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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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kung der türkischen Macht sehr hold ist, ihrem berühmten und erfindungs¬
reichen blick-eollstruetor, Mr. Need. im Jahre 186S gestattet, die Pläne für
das projectirte türkische Panzerschiff zu liefern; jetzt zieht Deutschland den
Vortheil von ihrer Vorzüglichkeit. Die Linien des "König Wilhelm" sind,
mit Rücksicht auf das ungeheure Panzergewicht, unter Wasser ziemlich voll und
rund gehalten. Da indessen volle Schiffe stets mehr Schlingern -- seitlich
schwanken -- weil sie bei ihrem runden Bau leichter im Wasser um ihre
Längenaxe rollen, als scharsgebaute Schiffe, deren "Kielkante" in das Wasser
einschneidet, so hat man diesem Schiffe, wie schon mehreren englischen Panzer¬
schiffen, unten zwei Seitenkiele gegeben, d. h. man hat ungefähr an den
Stellen, wo der Boden des Schiffs sich seitlich am stärksten aufwärts zu
krümmen beginnt, aus jeder Flanke einen Kiel untergebolzt, dessen Stärke
(Höhe) nach vorn und nach hinten zu allmählich abnimmt, bis er zuletzt ganz
verschwindet.

Auch die Bugform ist eigenthümlich: der Vorsteven (die vordere Kante
des Schiffs) geht nicht senkrecht zum Wasser nieder, sondern beginnt gleich
vom Deck aus mit starker Schrägung nach vorwärts hin zum Wasser abzu¬
fallen, einige Fuß unter Wasser aber, wo sie eine Spitze bildet; in einer
ziemlich vollen Curve zurückzuweichen, bis sie in den Kiel übergeht. Die
Spitze, welche auf diese Weise entstanden ist, zeigt im Profil ziemlich die¬
selbe Form, wie bei den allerneuesten französischen Panzerschifftypen "Ma-
rengo", "Alma", und ist zum Anrennen feindlicher Schiffe bestimmt. Von
vorn betrachtet, ist sie indessen bei weitem voller gehalten, und man erkennt
in ihr unschwer den Reed'schen "Pflugschaarbug" (plouFN-evuItör bon), der
aus einer Modifikation des Dupuis-de-L6me'schen Bug hervorgegangen ist.
Dieser französische Chefconstructeur nämlich ist von der bei Holzschiffen ge¬
wöhnlichen oben aufschießenden Bugform und ebenso von der senkrechten Ste¬
venform der "Moire" abgegangen, und hat bei seinen Panzerzweideckern "Ma-
genta" und "Solferino" eine Bugform gewählt, die unter Wasser weitaus¬
schießt, und über Wasser etwas zurückgelehnt liegt, in dem Bedürfniß, beim Pan¬
zerschiff möglichst viel vom Rumpf unter Wasser zu legen, wo keine Eisen¬
panzerung nöthig ist, und andererseits einen zum Anrennen feindlicher Schiffe
brauchbaren Theil zu haben. Bei der verhältnißmäßig geringen Länge und
großen Breite seiner Schiffe bekam dadurch der Bug über Wasser annähernd
die Form einer Schwanenbrust (s^oans breast) während unter Wasser der
Querschnitt scharf wie früher blieb, in Gestalt eines V. (V-slmxsä too).
Need, der englische Chiefconstructor adoptirte die Veränderung, aber mit
wichtigen Modifikationen. Um dem Vorschiff unter Wasser mehr Schwimm¬
kraft und Tragfähigkeit für eine schwere Bugbatterie oder einen Sporn zu
geben, wandte er die flache, unten breite, im Querschnitt einem I) ähnliche


kung der türkischen Macht sehr hold ist, ihrem berühmten und erfindungs¬
reichen blick-eollstruetor, Mr. Need. im Jahre 186S gestattet, die Pläne für
das projectirte türkische Panzerschiff zu liefern; jetzt zieht Deutschland den
Vortheil von ihrer Vorzüglichkeit. Die Linien des „König Wilhelm" sind,
mit Rücksicht auf das ungeheure Panzergewicht, unter Wasser ziemlich voll und
rund gehalten. Da indessen volle Schiffe stets mehr Schlingern — seitlich
schwanken — weil sie bei ihrem runden Bau leichter im Wasser um ihre
Längenaxe rollen, als scharsgebaute Schiffe, deren „Kielkante" in das Wasser
einschneidet, so hat man diesem Schiffe, wie schon mehreren englischen Panzer¬
schiffen, unten zwei Seitenkiele gegeben, d. h. man hat ungefähr an den
Stellen, wo der Boden des Schiffs sich seitlich am stärksten aufwärts zu
krümmen beginnt, aus jeder Flanke einen Kiel untergebolzt, dessen Stärke
(Höhe) nach vorn und nach hinten zu allmählich abnimmt, bis er zuletzt ganz
verschwindet.

Auch die Bugform ist eigenthümlich: der Vorsteven (die vordere Kante
des Schiffs) geht nicht senkrecht zum Wasser nieder, sondern beginnt gleich
vom Deck aus mit starker Schrägung nach vorwärts hin zum Wasser abzu¬
fallen, einige Fuß unter Wasser aber, wo sie eine Spitze bildet; in einer
ziemlich vollen Curve zurückzuweichen, bis sie in den Kiel übergeht. Die
Spitze, welche auf diese Weise entstanden ist, zeigt im Profil ziemlich die¬
selbe Form, wie bei den allerneuesten französischen Panzerschifftypen „Ma-
rengo", „Alma", und ist zum Anrennen feindlicher Schiffe bestimmt. Von
vorn betrachtet, ist sie indessen bei weitem voller gehalten, und man erkennt
in ihr unschwer den Reed'schen „Pflugschaarbug" (plouFN-evuItör bon), der
aus einer Modifikation des Dupuis-de-L6me'schen Bug hervorgegangen ist.
Dieser französische Chefconstructeur nämlich ist von der bei Holzschiffen ge¬
wöhnlichen oben aufschießenden Bugform und ebenso von der senkrechten Ste¬
venform der „Moire" abgegangen, und hat bei seinen Panzerzweideckern „Ma-
genta" und „Solferino" eine Bugform gewählt, die unter Wasser weitaus¬
schießt, und über Wasser etwas zurückgelehnt liegt, in dem Bedürfniß, beim Pan¬
zerschiff möglichst viel vom Rumpf unter Wasser zu legen, wo keine Eisen¬
panzerung nöthig ist, und andererseits einen zum Anrennen feindlicher Schiffe
brauchbaren Theil zu haben. Bei der verhältnißmäßig geringen Länge und
großen Breite seiner Schiffe bekam dadurch der Bug über Wasser annähernd
die Form einer Schwanenbrust (s^oans breast) während unter Wasser der
Querschnitt scharf wie früher blieb, in Gestalt eines V. (V-slmxsä too).
Need, der englische Chiefconstructor adoptirte die Veränderung, aber mit
wichtigen Modifikationen. Um dem Vorschiff unter Wasser mehr Schwimm¬
kraft und Tragfähigkeit für eine schwere Bugbatterie oder einen Sporn zu
geben, wandte er die flache, unten breite, im Querschnitt einem I) ähnliche


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[0144] kung der türkischen Macht sehr hold ist, ihrem berühmten und erfindungs¬ reichen blick-eollstruetor, Mr. Need. im Jahre 186S gestattet, die Pläne für das projectirte türkische Panzerschiff zu liefern; jetzt zieht Deutschland den Vortheil von ihrer Vorzüglichkeit. Die Linien des „König Wilhelm" sind, mit Rücksicht auf das ungeheure Panzergewicht, unter Wasser ziemlich voll und rund gehalten. Da indessen volle Schiffe stets mehr Schlingern — seitlich schwanken — weil sie bei ihrem runden Bau leichter im Wasser um ihre Längenaxe rollen, als scharsgebaute Schiffe, deren „Kielkante" in das Wasser einschneidet, so hat man diesem Schiffe, wie schon mehreren englischen Panzer¬ schiffen, unten zwei Seitenkiele gegeben, d. h. man hat ungefähr an den Stellen, wo der Boden des Schiffs sich seitlich am stärksten aufwärts zu krümmen beginnt, aus jeder Flanke einen Kiel untergebolzt, dessen Stärke (Höhe) nach vorn und nach hinten zu allmählich abnimmt, bis er zuletzt ganz verschwindet. Auch die Bugform ist eigenthümlich: der Vorsteven (die vordere Kante des Schiffs) geht nicht senkrecht zum Wasser nieder, sondern beginnt gleich vom Deck aus mit starker Schrägung nach vorwärts hin zum Wasser abzu¬ fallen, einige Fuß unter Wasser aber, wo sie eine Spitze bildet; in einer ziemlich vollen Curve zurückzuweichen, bis sie in den Kiel übergeht. Die Spitze, welche auf diese Weise entstanden ist, zeigt im Profil ziemlich die¬ selbe Form, wie bei den allerneuesten französischen Panzerschifftypen „Ma- rengo", „Alma", und ist zum Anrennen feindlicher Schiffe bestimmt. Von vorn betrachtet, ist sie indessen bei weitem voller gehalten, und man erkennt in ihr unschwer den Reed'schen „Pflugschaarbug" (plouFN-evuItör bon), der aus einer Modifikation des Dupuis-de-L6me'schen Bug hervorgegangen ist. Dieser französische Chefconstructeur nämlich ist von der bei Holzschiffen ge¬ wöhnlichen oben aufschießenden Bugform und ebenso von der senkrechten Ste¬ venform der „Moire" abgegangen, und hat bei seinen Panzerzweideckern „Ma- genta" und „Solferino" eine Bugform gewählt, die unter Wasser weitaus¬ schießt, und über Wasser etwas zurückgelehnt liegt, in dem Bedürfniß, beim Pan¬ zerschiff möglichst viel vom Rumpf unter Wasser zu legen, wo keine Eisen¬ panzerung nöthig ist, und andererseits einen zum Anrennen feindlicher Schiffe brauchbaren Theil zu haben. Bei der verhältnißmäßig geringen Länge und großen Breite seiner Schiffe bekam dadurch der Bug über Wasser annähernd die Form einer Schwanenbrust (s^oans breast) während unter Wasser der Querschnitt scharf wie früher blieb, in Gestalt eines V. (V-slmxsä too). Need, der englische Chiefconstructor adoptirte die Veränderung, aber mit wichtigen Modifikationen. Um dem Vorschiff unter Wasser mehr Schwimm¬ kraft und Tragfähigkeit für eine schwere Bugbatterie oder einen Sporn zu geben, wandte er die flache, unten breite, im Querschnitt einem I) ähnliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/144>, abgerufen am 24.08.2024.