Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rüstung" Ausdruck leihe. Auf diesen Versuch der Regierungspresse, mit Vilmar
zu trcmsigiren, antwortete die "Hessenzeitung" in drei Artikeln, deren Ge-
sammtinhalt sich in den Sätzen zusammenfaßt: Das sind die Thaten der
preußischen Politik gegen Hessen. Nur mit dem tiefsten Schmerz und dem
Gefühl der bittersten Empörung denkt jedes kurhessische Herz an sie zurück
und wer auch nur ein weniges noch von Rechtsgefühl sich erhalten hat, der
kann sich nicht darüber wundern, daß die Hessenzeitung solche Thaten nicht
zu vergessen vermag, daß sie in gerechter Entrüstung immer wieder darauf
zurückkommt. Wolle doch der Schreiber der Nordd. Allg. Zeitung und
wollen doch auch unsere milden, durch ein hartes Wort so leicht verletzten
Freunde das nicht übersehen, daß eben solche Zugeständnisse, wie sie jener
Artikel des genannten Blattes immerhin als einen Anfang zum Besseren
enthält, doch nur die Frucht eben davon find, daß wir es nicht lassen kön¬
nen, immer und immer wieder hinzuweisen auf die schwere, un gesühnte
Schuld Preußens gegen Kurhessen." Hatte Vilmar so hiermit seinem
Princip Nichts vergeben und die Hand zur Versöhnung nur unter der
Bedingung angeboten, daß Preußen in Kurhessen wieder umstoße, was
es eben wieder ins Leben gerufen hatte, so brach er wenige Monate später
alle Verhandlungen mit der konservativen Presse Preußens ab. Zur Feier
des 18. Octobers ließ er sich folgendermaßen aus: "Jetzt sind diese Zeitungs¬
blätter -- (die früher die italienische Revolution getadelt hatten) insgesammt,
auch die Kreuzzeitung, -- von welcher übrigens schon im Jahre 1830 Je¬
mand zu dem Schreiber dieser Zeilen sagte: sie führe ja das Landwehrkreuz,
Zwischen dem Landwehrkreuz und dem Kreuze Christi sei aber noch ein großer
Unterschied -- in das Lager der Revolution, meist in der schamlosesten
Weise, übergegangen. Mit hündischer Frechheit verkündigen sie: "die Macht
geht über das Recht". Mit der Stirn der Straßenräuber erklären sie: "wenn
sich irgend ein deutscher Staat es einfallen lassen sollte, Preußen in seinen
Plänen zu hindern, nämlich die Mittelstaaten und kleinen Staaten Deutsch¬
lands, zunächst Norddeutschlands, aus dem deutschen Bunde auszulösen und
^r Botmäßigkeit Preußens zu unterwerfen, so werde es Preußen auf einen
Kampf mit den Waffen ankommen lassen." Genau so sprachen auch Zitz,
Blum und deren Gesellen auf der Frankfurter Pfingstweide am 17. Sept.
1848, und diejenigen Preußen, welche so sprechen -- sind nicht im geringsten
besser, als Zitz, Simon von Trier, Messenhauser und Fenner von Fenne-
berg, schließlich auch nicht besser, als der Schuhmacher Georg von Ginnheim,
der Mörder Lichnowskys, welcher noch heute auf dem Schlosse zu Marburg
Ketten sitzt." Darauf antwortete die Kreuzzeitung in ebenso heftigem
Tone, stellte es aber in Abrede, daß sie jemals etwas von Annexion und
Vergewaltigung der kleineren B-undesstaaten gesagt habe. Vilmar schleuderte


Grenzboten 1. 1863. 20

rüstung" Ausdruck leihe. Auf diesen Versuch der Regierungspresse, mit Vilmar
zu trcmsigiren, antwortete die „Hessenzeitung" in drei Artikeln, deren Ge-
sammtinhalt sich in den Sätzen zusammenfaßt: Das sind die Thaten der
preußischen Politik gegen Hessen. Nur mit dem tiefsten Schmerz und dem
Gefühl der bittersten Empörung denkt jedes kurhessische Herz an sie zurück
und wer auch nur ein weniges noch von Rechtsgefühl sich erhalten hat, der
kann sich nicht darüber wundern, daß die Hessenzeitung solche Thaten nicht
zu vergessen vermag, daß sie in gerechter Entrüstung immer wieder darauf
zurückkommt. Wolle doch der Schreiber der Nordd. Allg. Zeitung und
wollen doch auch unsere milden, durch ein hartes Wort so leicht verletzten
Freunde das nicht übersehen, daß eben solche Zugeständnisse, wie sie jener
Artikel des genannten Blattes immerhin als einen Anfang zum Besseren
enthält, doch nur die Frucht eben davon find, daß wir es nicht lassen kön¬
nen, immer und immer wieder hinzuweisen auf die schwere, un gesühnte
Schuld Preußens gegen Kurhessen." Hatte Vilmar so hiermit seinem
Princip Nichts vergeben und die Hand zur Versöhnung nur unter der
Bedingung angeboten, daß Preußen in Kurhessen wieder umstoße, was
es eben wieder ins Leben gerufen hatte, so brach er wenige Monate später
alle Verhandlungen mit der konservativen Presse Preußens ab. Zur Feier
des 18. Octobers ließ er sich folgendermaßen aus: „Jetzt sind diese Zeitungs¬
blätter — (die früher die italienische Revolution getadelt hatten) insgesammt,
auch die Kreuzzeitung, — von welcher übrigens schon im Jahre 1830 Je¬
mand zu dem Schreiber dieser Zeilen sagte: sie führe ja das Landwehrkreuz,
Zwischen dem Landwehrkreuz und dem Kreuze Christi sei aber noch ein großer
Unterschied — in das Lager der Revolution, meist in der schamlosesten
Weise, übergegangen. Mit hündischer Frechheit verkündigen sie: „die Macht
geht über das Recht". Mit der Stirn der Straßenräuber erklären sie: „wenn
sich irgend ein deutscher Staat es einfallen lassen sollte, Preußen in seinen
Plänen zu hindern, nämlich die Mittelstaaten und kleinen Staaten Deutsch¬
lands, zunächst Norddeutschlands, aus dem deutschen Bunde auszulösen und
^r Botmäßigkeit Preußens zu unterwerfen, so werde es Preußen auf einen
Kampf mit den Waffen ankommen lassen." Genau so sprachen auch Zitz,
Blum und deren Gesellen auf der Frankfurter Pfingstweide am 17. Sept.
1848, und diejenigen Preußen, welche so sprechen — sind nicht im geringsten
besser, als Zitz, Simon von Trier, Messenhauser und Fenner von Fenne-
berg, schließlich auch nicht besser, als der Schuhmacher Georg von Ginnheim,
der Mörder Lichnowskys, welcher noch heute auf dem Schlosse zu Marburg
Ketten sitzt." Darauf antwortete die Kreuzzeitung in ebenso heftigem
Tone, stellte es aber in Abrede, daß sie jemals etwas von Annexion und
Vergewaltigung der kleineren B-undesstaaten gesagt habe. Vilmar schleuderte


Grenzboten 1. 1863. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0161" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117167"/>
          <p xml:id="ID_441" prev="#ID_440" next="#ID_442"> rüstung" Ausdruck leihe. Auf diesen Versuch der Regierungspresse, mit Vilmar<lb/>
zu trcmsigiren, antwortete die &#x201E;Hessenzeitung" in drei Artikeln, deren Ge-<lb/>
sammtinhalt sich in den Sätzen zusammenfaßt: Das sind die Thaten der<lb/>
preußischen Politik gegen Hessen. Nur mit dem tiefsten Schmerz und dem<lb/>
Gefühl der bittersten Empörung denkt jedes kurhessische Herz an sie zurück<lb/>
und wer auch nur ein weniges noch von Rechtsgefühl sich erhalten hat, der<lb/>
kann sich nicht darüber wundern, daß die Hessenzeitung solche Thaten nicht<lb/>
zu vergessen vermag, daß sie in gerechter Entrüstung immer wieder darauf<lb/>
zurückkommt. Wolle doch der Schreiber der Nordd. Allg. Zeitung und<lb/>
wollen doch auch unsere milden, durch ein hartes Wort so leicht verletzten<lb/>
Freunde das nicht übersehen, daß eben solche Zugeständnisse, wie sie jener<lb/>
Artikel des genannten Blattes immerhin als einen Anfang zum Besseren<lb/>
enthält, doch nur die Frucht eben davon find, daß wir es nicht lassen kön¬<lb/>
nen, immer und immer wieder hinzuweisen auf die schwere, un gesühnte<lb/>
Schuld Preußens gegen Kurhessen." Hatte Vilmar so hiermit seinem<lb/>
Princip Nichts vergeben und die Hand zur Versöhnung nur unter der<lb/>
Bedingung angeboten, daß Preußen in Kurhessen wieder umstoße, was<lb/>
es eben wieder ins Leben gerufen hatte, so brach er wenige Monate später<lb/>
alle Verhandlungen mit der konservativen Presse Preußens ab. Zur Feier<lb/>
des 18. Octobers ließ er sich folgendermaßen aus: &#x201E;Jetzt sind diese Zeitungs¬<lb/>
blätter &#x2014; (die früher die italienische Revolution getadelt hatten) insgesammt,<lb/>
auch die Kreuzzeitung, &#x2014; von welcher übrigens schon im Jahre 1830 Je¬<lb/>
mand zu dem Schreiber dieser Zeilen sagte: sie führe ja das Landwehrkreuz,<lb/>
Zwischen dem Landwehrkreuz und dem Kreuze Christi sei aber noch ein großer<lb/>
Unterschied &#x2014; in das Lager der Revolution, meist in der schamlosesten<lb/>
Weise, übergegangen. Mit hündischer Frechheit verkündigen sie: &#x201E;die Macht<lb/>
geht über das Recht". Mit der Stirn der Straßenräuber erklären sie: &#x201E;wenn<lb/>
sich irgend ein deutscher Staat es einfallen lassen sollte, Preußen in seinen<lb/>
Plänen zu hindern, nämlich die Mittelstaaten und kleinen Staaten Deutsch¬<lb/>
lands, zunächst Norddeutschlands, aus dem deutschen Bunde auszulösen und<lb/>
^r Botmäßigkeit Preußens zu unterwerfen, so werde es Preußen auf einen<lb/>
Kampf mit den Waffen ankommen lassen." Genau so sprachen auch Zitz,<lb/>
Blum und deren Gesellen auf der Frankfurter Pfingstweide am 17. Sept.<lb/>
1848, und diejenigen Preußen, welche so sprechen &#x2014; sind nicht im geringsten<lb/>
besser, als Zitz, Simon von Trier, Messenhauser und Fenner von Fenne-<lb/>
berg, schließlich auch nicht besser, als der Schuhmacher Georg von Ginnheim,<lb/>
der Mörder Lichnowskys, welcher noch heute auf dem Schlosse zu Marburg<lb/>
Ketten sitzt." Darauf antwortete die Kreuzzeitung in ebenso heftigem<lb/>
Tone, stellte es aber in Abrede, daß sie jemals etwas von Annexion und<lb/>
Vergewaltigung der kleineren B-undesstaaten gesagt habe. Vilmar schleuderte</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1. 1863. 20</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0161] rüstung" Ausdruck leihe. Auf diesen Versuch der Regierungspresse, mit Vilmar zu trcmsigiren, antwortete die „Hessenzeitung" in drei Artikeln, deren Ge- sammtinhalt sich in den Sätzen zusammenfaßt: Das sind die Thaten der preußischen Politik gegen Hessen. Nur mit dem tiefsten Schmerz und dem Gefühl der bittersten Empörung denkt jedes kurhessische Herz an sie zurück und wer auch nur ein weniges noch von Rechtsgefühl sich erhalten hat, der kann sich nicht darüber wundern, daß die Hessenzeitung solche Thaten nicht zu vergessen vermag, daß sie in gerechter Entrüstung immer wieder darauf zurückkommt. Wolle doch der Schreiber der Nordd. Allg. Zeitung und wollen doch auch unsere milden, durch ein hartes Wort so leicht verletzten Freunde das nicht übersehen, daß eben solche Zugeständnisse, wie sie jener Artikel des genannten Blattes immerhin als einen Anfang zum Besseren enthält, doch nur die Frucht eben davon find, daß wir es nicht lassen kön¬ nen, immer und immer wieder hinzuweisen auf die schwere, un gesühnte Schuld Preußens gegen Kurhessen." Hatte Vilmar so hiermit seinem Princip Nichts vergeben und die Hand zur Versöhnung nur unter der Bedingung angeboten, daß Preußen in Kurhessen wieder umstoße, was es eben wieder ins Leben gerufen hatte, so brach er wenige Monate später alle Verhandlungen mit der konservativen Presse Preußens ab. Zur Feier des 18. Octobers ließ er sich folgendermaßen aus: „Jetzt sind diese Zeitungs¬ blätter — (die früher die italienische Revolution getadelt hatten) insgesammt, auch die Kreuzzeitung, — von welcher übrigens schon im Jahre 1830 Je¬ mand zu dem Schreiber dieser Zeilen sagte: sie führe ja das Landwehrkreuz, Zwischen dem Landwehrkreuz und dem Kreuze Christi sei aber noch ein großer Unterschied — in das Lager der Revolution, meist in der schamlosesten Weise, übergegangen. Mit hündischer Frechheit verkündigen sie: „die Macht geht über das Recht". Mit der Stirn der Straßenräuber erklären sie: „wenn sich irgend ein deutscher Staat es einfallen lassen sollte, Preußen in seinen Plänen zu hindern, nämlich die Mittelstaaten und kleinen Staaten Deutsch¬ lands, zunächst Norddeutschlands, aus dem deutschen Bunde auszulösen und ^r Botmäßigkeit Preußens zu unterwerfen, so werde es Preußen auf einen Kampf mit den Waffen ankommen lassen." Genau so sprachen auch Zitz, Blum und deren Gesellen auf der Frankfurter Pfingstweide am 17. Sept. 1848, und diejenigen Preußen, welche so sprechen — sind nicht im geringsten besser, als Zitz, Simon von Trier, Messenhauser und Fenner von Fenne- berg, schließlich auch nicht besser, als der Schuhmacher Georg von Ginnheim, der Mörder Lichnowskys, welcher noch heute auf dem Schlosse zu Marburg Ketten sitzt." Darauf antwortete die Kreuzzeitung in ebenso heftigem Tone, stellte es aber in Abrede, daß sie jemals etwas von Annexion und Vergewaltigung der kleineren B-undesstaaten gesagt habe. Vilmar schleuderte Grenzboten 1. 1863. 20

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/161
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/161>, abgerufen am 05.02.2025.