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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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festigte Staatswesen pries, das kann man als Inconsequenz der politischen Ein¬
sicht und des Charakters tadeln; es liegt aber nichts vor, welches zu zweifeln
nöthigte, daß er diese Wandlung in ehrlicher Ueberzeugung durchgemacht
habe. Nie verleugnete Horaz später seine Vergangenheit und die, mit welchen
er sie getheilt; mit Anerkennung spricht er von der Schlacht bei Philippi,
wo Manneskraft gebrochen wurde, und bezeichnete in einer Ode zum Preise
des Augustus das Ende der Republik mit dem edlen Tode des Cato,
was die Gelehrten nachträglich in großen Schrecken gesetzt hat. Eine ein¬
flußreiche Stellung bei Augustus lehnte er ab und hielt sich von dessen Person
so entfernt, daß dieser seine Empfindlichkeit nicht zurückhielt. Das freund¬
schaftliche Verhältniß zum Mäcenas dagegen spricht er mit einer Wärme
und einem Freimuthe aus, wie sie einen feinfühlenden und wahrhaft unab¬
hängigen Mann erkennen lassen, dem grobe Schmeichelei unleidlich sein mußte.
Horaz versäumt nicht auf die großen Beispiele des Bacchus, Hercules,
Castor und Pollur hinzuweisen, welche durch übermenschliche Thaten und
Verdienste einen Platz unter den Göttern errungen hatten; er macht auch kein
Hehl daraus, daß es eigentlich der dichterische Nachruhm sei, welcher die Un¬
sterblichkeit verleihe und erhalte. Allein, wie immer Horaz mit seiner persön¬
lichen Ueberzeugung zu solcher Apotheose sich stellen mochte: wenn er wie
andere Dichter und Künstler Augustus mit göttlichen Attributen ausstattete,
wenn von Staats wegen angeordnet wurde, daß Augustus Namen in den
Gebeten der salischen Priester denen der Götter angereiht, bei gewissen
Festen sein Bild neben denen der Götter aufgestellt, beim Mahle ihm ge¬
spendet werden sollte, so lagen alle dem Anschauungen und Vorstellungen zu
Grunde, welche volksthümliche und nationale Geltung hatten. Für den
Glauben des Alterthums waren alle Götter geboren und erwachsen, der
Götterstaat war ein gewordener und hatte seine Geschichte, wie die einzelnen
Götter, ohne daß die Zuversicht zu den ewigen und unwandelbaren Gesetzen,
welche durch die Götter vertreten waren, dadurch beeinträchtigt wäre. Die
Heroen, deren Geschichte sür die antike Anschauung dieselbe unmittelbare Wahr¬
heit hatte, wie die der Götter, gab unzweifelhafte Beweise, wie das Band, welches
Menschen und Götter unlösbar vereinigte, hier wie dort fest verwachsen in
stetiger lebendiger Erneuerung begriffen sei. Ihre lebhafte Phantasie, für
welche jede ungewöhnliche Erscheinung und Leistung körperlicher und geistiger
Schönheit und Kraft eine unmittelbare Manifestation des Göttlichen war,
ließ sie wie von selbst auch ein Attribut des göttlichen Wesens darin erblicken.
Zwar war die Zeit des Augustus keine Zeit der einfachen, unbefangenen
Gläubigkeit, allein die Wurzeln Jahrhunderte lang im Gemüth und in der
Phantasie eines Volkes gepflegter Vorstellungen sitzen tief und fest und schla¬
gen immer wieder aus; und wenn der Staat für seine Anordnungen die-


Greuzboten I. 18V8. 13

festigte Staatswesen pries, das kann man als Inconsequenz der politischen Ein¬
sicht und des Charakters tadeln; es liegt aber nichts vor, welches zu zweifeln
nöthigte, daß er diese Wandlung in ehrlicher Ueberzeugung durchgemacht
habe. Nie verleugnete Horaz später seine Vergangenheit und die, mit welchen
er sie getheilt; mit Anerkennung spricht er von der Schlacht bei Philippi,
wo Manneskraft gebrochen wurde, und bezeichnete in einer Ode zum Preise
des Augustus das Ende der Republik mit dem edlen Tode des Cato,
was die Gelehrten nachträglich in großen Schrecken gesetzt hat. Eine ein¬
flußreiche Stellung bei Augustus lehnte er ab und hielt sich von dessen Person
so entfernt, daß dieser seine Empfindlichkeit nicht zurückhielt. Das freund¬
schaftliche Verhältniß zum Mäcenas dagegen spricht er mit einer Wärme
und einem Freimuthe aus, wie sie einen feinfühlenden und wahrhaft unab¬
hängigen Mann erkennen lassen, dem grobe Schmeichelei unleidlich sein mußte.
Horaz versäumt nicht auf die großen Beispiele des Bacchus, Hercules,
Castor und Pollur hinzuweisen, welche durch übermenschliche Thaten und
Verdienste einen Platz unter den Göttern errungen hatten; er macht auch kein
Hehl daraus, daß es eigentlich der dichterische Nachruhm sei, welcher die Un¬
sterblichkeit verleihe und erhalte. Allein, wie immer Horaz mit seiner persön¬
lichen Ueberzeugung zu solcher Apotheose sich stellen mochte: wenn er wie
andere Dichter und Künstler Augustus mit göttlichen Attributen ausstattete,
wenn von Staats wegen angeordnet wurde, daß Augustus Namen in den
Gebeten der salischen Priester denen der Götter angereiht, bei gewissen
Festen sein Bild neben denen der Götter aufgestellt, beim Mahle ihm ge¬
spendet werden sollte, so lagen alle dem Anschauungen und Vorstellungen zu
Grunde, welche volksthümliche und nationale Geltung hatten. Für den
Glauben des Alterthums waren alle Götter geboren und erwachsen, der
Götterstaat war ein gewordener und hatte seine Geschichte, wie die einzelnen
Götter, ohne daß die Zuversicht zu den ewigen und unwandelbaren Gesetzen,
welche durch die Götter vertreten waren, dadurch beeinträchtigt wäre. Die
Heroen, deren Geschichte sür die antike Anschauung dieselbe unmittelbare Wahr¬
heit hatte, wie die der Götter, gab unzweifelhafte Beweise, wie das Band, welches
Menschen und Götter unlösbar vereinigte, hier wie dort fest verwachsen in
stetiger lebendiger Erneuerung begriffen sei. Ihre lebhafte Phantasie, für
welche jede ungewöhnliche Erscheinung und Leistung körperlicher und geistiger
Schönheit und Kraft eine unmittelbare Manifestation des Göttlichen war,
ließ sie wie von selbst auch ein Attribut des göttlichen Wesens darin erblicken.
Zwar war die Zeit des Augustus keine Zeit der einfachen, unbefangenen
Gläubigkeit, allein die Wurzeln Jahrhunderte lang im Gemüth und in der
Phantasie eines Volkes gepflegter Vorstellungen sitzen tief und fest und schla¬
gen immer wieder aus; und wenn der Staat für seine Anordnungen die-


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[0105] festigte Staatswesen pries, das kann man als Inconsequenz der politischen Ein¬ sicht und des Charakters tadeln; es liegt aber nichts vor, welches zu zweifeln nöthigte, daß er diese Wandlung in ehrlicher Ueberzeugung durchgemacht habe. Nie verleugnete Horaz später seine Vergangenheit und die, mit welchen er sie getheilt; mit Anerkennung spricht er von der Schlacht bei Philippi, wo Manneskraft gebrochen wurde, und bezeichnete in einer Ode zum Preise des Augustus das Ende der Republik mit dem edlen Tode des Cato, was die Gelehrten nachträglich in großen Schrecken gesetzt hat. Eine ein¬ flußreiche Stellung bei Augustus lehnte er ab und hielt sich von dessen Person so entfernt, daß dieser seine Empfindlichkeit nicht zurückhielt. Das freund¬ schaftliche Verhältniß zum Mäcenas dagegen spricht er mit einer Wärme und einem Freimuthe aus, wie sie einen feinfühlenden und wahrhaft unab¬ hängigen Mann erkennen lassen, dem grobe Schmeichelei unleidlich sein mußte. Horaz versäumt nicht auf die großen Beispiele des Bacchus, Hercules, Castor und Pollur hinzuweisen, welche durch übermenschliche Thaten und Verdienste einen Platz unter den Göttern errungen hatten; er macht auch kein Hehl daraus, daß es eigentlich der dichterische Nachruhm sei, welcher die Un¬ sterblichkeit verleihe und erhalte. Allein, wie immer Horaz mit seiner persön¬ lichen Ueberzeugung zu solcher Apotheose sich stellen mochte: wenn er wie andere Dichter und Künstler Augustus mit göttlichen Attributen ausstattete, wenn von Staats wegen angeordnet wurde, daß Augustus Namen in den Gebeten der salischen Priester denen der Götter angereiht, bei gewissen Festen sein Bild neben denen der Götter aufgestellt, beim Mahle ihm ge¬ spendet werden sollte, so lagen alle dem Anschauungen und Vorstellungen zu Grunde, welche volksthümliche und nationale Geltung hatten. Für den Glauben des Alterthums waren alle Götter geboren und erwachsen, der Götterstaat war ein gewordener und hatte seine Geschichte, wie die einzelnen Götter, ohne daß die Zuversicht zu den ewigen und unwandelbaren Gesetzen, welche durch die Götter vertreten waren, dadurch beeinträchtigt wäre. Die Heroen, deren Geschichte sür die antike Anschauung dieselbe unmittelbare Wahr¬ heit hatte, wie die der Götter, gab unzweifelhafte Beweise, wie das Band, welches Menschen und Götter unlösbar vereinigte, hier wie dort fest verwachsen in stetiger lebendiger Erneuerung begriffen sei. Ihre lebhafte Phantasie, für welche jede ungewöhnliche Erscheinung und Leistung körperlicher und geistiger Schönheit und Kraft eine unmittelbare Manifestation des Göttlichen war, ließ sie wie von selbst auch ein Attribut des göttlichen Wesens darin erblicken. Zwar war die Zeit des Augustus keine Zeit der einfachen, unbefangenen Gläubigkeit, allein die Wurzeln Jahrhunderte lang im Gemüth und in der Phantasie eines Volkes gepflegter Vorstellungen sitzen tief und fest und schla¬ gen immer wieder aus; und wenn der Staat für seine Anordnungen die- Greuzboten I. 18V8. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/105>, abgerufen am 24.08.2024.