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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Adelsprädicate angeboten wurden, eine Ablehnung nachtheilig für die
großen Geschäfte halten, welche zu fördern sein Beruf war. Wir sind auch
nicht gemeint, streng zu urtheilen über den jungen Offizier, der unter den
adeligen Kameraden Brief und Wappen für begehrenswerth fand, obgleich
er einem großen Prinzip des neuen Staats und wahrscheinlich allen seinen
bürgerlichen Kameraden weh that. Und ferner möchten wir besondere Nach-
sicht erbitten den deutschen Künstlern, welche höchst souverän im Reich der
Farben. Töne und schöngeschwungenen Linien walteten, und doch auf deut¬
schem Boden, in einem noch armen und mühevoll erwerbenden Volk von der
Gnade eines kleinen Fürsten abhingen, wenn ihnen in enger Lust der Künst¬
lerstolz klein wurde und wenn sie, unpolitische Männer, einmal vergaßen, daß
der von keinem irdischen Fürsten einen Adelsbrief nehmen darf, den eine
höhere Macht selbst gefürstet hat der Nation zu Freude und Segen. Schwerer
wird uns, den Mangel an Selbstgefühl und politischem Tact bei den zahlrei¬
chen bürgerlichen Industriellen und Gutsbesitzern zu entschuldigen, die in der
Höhe ihres Mannesalters, mitten im Volk stehend, eine Verleihung des Adels
als Auszeichnung für sich begehren.

Denn wie kommt es doch, daß die. Nation mit Unwillen und Spott, ja
mit sehr lebhafter Mißachtung, auf solche Ertheilung neuen Adels blickt, zumal
wenn sie einer Bewerbung folgt? Ist es Neid, welchen die distinguirende
Hervorhebung des Einzelnen aufregt? Ist es deutscher Unwille über die
Eitelkeit und das Streben nach äußerlicher Distinction? Ist es Parteigeist,
welcher einen ansehnlichen Bürger nicht übergeführt sehen will in einen
Stand, der in seiner Majorität immer noch politische und sociale Anschau¬
ungen bewahrt, welche den Quellen bürgerlicher Thatkraft und bürger¬
lichen Ehrgefühls nicht völlig entsprechen? Oder ist es im letzten Grunde
ein größerer politischer Vorwurf, welcher gegen solche erhoben wird, die sich
den Adel suchen?

Angenommen, es wäre in unsrer Zeit noch möglich, zwischen dem Regen¬
ten und den Regierten einen erblichen Adelstand von Gentlemen aufzurichten,
welcher die Tendenz hat, alle in sich aufzunehmen, die durch Vermögen,
Talent und ansehnliche Stellung aus dem Volke herausragen, so würde
bei cousequenter Durchführung dieses Prinzips zunächst das Volk zweitheilig
zerschnitten, ein durchaus unerträglicher Gegensatz zwischen Herrschenden und
Beherrschten hervorgerufen. Freilich auch im Laufe der Zeit der Adel selbst
vernichtet, denn die Kinder und Nachkommen aller Männer, welche in solcher
Weise aus dem Volk herausgehoben sind, würden bei einer Abnahme ihrer
Tüchtigkeit und ihres Vermögens vor dem Zurücksinken in die Masse des
Volkes doch nicht bewahrt werden können, und man könnte im besten Fall
nichts schaffen als eine immer zahlreicher werdende Kaste von Braminen


Adelsprädicate angeboten wurden, eine Ablehnung nachtheilig für die
großen Geschäfte halten, welche zu fördern sein Beruf war. Wir sind auch
nicht gemeint, streng zu urtheilen über den jungen Offizier, der unter den
adeligen Kameraden Brief und Wappen für begehrenswerth fand, obgleich
er einem großen Prinzip des neuen Staats und wahrscheinlich allen seinen
bürgerlichen Kameraden weh that. Und ferner möchten wir besondere Nach-
sicht erbitten den deutschen Künstlern, welche höchst souverän im Reich der
Farben. Töne und schöngeschwungenen Linien walteten, und doch auf deut¬
schem Boden, in einem noch armen und mühevoll erwerbenden Volk von der
Gnade eines kleinen Fürsten abhingen, wenn ihnen in enger Lust der Künst¬
lerstolz klein wurde und wenn sie, unpolitische Männer, einmal vergaßen, daß
der von keinem irdischen Fürsten einen Adelsbrief nehmen darf, den eine
höhere Macht selbst gefürstet hat der Nation zu Freude und Segen. Schwerer
wird uns, den Mangel an Selbstgefühl und politischem Tact bei den zahlrei¬
chen bürgerlichen Industriellen und Gutsbesitzern zu entschuldigen, die in der
Höhe ihres Mannesalters, mitten im Volk stehend, eine Verleihung des Adels
als Auszeichnung für sich begehren.

Denn wie kommt es doch, daß die. Nation mit Unwillen und Spott, ja
mit sehr lebhafter Mißachtung, auf solche Ertheilung neuen Adels blickt, zumal
wenn sie einer Bewerbung folgt? Ist es Neid, welchen die distinguirende
Hervorhebung des Einzelnen aufregt? Ist es deutscher Unwille über die
Eitelkeit und das Streben nach äußerlicher Distinction? Ist es Parteigeist,
welcher einen ansehnlichen Bürger nicht übergeführt sehen will in einen
Stand, der in seiner Majorität immer noch politische und sociale Anschau¬
ungen bewahrt, welche den Quellen bürgerlicher Thatkraft und bürger¬
lichen Ehrgefühls nicht völlig entsprechen? Oder ist es im letzten Grunde
ein größerer politischer Vorwurf, welcher gegen solche erhoben wird, die sich
den Adel suchen?

Angenommen, es wäre in unsrer Zeit noch möglich, zwischen dem Regen¬
ten und den Regierten einen erblichen Adelstand von Gentlemen aufzurichten,
welcher die Tendenz hat, alle in sich aufzunehmen, die durch Vermögen,
Talent und ansehnliche Stellung aus dem Volke herausragen, so würde
bei cousequenter Durchführung dieses Prinzips zunächst das Volk zweitheilig
zerschnitten, ein durchaus unerträglicher Gegensatz zwischen Herrschenden und
Beherrschten hervorgerufen. Freilich auch im Laufe der Zeit der Adel selbst
vernichtet, denn die Kinder und Nachkommen aller Männer, welche in solcher
Weise aus dem Volk herausgehoben sind, würden bei einer Abnahme ihrer
Tüchtigkeit und ihres Vermögens vor dem Zurücksinken in die Masse des
Volkes doch nicht bewahrt werden können, und man könnte im besten Fall
nichts schaffen als eine immer zahlreicher werdende Kaste von Braminen


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[0013] Adelsprädicate angeboten wurden, eine Ablehnung nachtheilig für die großen Geschäfte halten, welche zu fördern sein Beruf war. Wir sind auch nicht gemeint, streng zu urtheilen über den jungen Offizier, der unter den adeligen Kameraden Brief und Wappen für begehrenswerth fand, obgleich er einem großen Prinzip des neuen Staats und wahrscheinlich allen seinen bürgerlichen Kameraden weh that. Und ferner möchten wir besondere Nach- sicht erbitten den deutschen Künstlern, welche höchst souverän im Reich der Farben. Töne und schöngeschwungenen Linien walteten, und doch auf deut¬ schem Boden, in einem noch armen und mühevoll erwerbenden Volk von der Gnade eines kleinen Fürsten abhingen, wenn ihnen in enger Lust der Künst¬ lerstolz klein wurde und wenn sie, unpolitische Männer, einmal vergaßen, daß der von keinem irdischen Fürsten einen Adelsbrief nehmen darf, den eine höhere Macht selbst gefürstet hat der Nation zu Freude und Segen. Schwerer wird uns, den Mangel an Selbstgefühl und politischem Tact bei den zahlrei¬ chen bürgerlichen Industriellen und Gutsbesitzern zu entschuldigen, die in der Höhe ihres Mannesalters, mitten im Volk stehend, eine Verleihung des Adels als Auszeichnung für sich begehren. Denn wie kommt es doch, daß die. Nation mit Unwillen und Spott, ja mit sehr lebhafter Mißachtung, auf solche Ertheilung neuen Adels blickt, zumal wenn sie einer Bewerbung folgt? Ist es Neid, welchen die distinguirende Hervorhebung des Einzelnen aufregt? Ist es deutscher Unwille über die Eitelkeit und das Streben nach äußerlicher Distinction? Ist es Parteigeist, welcher einen ansehnlichen Bürger nicht übergeführt sehen will in einen Stand, der in seiner Majorität immer noch politische und sociale Anschau¬ ungen bewahrt, welche den Quellen bürgerlicher Thatkraft und bürger¬ lichen Ehrgefühls nicht völlig entsprechen? Oder ist es im letzten Grunde ein größerer politischer Vorwurf, welcher gegen solche erhoben wird, die sich den Adel suchen? Angenommen, es wäre in unsrer Zeit noch möglich, zwischen dem Regen¬ ten und den Regierten einen erblichen Adelstand von Gentlemen aufzurichten, welcher die Tendenz hat, alle in sich aufzunehmen, die durch Vermögen, Talent und ansehnliche Stellung aus dem Volke herausragen, so würde bei cousequenter Durchführung dieses Prinzips zunächst das Volk zweitheilig zerschnitten, ein durchaus unerträglicher Gegensatz zwischen Herrschenden und Beherrschten hervorgerufen. Freilich auch im Laufe der Zeit der Adel selbst vernichtet, denn die Kinder und Nachkommen aller Männer, welche in solcher Weise aus dem Volk herausgehoben sind, würden bei einer Abnahme ihrer Tüchtigkeit und ihres Vermögens vor dem Zurücksinken in die Masse des Volkes doch nicht bewahrt werden können, und man könnte im besten Fall nichts schaffen als eine immer zahlreicher werdende Kaste von Braminen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/13>, abgerufen am 25.08.2024.