der dortige Weinbau herrühre*). Auf
dem rechten Rheinufer gab es in Tacitus Zeit im freien Germanien noch gar
keinen Wein. Dagegen war der Rhätische (Tiroler und Veltelliner?) schon
früh in Italien bekannt und gehörte zu den Lieblingsweinen des Kaiser
August. Als den Gründer des Ungarweins darf man Probus betrachten,
da er an den Südabhang der Karpathen auf den Berg Alma bei Sirmium
(jetzt Mitroviez) Reben pflanzte. Leider sind unsere Nachrichten über die
Verbreitung der Culturgewächse im Alterthum überhaupt sehr dürftig. Mit
Ausnahme des Oel- und Weinbaues aber, bei denen es sich um Erhaltung
eines Monopols handelte, hat die römische Weltherrschaft selbst auf die Ve¬
getation der Provinzen einen ähnlichen Einfluß geübt wie auf ihre gesammte
Cultur. Wie sie überhaupt die landschaftlichen Eigenthümlichkeiten verwischte
und eine gewisse Einförmigkeit beförderte, so hat sie auch durch Acclimati-



') So j. V. Ävlz Beitrage zur Culturgeschichte S. 142.

italischen Weinbau möglichst zu monopolisiren, d. h. die Weincultur in den
Provinzen zu beschränken. Schon im I. 129 v. Chr. bestand eine Verord¬
nung, wonach in den transalpinischen Provinzen, besonders in Gallien, wohin
eine bedeutende Ausfuhr italischen Weines stattfand, niemand neue Wein-
und Oelpflanzungen anlegen durfte: eine Maßregel, die bei Cicero (der als
Zweck die Steigerung des Werths der italischen Weinberge ausdrücklich an¬
gibt), zwar als klug, aber nicht als gerecht bezeichnet wird.

Nur wenn man dies berücksichtigt kann man die Nachricht verstehn, daß
Kaiser Probus (282 v. Chr.) in ganz Gallien, Spanien, Britanien und Pan-
nonien (Steiermark, Kärnthen, Krain, Ungarn, Slavonien, einen Theil von
Croatien und Bosnien) den Weinbau und die Weinbereitung frei gab. Er
hob also jene Beschränkung auf, die übrigens nie ein absolutes Verbot gewesen
war; spanische und französische Weine werden schon in der letzten Zeit der
Republik und in der ersten Kaiserzeit zahlreich erwähnt. Im Jahre 311 waren
die Weinberge von Autun bereits durch Alter in Verfall gerathen, die Wurzeln
der Rebenstöcke hatten sich dermaßen im Boden ausgebreitet, daß das Wachs¬
thum durch Mangel an Raum unmöglich geworden war; über den Bordeaux¬
wein haben wir erst aus dem Ende des vierten Jahrhunderts eine Nach¬
richt, die zugleich die dortigen Austern rühmt. Ich füge einige Bemerkungen
über andere gegenwärtig geschätzte Sorten hinzu. Das Alter des Weinbaus
aus beiden Rheinufern ist unbekannt. Auf dem linken, wo er älter war,
kennen wir die Weinberge längs den Ufern der Mosel erst aus dem Gedicht
des Ausonius über diesen Fluß; Venantius Fortunatus (in der zweiten
Hälfte des 6. Jahrhunderts) besingt außer den Weinbergen von Metz und
Trier auch die von Andernach. Keinesfalls kann man aus jener Nachricht
von Probus schließen, daß von ihm der dortige Weinbau herrühre*). Auf
dem rechten Rheinufer gab es in Tacitus Zeit im freien Germanien noch gar
keinen Wein. Dagegen war der Rhätische (Tiroler und Veltelliner?) schon
früh in Italien bekannt und gehörte zu den Lieblingsweinen des Kaiser
August. Als den Gründer des Ungarweins darf man Probus betrachten,
da er an den Südabhang der Karpathen auf den Berg Alma bei Sirmium
(jetzt Mitroviez) Reben pflanzte. Leider sind unsere Nachrichten über die
Verbreitung der Culturgewächse im Alterthum überhaupt sehr dürftig. Mit
Ausnahme des Oel- und Weinbaues aber, bei denen es sich um Erhaltung
eines Monopols handelte, hat die römische Weltherrschaft selbst auf die Ve¬
getation der Provinzen einen ähnlichen Einfluß geübt wie auf ihre gesammte
Cultur. Wie sie überhaupt die landschaftlichen Eigenthümlichkeiten verwischte
und eine gewisse Einförmigkeit beförderte, so hat sie auch durch Acclimati-



') So j. V. Ävlz Beitrage zur Culturgeschichte S. 142.
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[0214] italischen Weinbau möglichst zu monopolisiren, d. h. die Weincultur in den Provinzen zu beschränken. Schon im I. 129 v. Chr. bestand eine Verord¬ nung, wonach in den transalpinischen Provinzen, besonders in Gallien, wohin eine bedeutende Ausfuhr italischen Weines stattfand, niemand neue Wein- und Oelpflanzungen anlegen durfte: eine Maßregel, die bei Cicero (der als Zweck die Steigerung des Werths der italischen Weinberge ausdrücklich an¬ gibt), zwar als klug, aber nicht als gerecht bezeichnet wird. Nur wenn man dies berücksichtigt kann man die Nachricht verstehn, daß Kaiser Probus (282 v. Chr.) in ganz Gallien, Spanien, Britanien und Pan- nonien (Steiermark, Kärnthen, Krain, Ungarn, Slavonien, einen Theil von Croatien und Bosnien) den Weinbau und die Weinbereitung frei gab. Er hob also jene Beschränkung auf, die übrigens nie ein absolutes Verbot gewesen war; spanische und französische Weine werden schon in der letzten Zeit der Republik und in der ersten Kaiserzeit zahlreich erwähnt. Im Jahre 311 waren die Weinberge von Autun bereits durch Alter in Verfall gerathen, die Wurzeln der Rebenstöcke hatten sich dermaßen im Boden ausgebreitet, daß das Wachs¬ thum durch Mangel an Raum unmöglich geworden war; über den Bordeaux¬ wein haben wir erst aus dem Ende des vierten Jahrhunderts eine Nach¬ richt, die zugleich die dortigen Austern rühmt. Ich füge einige Bemerkungen über andere gegenwärtig geschätzte Sorten hinzu. Das Alter des Weinbaus aus beiden Rheinufern ist unbekannt. Auf dem linken, wo er älter war, kennen wir die Weinberge längs den Ufern der Mosel erst aus dem Gedicht des Ausonius über diesen Fluß; Venantius Fortunatus (in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts) besingt außer den Weinbergen von Metz und Trier auch die von Andernach. Keinesfalls kann man aus jener Nachricht von Probus schließen, daß von ihm der dortige Weinbau herrühre*). Auf dem rechten Rheinufer gab es in Tacitus Zeit im freien Germanien noch gar keinen Wein. Dagegen war der Rhätische (Tiroler und Veltelliner?) schon früh in Italien bekannt und gehörte zu den Lieblingsweinen des Kaiser August. Als den Gründer des Ungarweins darf man Probus betrachten, da er an den Südabhang der Karpathen auf den Berg Alma bei Sirmium (jetzt Mitroviez) Reben pflanzte. Leider sind unsere Nachrichten über die Verbreitung der Culturgewächse im Alterthum überhaupt sehr dürftig. Mit Ausnahme des Oel- und Weinbaues aber, bei denen es sich um Erhaltung eines Monopols handelte, hat die römische Weltherrschaft selbst auf die Ve¬ getation der Provinzen einen ähnlichen Einfluß geübt wie auf ihre gesammte Cultur. Wie sie überhaupt die landschaftlichen Eigenthümlichkeiten verwischte und eine gewisse Einförmigkeit beförderte, so hat sie auch durch Acclimati- ') So j. V. Ävlz Beitrage zur Culturgeschichte S. 142.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/214>, abgerufen am 25.08.2024.