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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Handels. Der Wahlmodus beruft Volksclassen zur Ausübung politischer
Rechte, denen sie bisher entzogen waren. Daß diese der neuen Ordnung der
Dinge darum nicht gram sind, begreift sich. Die Worte: deutsches Bürger¬
recht, Freizügigkeit, Niederlassungsrecht sind für die Arbeiterbevölkerung nicht
verloren. Steckt auch ein Theil unserer Arbeitervereine, wie sich denken läßt,
noch in der unverstandenen Phraseologie der Volkspartei, so ist die nationale
Richtung doch gerade in die bedeutenderen unwiderstehlich eingedrungen,
und der größte und einflußreichste, der Stuttgarter Arbeiterbildungsverein,
um den sich Volkswirthe wie Eduard Pfeifer und K. Steiner große Ver¬
dienste erworben haben, gehört ganz der nationalen Richtung an. Kaum
hatte die Volkspartei ihr Verdict gegen die Wahlen erlassen, so faßte der
genannte Verein den einstimmigen Beschluß, sich allerdings an den Wahlen
zu betheiligen und zwar nur solchen Kandidaten die Stimme zu geben, welche
national gesinnt, für Ausdehnung der Kompetenz der Bundesorgane und für
die freiheitlichen Grundzüge in Sachen der Volkswirthschaft und des Verkehrs
wirken würden.

Auch von Seite des würtembergischen Handelsvereins ist eine erfreuliche
Kundgebung erfolgt. Obwohl eine eigentliche politische Parteinahme ver¬
meidend, unterließ er es doch nicht, in seiner Erklärung als "selbstverständlich"
einfließen zu lassen, "daß nur solchen Männern ein Mandat übergeben werde,
die sich der Neugestaltung der Dinge in Deutschland nicht widerstrebend
gegenüberstellen, dieselbe vielmehr als eine willkommene Grundlage betrach¬
ten zu einer segensreichen Fortentwickelung unserer Beziehungen zum Norden
unsers Vaterlands." Und die Kandidatenliste, die der Verein aufstellt, um¬
faßt, wenige ausgenommen, nur solche Namen, die gleichzeitig der deutschen
Partei angehören oder ihr nahe stehen. Woher hätte er sie sonst auch neh¬
men können?

Die deutsche Partei endlich, die im Lauf des letzten Jahrs ihre Orga¬
nisation über das ganze Land ausgedehnt, jedoch Mühe hat in die unteren
Volksclassen zu dringen, hat zunächst ein Flugblatt im Lande verbreiten lassen,
das die Bedeutung des Zollparlaments in wirthschaftlicher und nationaler
Beziehung auseinanderlegt und zu eifriger Betheiligung an den Wahlen auf¬
fordert. Ihr Wahlprogramm wird in diesen Tagen erscheinen und außer
von Mitgliedern der Parteiorganisation auch von andern ihr nahestehenden
einflußreichen Namen, zumal aus der Handelswelt, unterzeichnet sein. Ist
dann die Eintheilung der Wahlbezirke bekannt gemacht, mit welcher die Re¬
gierung auffallend lange zögert, so mag der Wahlkampf beginnen, über
dessen Ausfall noch gar nichts bestimmtes sich voraussagen läßt, und in
welchen die deutsche Partei mit nichts weniger als übermüthigen Hoffnungen
eintritt, von dem sie sich aber aus alle Fälle eine günstige Rückwirkung auf
das Land versprechen darf, dem nichts nöthiger ist, als daß es allmählich
aus der dumpfen Enge eines abgesperrten Provinzialdaseins herausgehoben
und mit den großen nationalen Interessen in Berührung gebracht' werde.
Unsere Hoffnung beruht weniger auf den Abgeordneten, die wir nach Berlin
senden, als auf denen, die von Berlin zurückkehren werden.


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Handels. Der Wahlmodus beruft Volksclassen zur Ausübung politischer
Rechte, denen sie bisher entzogen waren. Daß diese der neuen Ordnung der
Dinge darum nicht gram sind, begreift sich. Die Worte: deutsches Bürger¬
recht, Freizügigkeit, Niederlassungsrecht sind für die Arbeiterbevölkerung nicht
verloren. Steckt auch ein Theil unserer Arbeitervereine, wie sich denken läßt,
noch in der unverstandenen Phraseologie der Volkspartei, so ist die nationale
Richtung doch gerade in die bedeutenderen unwiderstehlich eingedrungen,
und der größte und einflußreichste, der Stuttgarter Arbeiterbildungsverein,
um den sich Volkswirthe wie Eduard Pfeifer und K. Steiner große Ver¬
dienste erworben haben, gehört ganz der nationalen Richtung an. Kaum
hatte die Volkspartei ihr Verdict gegen die Wahlen erlassen, so faßte der
genannte Verein den einstimmigen Beschluß, sich allerdings an den Wahlen
zu betheiligen und zwar nur solchen Kandidaten die Stimme zu geben, welche
national gesinnt, für Ausdehnung der Kompetenz der Bundesorgane und für
die freiheitlichen Grundzüge in Sachen der Volkswirthschaft und des Verkehrs
wirken würden.

Auch von Seite des würtembergischen Handelsvereins ist eine erfreuliche
Kundgebung erfolgt. Obwohl eine eigentliche politische Parteinahme ver¬
meidend, unterließ er es doch nicht, in seiner Erklärung als „selbstverständlich"
einfließen zu lassen, „daß nur solchen Männern ein Mandat übergeben werde,
die sich der Neugestaltung der Dinge in Deutschland nicht widerstrebend
gegenüberstellen, dieselbe vielmehr als eine willkommene Grundlage betrach¬
ten zu einer segensreichen Fortentwickelung unserer Beziehungen zum Norden
unsers Vaterlands." Und die Kandidatenliste, die der Verein aufstellt, um¬
faßt, wenige ausgenommen, nur solche Namen, die gleichzeitig der deutschen
Partei angehören oder ihr nahe stehen. Woher hätte er sie sonst auch neh¬
men können?

Die deutsche Partei endlich, die im Lauf des letzten Jahrs ihre Orga¬
nisation über das ganze Land ausgedehnt, jedoch Mühe hat in die unteren
Volksclassen zu dringen, hat zunächst ein Flugblatt im Lande verbreiten lassen,
das die Bedeutung des Zollparlaments in wirthschaftlicher und nationaler
Beziehung auseinanderlegt und zu eifriger Betheiligung an den Wahlen auf¬
fordert. Ihr Wahlprogramm wird in diesen Tagen erscheinen und außer
von Mitgliedern der Parteiorganisation auch von andern ihr nahestehenden
einflußreichen Namen, zumal aus der Handelswelt, unterzeichnet sein. Ist
dann die Eintheilung der Wahlbezirke bekannt gemacht, mit welcher die Re¬
gierung auffallend lange zögert, so mag der Wahlkampf beginnen, über
dessen Ausfall noch gar nichts bestimmtes sich voraussagen läßt, und in
welchen die deutsche Partei mit nichts weniger als übermüthigen Hoffnungen
eintritt, von dem sie sich aber aus alle Fälle eine günstige Rückwirkung auf
das Land versprechen darf, dem nichts nöthiger ist, als daß es allmählich
aus der dumpfen Enge eines abgesperrten Provinzialdaseins herausgehoben
und mit den großen nationalen Interessen in Berührung gebracht' werde.
Unsere Hoffnung beruht weniger auf den Abgeordneten, die wir nach Berlin
senden, als auf denen, die von Berlin zurückkehren werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/204>, abgerufen am 22.07.2024.