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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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eine sehr freisinnige Vorlage der Regierung der letzteren zur Annahme zu
empfehlen. Selbst der Ministerpräsident vonOertzenhat seinen Feudalismus
von constitutionellen Anwandlungen keineswegs frei zu erhalten gewußt.
Eine solche momentane Schwäche zeigte er in einer vom 17. September 1848
datirten, mit seinem vollen Namen "I. von Oertzen auf Leppin" unter¬
zeichneten Erklärung, welche er zur Widerlegung aller Zweifel an der ernst¬
lichen Absicht seiner Partei, den Constitutionalismus zu fördern, in der Bei¬
lage zur "Rostocker Zeitung" vom 21. September 1848 veröffentlichte und es
u. A. für "selbstverständlich" erklärte, daß die besonderen politischen Rechte
des Adels aufhörten.

Dieser constitutionelle Abschnitt in dem Leben des Herrn von Oertzen
wich aber sehr bald wieder den Anschauungen aus der vor constitutionellen
Zeit und als Herr von Oertzen am 1. Juli 1852 vom Großherzog zum
Minister ernannt war. gehörte es zu seinen ersten Amtshandlungen, daß er
ein großherzogliches Rescript an den Landtag contrasignirte, welches den
festen Entschluß verkündigte, "die bestehende Landesverfassung kräftig aufrecht
zu erhalten und zu schützen", und davon seltsamere Resultate erwartete als
von "allem Erperimentiren mit neuen willkürlichen Verfassungsformen."

Daß eine mit den Interessen des Feudalismus so eng verbundene Re¬
gierung nicht ihre Macht gebrauchen würde, um mit dem alten Staat ab¬
zurechnen und durch Herbeiführung moderner Staatseinrichtungen Mecklen¬
burg zu einem lebendigen Gliede des norddeutschen Bundes zu machen, mußte
man erwarten. Die dem Landtage zugegangenen Finanzvorlagen bestätigten
auch gar bald, daß es wirklich die Absicht war, mit dem alten Finanzsystem
des Feudalstaats den neuen Anforderungen die Spitze zu bieten.

Nach der altständischen Verfassung hat der Großherzog aus den Ein¬
künften des Domanium und der Regalien die Kosten der gesammten Lan¬
desverwaltung, einschließlich der sogenannten Garnisons- und Fortisications-,
d. h. der Militärkosten, zu bestreiten und nur als Beihilfe dazu empfängt
er in der Form einer mit den Ständen vereinbarten Aversionalzahlung die
Auskunft aus den Steuern und Zöllen. Ueber die Verwendung dieser Gelder
steht den Ständen keinerlei Controle zu. Einen Staatshaushalt und eine
Staatskasse gibt es ebensowenig als einen einheitlichen Staat. Diesem Zu¬
stande war vor allen Dingen abzuhelfen, wenn Mecklenburg in den Organis¬
mus des Bundesstaats als ein gleichartiges Glied eingefügt werden sollte.
Es mußte ein einheitliches Finanzsystem und eine Feststellung des Staats¬
haushalts durch eine einheitliche Landesvertretung eingeführt werden. Vor¬
bedingung dafür war die Scheidung zwischen Kron- und Staatsgut, Kron-
und Staatseinkünften, Großherzoglicher und Staatskasse.

Die Regierung enthielt sich jedoch jedes Schrittes in dieser Richtung.


eine sehr freisinnige Vorlage der Regierung der letzteren zur Annahme zu
empfehlen. Selbst der Ministerpräsident vonOertzenhat seinen Feudalismus
von constitutionellen Anwandlungen keineswegs frei zu erhalten gewußt.
Eine solche momentane Schwäche zeigte er in einer vom 17. September 1848
datirten, mit seinem vollen Namen „I. von Oertzen auf Leppin" unter¬
zeichneten Erklärung, welche er zur Widerlegung aller Zweifel an der ernst¬
lichen Absicht seiner Partei, den Constitutionalismus zu fördern, in der Bei¬
lage zur „Rostocker Zeitung" vom 21. September 1848 veröffentlichte und es
u. A. für „selbstverständlich" erklärte, daß die besonderen politischen Rechte
des Adels aufhörten.

Dieser constitutionelle Abschnitt in dem Leben des Herrn von Oertzen
wich aber sehr bald wieder den Anschauungen aus der vor constitutionellen
Zeit und als Herr von Oertzen am 1. Juli 1852 vom Großherzog zum
Minister ernannt war. gehörte es zu seinen ersten Amtshandlungen, daß er
ein großherzogliches Rescript an den Landtag contrasignirte, welches den
festen Entschluß verkündigte, „die bestehende Landesverfassung kräftig aufrecht
zu erhalten und zu schützen", und davon seltsamere Resultate erwartete als
von „allem Erperimentiren mit neuen willkürlichen Verfassungsformen."

Daß eine mit den Interessen des Feudalismus so eng verbundene Re¬
gierung nicht ihre Macht gebrauchen würde, um mit dem alten Staat ab¬
zurechnen und durch Herbeiführung moderner Staatseinrichtungen Mecklen¬
burg zu einem lebendigen Gliede des norddeutschen Bundes zu machen, mußte
man erwarten. Die dem Landtage zugegangenen Finanzvorlagen bestätigten
auch gar bald, daß es wirklich die Absicht war, mit dem alten Finanzsystem
des Feudalstaats den neuen Anforderungen die Spitze zu bieten.

Nach der altständischen Verfassung hat der Großherzog aus den Ein¬
künften des Domanium und der Regalien die Kosten der gesammten Lan¬
desverwaltung, einschließlich der sogenannten Garnisons- und Fortisications-,
d. h. der Militärkosten, zu bestreiten und nur als Beihilfe dazu empfängt
er in der Form einer mit den Ständen vereinbarten Aversionalzahlung die
Auskunft aus den Steuern und Zöllen. Ueber die Verwendung dieser Gelder
steht den Ständen keinerlei Controle zu. Einen Staatshaushalt und eine
Staatskasse gibt es ebensowenig als einen einheitlichen Staat. Diesem Zu¬
stande war vor allen Dingen abzuhelfen, wenn Mecklenburg in den Organis¬
mus des Bundesstaats als ein gleichartiges Glied eingefügt werden sollte.
Es mußte ein einheitliches Finanzsystem und eine Feststellung des Staats¬
haushalts durch eine einheitliche Landesvertretung eingeführt werden. Vor¬
bedingung dafür war die Scheidung zwischen Kron- und Staatsgut, Kron-
und Staatseinkünften, Großherzoglicher und Staatskasse.

Die Regierung enthielt sich jedoch jedes Schrittes in dieser Richtung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/189>, abgerufen am 22.07.2024.