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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Ziehen wir die Summe. Die Aufrechterhaltung des Friedens mit
Preußen, welche das neue Ministerium auf sein Schild geschrieben hat, fällt
mit dem Interesse desselben aufs engste zusammen: soll mit der "neuen Aera"
wirklich Ernst gemacht werden, so ist es nothwendig, daß alle Kraft auf die
Lösung der inneren Schwierigkeiten, auf den Ausbau einer freisinnigen Ver¬
fassung, die Kräftigung des deutschen Elements und des von diesem getragenen
Volkswohlstandes verwendet werde. Weil eine solche Politik aber in schroffem
Gegensatz zu allem steht, was man in der Hofburg als östreichische Erbweis¬
heit verehrt, wird die Befolgung derselben die Stellung der neuen Minister
zur Krone und zu der Kaste, welche bisher das Scepter geführt hat. er¬
schweren. Oestreichs deutsche Freunde werden ihre Drohung wahr machen
und im Bunde mit Aristokraten, Klerikalen und Czechen gegen das neue
Ministerium Sturm laufen, wenn dieses wirklich seinem Programm treu
bleibt. Grade die Unfähigkeit dieser Parteien zu positivem Schaffen, zu ge¬
deihlicher Förderung der Volkswohlfahrt macht dieselben zu verzweifelten Spie¬
lern, welche am liebsten auf eine Karte setzen, deren Gewinn sich nicht im
voraus berechnen läßt.

In diesem Sinne ist die Sache des liberalen Oestreichs die unsere und
die Sache des Friedens. Ganz abgesehen von den gewichtigen Gründen, aus
denen der Kaiserstaat seine Blicke nach Osten und nicht nach Westen zu richten
hat, müssen seine Staatsmänner sich sagen, daß die Aufrechterhaltung guter
Beziehungen zu dem neuen Deutschland die vonäitio sino eins. non jedes Ver¬
suchs zum Neubau dieser zerrütteten Monarchie ist und daß die Vortheile,
welche eine französische Allianz im besten Falle haben würde, reichlich auf¬
gewogen werden durch die Nachtheile, welche auf die Sache der Volksfreiheit
im Falle der Friedensstörung unfehlbar hereinbrechen. Nachdem die Loth"
ringer es mit allen möglichen Bundesgenossenschaften versucht haben, sind
sie auf die ihrer deutschen Unterthanen verfallen; verzichten sie anderen Plänen
zu Liebe auf diese, so ist es um die Männer des Volksvertrauens von selbst
geschehen. So ^lange diese die Augen offen haben, werden sie sich an das
Friedensprogramm, das zugleich das Freiheitsprogramm ist, fest anklammern.
Aber die einfache Forderung, dem Gesetz der Vernunft und des wahren,
eigenen Vortheils zu folgen, ist leichter ausgesprochen als erfüllt. Innerhalb
wie außerhalb Oestreichs erweisen sich die unvernünftigsten, aus den dunkelsten
Quellen steigenden Motive zuweilen als die stärksten Triebfedern menschlichen
Wollens und Handelns.




Vcrantworiliche R,'docem>re: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Hrrbig. -- Druck von Hiithel Legler in Leipzig.

Ziehen wir die Summe. Die Aufrechterhaltung des Friedens mit
Preußen, welche das neue Ministerium auf sein Schild geschrieben hat, fällt
mit dem Interesse desselben aufs engste zusammen: soll mit der „neuen Aera"
wirklich Ernst gemacht werden, so ist es nothwendig, daß alle Kraft auf die
Lösung der inneren Schwierigkeiten, auf den Ausbau einer freisinnigen Ver¬
fassung, die Kräftigung des deutschen Elements und des von diesem getragenen
Volkswohlstandes verwendet werde. Weil eine solche Politik aber in schroffem
Gegensatz zu allem steht, was man in der Hofburg als östreichische Erbweis¬
heit verehrt, wird die Befolgung derselben die Stellung der neuen Minister
zur Krone und zu der Kaste, welche bisher das Scepter geführt hat. er¬
schweren. Oestreichs deutsche Freunde werden ihre Drohung wahr machen
und im Bunde mit Aristokraten, Klerikalen und Czechen gegen das neue
Ministerium Sturm laufen, wenn dieses wirklich seinem Programm treu
bleibt. Grade die Unfähigkeit dieser Parteien zu positivem Schaffen, zu ge¬
deihlicher Förderung der Volkswohlfahrt macht dieselben zu verzweifelten Spie¬
lern, welche am liebsten auf eine Karte setzen, deren Gewinn sich nicht im
voraus berechnen läßt.

In diesem Sinne ist die Sache des liberalen Oestreichs die unsere und
die Sache des Friedens. Ganz abgesehen von den gewichtigen Gründen, aus
denen der Kaiserstaat seine Blicke nach Osten und nicht nach Westen zu richten
hat, müssen seine Staatsmänner sich sagen, daß die Aufrechterhaltung guter
Beziehungen zu dem neuen Deutschland die vonäitio sino eins. non jedes Ver¬
suchs zum Neubau dieser zerrütteten Monarchie ist und daß die Vortheile,
welche eine französische Allianz im besten Falle haben würde, reichlich auf¬
gewogen werden durch die Nachtheile, welche auf die Sache der Volksfreiheit
im Falle der Friedensstörung unfehlbar hereinbrechen. Nachdem die Loth«
ringer es mit allen möglichen Bundesgenossenschaften versucht haben, sind
sie auf die ihrer deutschen Unterthanen verfallen; verzichten sie anderen Plänen
zu Liebe auf diese, so ist es um die Männer des Volksvertrauens von selbst
geschehen. So ^lange diese die Augen offen haben, werden sie sich an das
Friedensprogramm, das zugleich das Freiheitsprogramm ist, fest anklammern.
Aber die einfache Forderung, dem Gesetz der Vernunft und des wahren,
eigenen Vortheils zu folgen, ist leichter ausgesprochen als erfüllt. Innerhalb
wie außerhalb Oestreichs erweisen sich die unvernünftigsten, aus den dunkelsten
Quellen steigenden Motive zuweilen als die stärksten Triebfedern menschlichen
Wollens und Handelns.




Vcrantworiliche R,'docem>re: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Hrrbig. — Druck von Hiithel Legler in Leipzig.
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[0128] Ziehen wir die Summe. Die Aufrechterhaltung des Friedens mit Preußen, welche das neue Ministerium auf sein Schild geschrieben hat, fällt mit dem Interesse desselben aufs engste zusammen: soll mit der „neuen Aera" wirklich Ernst gemacht werden, so ist es nothwendig, daß alle Kraft auf die Lösung der inneren Schwierigkeiten, auf den Ausbau einer freisinnigen Ver¬ fassung, die Kräftigung des deutschen Elements und des von diesem getragenen Volkswohlstandes verwendet werde. Weil eine solche Politik aber in schroffem Gegensatz zu allem steht, was man in der Hofburg als östreichische Erbweis¬ heit verehrt, wird die Befolgung derselben die Stellung der neuen Minister zur Krone und zu der Kaste, welche bisher das Scepter geführt hat. er¬ schweren. Oestreichs deutsche Freunde werden ihre Drohung wahr machen und im Bunde mit Aristokraten, Klerikalen und Czechen gegen das neue Ministerium Sturm laufen, wenn dieses wirklich seinem Programm treu bleibt. Grade die Unfähigkeit dieser Parteien zu positivem Schaffen, zu ge¬ deihlicher Förderung der Volkswohlfahrt macht dieselben zu verzweifelten Spie¬ lern, welche am liebsten auf eine Karte setzen, deren Gewinn sich nicht im voraus berechnen läßt. In diesem Sinne ist die Sache des liberalen Oestreichs die unsere und die Sache des Friedens. Ganz abgesehen von den gewichtigen Gründen, aus denen der Kaiserstaat seine Blicke nach Osten und nicht nach Westen zu richten hat, müssen seine Staatsmänner sich sagen, daß die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu dem neuen Deutschland die vonäitio sino eins. non jedes Ver¬ suchs zum Neubau dieser zerrütteten Monarchie ist und daß die Vortheile, welche eine französische Allianz im besten Falle haben würde, reichlich auf¬ gewogen werden durch die Nachtheile, welche auf die Sache der Volksfreiheit im Falle der Friedensstörung unfehlbar hereinbrechen. Nachdem die Loth« ringer es mit allen möglichen Bundesgenossenschaften versucht haben, sind sie auf die ihrer deutschen Unterthanen verfallen; verzichten sie anderen Plänen zu Liebe auf diese, so ist es um die Männer des Volksvertrauens von selbst geschehen. So ^lange diese die Augen offen haben, werden sie sich an das Friedensprogramm, das zugleich das Freiheitsprogramm ist, fest anklammern. Aber die einfache Forderung, dem Gesetz der Vernunft und des wahren, eigenen Vortheils zu folgen, ist leichter ausgesprochen als erfüllt. Innerhalb wie außerhalb Oestreichs erweisen sich die unvernünftigsten, aus den dunkelsten Quellen steigenden Motive zuweilen als die stärksten Triebfedern menschlichen Wollens und Handelns. Vcrantworiliche R,'docem>re: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Hrrbig. — Druck von Hiithel Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/128>, abgerufen am 05.02.2025.