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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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kommen, als der Getreidebau aufhörte. Denn obgleich in Unteritalien der
Weinbau schon vor der Colonisation der Griechen bestand, und in Rom seit
den ältesten Zeiten Wein zuerst als Luxusartikel in beschränktem Gebrauch
war, sodann aber auch producirt wurde, so entbehrte doch der italienische
Wein selbst zu der Zeit, in welcher Campanien in römischen Besitz kam, noch
des Ruhmes, den er später erlangt hat. Weder Plautus noch Cato kannten
den Falerner, die Aerzte bedienten sich in dieser Zeit zu ihren Euren
nur griechischer Weine, und die merkwürdigen Funde rhodischer Amphoren
(thönerne Weingefäße), deren Henkelinschriften und deren Schrift noch in die
Zeit von ISO bis 60 v. Chr. zu setzen sind, beweisen, daß in dieser Zeit
der rhodische Wein nicht nur in die Städte des schwarzen Meeres, nament¬
lich die Krim, nach Alexandria, Athen, Sicilien und Sardinien, sondern auch
in Latium, namentlich in Präneste (Palestrina), das später selbst guten Wein
baute, und vielleicht viel früher in Toscana eingeführt wurde. In dem be¬
rühmten Weinjahre des Consuls Opimius (121 v. Chr.) waren die über¬
seeischen Weine noch fast allein in Geltung, und erst spätere Zeiten würdig¬
ten die einheimischen Sorten dieses Jahrgangs. Der Falerner kommt zuerst
bei Lucull und Nero vor, und verdankt seinen Ruhm der sorgfältigen Be¬
handlung, welche die Römer ihm zu Theil werden ließen und auf welche
die uns erhaltenen Schriften über den römischen Landbau ein großes Gewicht
legen, weil der Weinbau in Italien bei rationeller Wirthschaft sehr einträg¬
lich war. Nach Columella (der unter Claudius schrieb) verzinste sich das
Capital bei dieser Anlage und bei guter Cultur mit etwa 18 Procent, wäh¬
rend außerdem der Verkauf der Setzlinge noch eine erhebliche Rente gewährte.
Hierbei sind freilich Mißernten, Unterhaltungskosten, und außerordentliche
Ausgaben nicht berücksichtigt; doch selbst wenn man diese abrechnet, muß die
Capitalanlage in den Weinbergen eine sehr vortheilhafte gewesen sein. Eine
solche Einträglichkeit des Geschäfts veranlaßte zu großer Aufmerksamkeit und
Sorgfalt, durch welche es gelang eine Anzahl italischer, namentlich campa¬
nischer Sorten zu den ersten Weinen der Welt zu machen und ihnen nicht
nur im ganzen römischen Reich, selbst Griechenland nicht ausgenommen, son¬
dern auch außerhalb der römischen Grenzen bis nach Indien hin einen Markt
zu eröffnen: nach Plinius lieferte von den etwa 80 berühmten Sorten, die
außer den ordinären Weinen in den Handel kamen, Italien allein nicht we¬
niger als zwei Drittel. Die Masse des italischen Weines reichte nicht aus,
die Nachfrage zu befriedigen; Galen sagt, der Falerner werde in die ganze
Welt ausgeführt, obwohl er nur auf einem kleinen Raum wachse, indem
nämlich anderen Weinen von den Fabrikanten durch Bearbeitung der gleiche
Geschmack gegeben würde*). Dies führte ferner zu dem Bestreben, den



") Er selbst trank ihn zum erstenmal, als er nach Italien kam.

kommen, als der Getreidebau aufhörte. Denn obgleich in Unteritalien der
Weinbau schon vor der Colonisation der Griechen bestand, und in Rom seit
den ältesten Zeiten Wein zuerst als Luxusartikel in beschränktem Gebrauch
war, sodann aber auch producirt wurde, so entbehrte doch der italienische
Wein selbst zu der Zeit, in welcher Campanien in römischen Besitz kam, noch
des Ruhmes, den er später erlangt hat. Weder Plautus noch Cato kannten
den Falerner, die Aerzte bedienten sich in dieser Zeit zu ihren Euren
nur griechischer Weine, und die merkwürdigen Funde rhodischer Amphoren
(thönerne Weingefäße), deren Henkelinschriften und deren Schrift noch in die
Zeit von ISO bis 60 v. Chr. zu setzen sind, beweisen, daß in dieser Zeit
der rhodische Wein nicht nur in die Städte des schwarzen Meeres, nament¬
lich die Krim, nach Alexandria, Athen, Sicilien und Sardinien, sondern auch
in Latium, namentlich in Präneste (Palestrina), das später selbst guten Wein
baute, und vielleicht viel früher in Toscana eingeführt wurde. In dem be¬
rühmten Weinjahre des Consuls Opimius (121 v. Chr.) waren die über¬
seeischen Weine noch fast allein in Geltung, und erst spätere Zeiten würdig¬
ten die einheimischen Sorten dieses Jahrgangs. Der Falerner kommt zuerst
bei Lucull und Nero vor, und verdankt seinen Ruhm der sorgfältigen Be¬
handlung, welche die Römer ihm zu Theil werden ließen und auf welche
die uns erhaltenen Schriften über den römischen Landbau ein großes Gewicht
legen, weil der Weinbau in Italien bei rationeller Wirthschaft sehr einträg¬
lich war. Nach Columella (der unter Claudius schrieb) verzinste sich das
Capital bei dieser Anlage und bei guter Cultur mit etwa 18 Procent, wäh¬
rend außerdem der Verkauf der Setzlinge noch eine erhebliche Rente gewährte.
Hierbei sind freilich Mißernten, Unterhaltungskosten, und außerordentliche
Ausgaben nicht berücksichtigt; doch selbst wenn man diese abrechnet, muß die
Capitalanlage in den Weinbergen eine sehr vortheilhafte gewesen sein. Eine
solche Einträglichkeit des Geschäfts veranlaßte zu großer Aufmerksamkeit und
Sorgfalt, durch welche es gelang eine Anzahl italischer, namentlich campa¬
nischer Sorten zu den ersten Weinen der Welt zu machen und ihnen nicht
nur im ganzen römischen Reich, selbst Griechenland nicht ausgenommen, son¬
dern auch außerhalb der römischen Grenzen bis nach Indien hin einen Markt
zu eröffnen: nach Plinius lieferte von den etwa 80 berühmten Sorten, die
außer den ordinären Weinen in den Handel kamen, Italien allein nicht we¬
niger als zwei Drittel. Die Masse des italischen Weines reichte nicht aus,
die Nachfrage zu befriedigen; Galen sagt, der Falerner werde in die ganze
Welt ausgeführt, obwohl er nur auf einem kleinen Raum wachse, indem
nämlich anderen Weinen von den Fabrikanten durch Bearbeitung der gleiche
Geschmack gegeben würde*). Dies führte ferner zu dem Bestreben, den



") Er selbst trank ihn zum erstenmal, als er nach Italien kam.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/213>, abgerufen am 24.08.2024.