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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Freiheit soll unsern Herren werden, jede Art von Gentlemen aus ihrem Volke
um sich zu sammeln, damit die größte Gefahr ihrer hohen und isolirten Stel¬
lung beseitigt werde, die Abhängigkeit von den Anschauungen und Vorur-
theilen eines bestimmten Standes; denn diese Abhängigkeit hat nur zu oft
beigetragen, ihr Verständniß und Urtheil über die höchsten Interessen des
Staates zu verengen. Solange der Adel die Hoffähigkeit als sein Vorrecht
betrachten darf, sind unsere Fürsten in Gefahr, in dem Gesichtskreise deutscher
Junker zu beharren, und ihrerseits wieder der Loyalität ihres Adels einen Zu¬
satz von höfischer Unselbständigkeit und von Carriöresucht zu geben, welcher
die Tüchtigkeit vieler ehrenwerthen Männer nicht steigert. So ist dem Fürsten
nicht weniger als dem Staat nachtheilig, wenn er neue Kraft, die er an
sich heranziehen möchte, dadurch vom Volke isolirt, daß er ihr die Traditio¬
nen und Ueberlieferungen eines bestimmten Standes aneignet.

Aus diesen Gründen ist es für Regenten nicht vortheilhaft, die Zahl
unserer adeligen Familien durch neue Adelsdiplome zu vermehren, den
Nichtadeligen aber ein Unrecht, solche Verleihung für sich zu suchen.

Leider ersolgt die Ertheilung der Adelsdiplome in der Regel nur auf
das Gesuch Begehrlicher, und in manchen Jahren ist, wie man vernimmt,
der Andrang von eitlen Bewerbern besonders stark. Als Act freiwilli¬
ger Gnade scheint die ungesuchte Ertheilung eines Adelsbriefes und Wap¬
pens fast nur bei Thronbesteigung oder andern außergewöhnlichen Staats-
actionen. Es hat deshalb dem ganzen Volke wohlgethan, daß man in
Preußen nach den Siegen des Jahres 1866 völlig vermieden hat, unter
die Decorationen und Gnadenbeweise auch die Verleihung des Adels an Bür¬
gerliche aufzunehmen. Möge dies Prinzip fortan in Preußen Geltung be¬
halten und das Königsgeschlecht der Hohenzollern seine Hingabe an die Be-
dürfnisse des neuen Staates auch dadurch erweisen, daß es von einem
Fürstenrecht, welches aus weit andern Kulturzuständen überkommen ist.
fortan nicht mehr Gebrauch mache. Dann wird der stille Gegensatz, welcher
hie und da noch zwischen den Interessen des Adels und des Volkes zu Tage
kommt, sich von selbst leise und allmählich, ohne daß darum Acte der Gesetz¬
gebung nöthig wären, in den Fortschritten versöhnen, welche Wohlstand,
und Bildung, und die Hingabe Aller an das Vaterland machen.


G. F.


Freiheit soll unsern Herren werden, jede Art von Gentlemen aus ihrem Volke
um sich zu sammeln, damit die größte Gefahr ihrer hohen und isolirten Stel¬
lung beseitigt werde, die Abhängigkeit von den Anschauungen und Vorur-
theilen eines bestimmten Standes; denn diese Abhängigkeit hat nur zu oft
beigetragen, ihr Verständniß und Urtheil über die höchsten Interessen des
Staates zu verengen. Solange der Adel die Hoffähigkeit als sein Vorrecht
betrachten darf, sind unsere Fürsten in Gefahr, in dem Gesichtskreise deutscher
Junker zu beharren, und ihrerseits wieder der Loyalität ihres Adels einen Zu¬
satz von höfischer Unselbständigkeit und von Carriöresucht zu geben, welcher
die Tüchtigkeit vieler ehrenwerthen Männer nicht steigert. So ist dem Fürsten
nicht weniger als dem Staat nachtheilig, wenn er neue Kraft, die er an
sich heranziehen möchte, dadurch vom Volke isolirt, daß er ihr die Traditio¬
nen und Ueberlieferungen eines bestimmten Standes aneignet.

Aus diesen Gründen ist es für Regenten nicht vortheilhaft, die Zahl
unserer adeligen Familien durch neue Adelsdiplome zu vermehren, den
Nichtadeligen aber ein Unrecht, solche Verleihung für sich zu suchen.

Leider ersolgt die Ertheilung der Adelsdiplome in der Regel nur auf
das Gesuch Begehrlicher, und in manchen Jahren ist, wie man vernimmt,
der Andrang von eitlen Bewerbern besonders stark. Als Act freiwilli¬
ger Gnade scheint die ungesuchte Ertheilung eines Adelsbriefes und Wap¬
pens fast nur bei Thronbesteigung oder andern außergewöhnlichen Staats-
actionen. Es hat deshalb dem ganzen Volke wohlgethan, daß man in
Preußen nach den Siegen des Jahres 1866 völlig vermieden hat, unter
die Decorationen und Gnadenbeweise auch die Verleihung des Adels an Bür¬
gerliche aufzunehmen. Möge dies Prinzip fortan in Preußen Geltung be¬
halten und das Königsgeschlecht der Hohenzollern seine Hingabe an die Be-
dürfnisse des neuen Staates auch dadurch erweisen, daß es von einem
Fürstenrecht, welches aus weit andern Kulturzuständen überkommen ist.
fortan nicht mehr Gebrauch mache. Dann wird der stille Gegensatz, welcher
hie und da noch zwischen den Interessen des Adels und des Volkes zu Tage
kommt, sich von selbst leise und allmählich, ohne daß darum Acte der Gesetz¬
gebung nöthig wären, in den Fortschritten versöhnen, welche Wohlstand,
und Bildung, und die Hingabe Aller an das Vaterland machen.


G. F.


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[0016] Freiheit soll unsern Herren werden, jede Art von Gentlemen aus ihrem Volke um sich zu sammeln, damit die größte Gefahr ihrer hohen und isolirten Stel¬ lung beseitigt werde, die Abhängigkeit von den Anschauungen und Vorur- theilen eines bestimmten Standes; denn diese Abhängigkeit hat nur zu oft beigetragen, ihr Verständniß und Urtheil über die höchsten Interessen des Staates zu verengen. Solange der Adel die Hoffähigkeit als sein Vorrecht betrachten darf, sind unsere Fürsten in Gefahr, in dem Gesichtskreise deutscher Junker zu beharren, und ihrerseits wieder der Loyalität ihres Adels einen Zu¬ satz von höfischer Unselbständigkeit und von Carriöresucht zu geben, welcher die Tüchtigkeit vieler ehrenwerthen Männer nicht steigert. So ist dem Fürsten nicht weniger als dem Staat nachtheilig, wenn er neue Kraft, die er an sich heranziehen möchte, dadurch vom Volke isolirt, daß er ihr die Traditio¬ nen und Ueberlieferungen eines bestimmten Standes aneignet. Aus diesen Gründen ist es für Regenten nicht vortheilhaft, die Zahl unserer adeligen Familien durch neue Adelsdiplome zu vermehren, den Nichtadeligen aber ein Unrecht, solche Verleihung für sich zu suchen. Leider ersolgt die Ertheilung der Adelsdiplome in der Regel nur auf das Gesuch Begehrlicher, und in manchen Jahren ist, wie man vernimmt, der Andrang von eitlen Bewerbern besonders stark. Als Act freiwilli¬ ger Gnade scheint die ungesuchte Ertheilung eines Adelsbriefes und Wap¬ pens fast nur bei Thronbesteigung oder andern außergewöhnlichen Staats- actionen. Es hat deshalb dem ganzen Volke wohlgethan, daß man in Preußen nach den Siegen des Jahres 1866 völlig vermieden hat, unter die Decorationen und Gnadenbeweise auch die Verleihung des Adels an Bür¬ gerliche aufzunehmen. Möge dies Prinzip fortan in Preußen Geltung be¬ halten und das Königsgeschlecht der Hohenzollern seine Hingabe an die Be- dürfnisse des neuen Staates auch dadurch erweisen, daß es von einem Fürstenrecht, welches aus weit andern Kulturzuständen überkommen ist. fortan nicht mehr Gebrauch mache. Dann wird der stille Gegensatz, welcher hie und da noch zwischen den Interessen des Adels und des Volkes zu Tage kommt, sich von selbst leise und allmählich, ohne daß darum Acte der Gesetz¬ gebung nöthig wären, in den Fortschritten versöhnen, welche Wohlstand, und Bildung, und die Hingabe Aller an das Vaterland machen. G. F.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/16>, abgerufen am 01.07.2024.