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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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schiff sich so fest in das Holzschiff einbohrte, daß man. um das erstere nur
zu befreien, letzteres mit Pulver lossprengen mußte. Und daß andrerseits
das Anrennen mit einem ganz senkrechten Vorsteven genügt, der also gar
keine Spitze hat, sondern blos wie mit einer scharfen Axtschneide wirkt, hat
in der Seeschlacht bei Lissa die östreichische Panzerfregatte "Erzherzog Ferdi¬
nand Max" gezeigt, die, wie alle östreichischen Panzersregatten mit senkrech¬
tem stahlüberkleideten Vorsteven construirt, dennoch die starke gepanzerte
Wand des italienischen "Rh d'Italia" dermaßen einräumte, daß die Schiffs¬
wand förmlich in zwei Hälften zerschnitten und das Schiff sofort zum Ver¬
sinken gebracht wurde. Wenn nun hiernach ein senkrecht abfallender Vor¬
steven auch sür das Einrennen völlig genügt, so hat er doch den Nachtheil,
daß er nicht so allmälich wie ein gewölbter Steven einschneidet, und daß
die vorstehenden Theile des eignen Vorschiffs, namentlich das Bugspriet, wo
ein solches vorhanden ist, Beschädigungen ausgesetzt werden; eine schwach
nach vorn ausgewölbte Form des Vorstevens, wie sie die Fregatte "Kron¬
prinz" besitzt, dürfte- daher die vortheilhafteste sein. Noch höher aber ist
gegenüber dem französischen System der Vortheil anzuschlagen, den sie für die
Seefähigkeit des Fahrzeugs hat. Denn sie beschwert, da der Bug hohl ist,
keine viel stärkere Wand besitzt, als ein gewöhnlicher starker Eisenschiff-
bug, und somit bedeutende Schwimmkraft entwickelt, das Schiff vorn nicht
mehr als die gewöhnliche Bugform der Kauffartheidampfer. während der
massive französische Sporn, der z. B. beim "Magenta" und beim "Solferino"
30,000 Kilogramm, also 600 Zollcentner wiegt, das Vorschiff in unglück¬
lichster Weise überlastet. Der schlimmste Fehler der Panzerschiffe aber ist zu
große Beschwerung der beiden Enden, sodaß die Engländer, um ihn zu ver¬
meiden, selbst bei Schiffen ohne Sporn die Panzerung von Bug und Heat
bedeutend schwächer genommen haben als in den übrigen Theilen, ja daß
sie bei den großen Panzerfregatten "Warrior" und "Black Prince", diese
Partien sogar in der Wasserlinie gänzlich ungepanzert ließen. Ueberdies hat
das Anrennen verhältnißmäßig zu wenig Chancen, als daß man es als
Hauptzweck betrachten und dafür große Nachtheile in den Kauf nehmen sollte.
Denn wenn das anrennende Schiff nicht einen stillliegenden Gegner findet, wie
der "Merrimac" den vor Anker liegenden "Cumberland" oder der "Erzherzog
Ferdinand Max" den steuerlos und hilflos daliegenden "R6 d'Italia", so
wird die Gewalt des Stoßes auf ein unschädliches Minimum reducirt wer¬
den, sobald der Gegner zu entrinnen sucht und nicht allzulangsam ist; selbst
wenn er nur 8 Knoten läuft und das Widderschiff 12 Knoten in See macht,
bleibt nur die für den Choc ungenügende Differenz von 4 Knoten für den
Stoß übrig. Es empfiehlt sich also dringend, wie beim "Kronprinz", den
Bug so schwimmfähig als möglich zu machen und lieber die Seefähigkeit des


schiff sich so fest in das Holzschiff einbohrte, daß man. um das erstere nur
zu befreien, letzteres mit Pulver lossprengen mußte. Und daß andrerseits
das Anrennen mit einem ganz senkrechten Vorsteven genügt, der also gar
keine Spitze hat, sondern blos wie mit einer scharfen Axtschneide wirkt, hat
in der Seeschlacht bei Lissa die östreichische Panzerfregatte „Erzherzog Ferdi¬
nand Max" gezeigt, die, wie alle östreichischen Panzersregatten mit senkrech¬
tem stahlüberkleideten Vorsteven construirt, dennoch die starke gepanzerte
Wand des italienischen „Rh d'Italia" dermaßen einräumte, daß die Schiffs¬
wand förmlich in zwei Hälften zerschnitten und das Schiff sofort zum Ver¬
sinken gebracht wurde. Wenn nun hiernach ein senkrecht abfallender Vor¬
steven auch sür das Einrennen völlig genügt, so hat er doch den Nachtheil,
daß er nicht so allmälich wie ein gewölbter Steven einschneidet, und daß
die vorstehenden Theile des eignen Vorschiffs, namentlich das Bugspriet, wo
ein solches vorhanden ist, Beschädigungen ausgesetzt werden; eine schwach
nach vorn ausgewölbte Form des Vorstevens, wie sie die Fregatte „Kron¬
prinz" besitzt, dürfte- daher die vortheilhafteste sein. Noch höher aber ist
gegenüber dem französischen System der Vortheil anzuschlagen, den sie für die
Seefähigkeit des Fahrzeugs hat. Denn sie beschwert, da der Bug hohl ist,
keine viel stärkere Wand besitzt, als ein gewöhnlicher starker Eisenschiff-
bug, und somit bedeutende Schwimmkraft entwickelt, das Schiff vorn nicht
mehr als die gewöhnliche Bugform der Kauffartheidampfer. während der
massive französische Sporn, der z. B. beim „Magenta" und beim „Solferino"
30,000 Kilogramm, also 600 Zollcentner wiegt, das Vorschiff in unglück¬
lichster Weise überlastet. Der schlimmste Fehler der Panzerschiffe aber ist zu
große Beschwerung der beiden Enden, sodaß die Engländer, um ihn zu ver¬
meiden, selbst bei Schiffen ohne Sporn die Panzerung von Bug und Heat
bedeutend schwächer genommen haben als in den übrigen Theilen, ja daß
sie bei den großen Panzerfregatten „Warrior" und „Black Prince", diese
Partien sogar in der Wasserlinie gänzlich ungepanzert ließen. Ueberdies hat
das Anrennen verhältnißmäßig zu wenig Chancen, als daß man es als
Hauptzweck betrachten und dafür große Nachtheile in den Kauf nehmen sollte.
Denn wenn das anrennende Schiff nicht einen stillliegenden Gegner findet, wie
der „Merrimac" den vor Anker liegenden „Cumberland" oder der „Erzherzog
Ferdinand Max" den steuerlos und hilflos daliegenden „R6 d'Italia", so
wird die Gewalt des Stoßes auf ein unschädliches Minimum reducirt wer¬
den, sobald der Gegner zu entrinnen sucht und nicht allzulangsam ist; selbst
wenn er nur 8 Knoten läuft und das Widderschiff 12 Knoten in See macht,
bleibt nur die für den Choc ungenügende Differenz von 4 Knoten für den
Stoß übrig. Es empfiehlt sich also dringend, wie beim „Kronprinz", den
Bug so schwimmfähig als möglich zu machen und lieber die Seefähigkeit des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/21>, abgerufen am 24.08.2024.