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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lassen wollen. Es war wohl ein Fehler, daß der Prinz im kritischen Momente
noch zu künsteln versuchte. Als er sah. daß sein rechter Flügel umgangen zu
werden drohte und der Gegner Streitkräfte entwickelte, die den seinigen weit
überlegen waren, mußte er wohl, statt noch durch eine Centralaction den Links-
abmarsch des Feindes aufhalten zu wollen, den einfachen Rückzug auf Rudol-
stadt anordnen. Aber als er diesen, den er eventuell vorbereitet hatte, nun
wirklich befahl (auf eigenes Ermessen, und nicht durch Hohenlohes Botschaft
bestimmt, die er persönlich nie erhielt); auch da war es noch nicht zu spät.
Mancherlei Unglück mußte jetzt zusammentreffen, um das Centrum durchbrechen
zu machen. Die Unbeweglichkeit der sächsischen Regimenter, die mit äußerster
Bravour fochten, aber nur geschlossen vorzugehen verstanden; der regellose frei¬
willige Angriff der sächsischen Schwadronen auf die französischen; der Wahnsinn
eines Batterieführers -- er mußte während des Gefechtes den Verstand ver¬
loren haben --, der durch nichts zu bewegen war. auf die deployirenden Husaren¬
regimenter mit Kartätschen zu schießen; diese Umstände wirkten zusammen, um
die Deroute von Wölsdorf herbeizuführen. Die schlimmen Folgen derselben
vervollständigte der Fall des Führers. Ohne dies unglückliche Ereigniß wären
die rechts von Wölsdorf stehenden Truppen wahrscheinlich in Ordnung über
die Schwarza zurückgeführt worden.

Wenn hier -- das wird man erkennen -- ein Leichtsinn begangen wurde,
so liegt er nicht dem Prinzen zur Last, und wäre dieser am Leben geblieben,
man würde ihn ebenso wenig zu beschuldigen gewagt haben wie Tauentzien,
der ebenfalls mit zu schwachen Kräften an einen wichtigen Punkt gestellt war.




Der Bericht, den wir nun folgen lassen, ist von dem ehrwürdigen Justiz¬
rath Windorf zu Saalfeld aufgezeichnet, der als zwanzigjähriger Jüngling
den Tag des Gefechtes erlebte. Er erzählt zunächst von dem. was man am
10. und 11. October in der Stadt selbst vom Prinzen Louis Ferdinand sah.

.Am Morgen des 10. October 1806 hörte man in Saalfeld das Klein-
gewehrfeuer, womit das Vorpostengefecht am Fuße der oberen Berge zwischen
den Franzosen und Deutschen eröffnet worden war. Zwischen acht und neun
Uhr kam der Prinz Louis Ferdinand von Preußen von Rudolstadt, wo er
einem Hofbälle beigewohnt, mit 2 Adjutanten, von Nosiitz und Friedrich
von Klitzing, durch das Blankenburger Thor in die Stadt geritten und stieg
vor dem Kaufmann Lairijzschen Hause, dem Eckhause links am Markte und der
obern Gasse, worin eine seine Restauration sich befand, mit seinen Adjutanten
ab. nahm darin Champagnerpunsch zu sich und ritt nach kurzem Aufenthalt zum
obern Thor hinaus. Das kräftige Ebenmaaß seiner Gestalt, der seine lebhafte
Ausdruck seines Gesichts, sein herrliches Auge -- Alles an ihm war schön. An


Grenzboten IV. 18V7. 12

lassen wollen. Es war wohl ein Fehler, daß der Prinz im kritischen Momente
noch zu künsteln versuchte. Als er sah. daß sein rechter Flügel umgangen zu
werden drohte und der Gegner Streitkräfte entwickelte, die den seinigen weit
überlegen waren, mußte er wohl, statt noch durch eine Centralaction den Links-
abmarsch des Feindes aufhalten zu wollen, den einfachen Rückzug auf Rudol-
stadt anordnen. Aber als er diesen, den er eventuell vorbereitet hatte, nun
wirklich befahl (auf eigenes Ermessen, und nicht durch Hohenlohes Botschaft
bestimmt, die er persönlich nie erhielt); auch da war es noch nicht zu spät.
Mancherlei Unglück mußte jetzt zusammentreffen, um das Centrum durchbrechen
zu machen. Die Unbeweglichkeit der sächsischen Regimenter, die mit äußerster
Bravour fochten, aber nur geschlossen vorzugehen verstanden; der regellose frei¬
willige Angriff der sächsischen Schwadronen auf die französischen; der Wahnsinn
eines Batterieführers — er mußte während des Gefechtes den Verstand ver¬
loren haben —, der durch nichts zu bewegen war. auf die deployirenden Husaren¬
regimenter mit Kartätschen zu schießen; diese Umstände wirkten zusammen, um
die Deroute von Wölsdorf herbeizuführen. Die schlimmen Folgen derselben
vervollständigte der Fall des Führers. Ohne dies unglückliche Ereigniß wären
die rechts von Wölsdorf stehenden Truppen wahrscheinlich in Ordnung über
die Schwarza zurückgeführt worden.

Wenn hier — das wird man erkennen — ein Leichtsinn begangen wurde,
so liegt er nicht dem Prinzen zur Last, und wäre dieser am Leben geblieben,
man würde ihn ebenso wenig zu beschuldigen gewagt haben wie Tauentzien,
der ebenfalls mit zu schwachen Kräften an einen wichtigen Punkt gestellt war.




Der Bericht, den wir nun folgen lassen, ist von dem ehrwürdigen Justiz¬
rath Windorf zu Saalfeld aufgezeichnet, der als zwanzigjähriger Jüngling
den Tag des Gefechtes erlebte. Er erzählt zunächst von dem. was man am
10. und 11. October in der Stadt selbst vom Prinzen Louis Ferdinand sah.

.Am Morgen des 10. October 1806 hörte man in Saalfeld das Klein-
gewehrfeuer, womit das Vorpostengefecht am Fuße der oberen Berge zwischen
den Franzosen und Deutschen eröffnet worden war. Zwischen acht und neun
Uhr kam der Prinz Louis Ferdinand von Preußen von Rudolstadt, wo er
einem Hofbälle beigewohnt, mit 2 Adjutanten, von Nosiitz und Friedrich
von Klitzing, durch das Blankenburger Thor in die Stadt geritten und stieg
vor dem Kaufmann Lairijzschen Hause, dem Eckhause links am Markte und der
obern Gasse, worin eine seine Restauration sich befand, mit seinen Adjutanten
ab. nahm darin Champagnerpunsch zu sich und ritt nach kurzem Aufenthalt zum
obern Thor hinaus. Das kräftige Ebenmaaß seiner Gestalt, der seine lebhafte
Ausdruck seines Gesichts, sein herrliches Auge — Alles an ihm war schön. An


Grenzboten IV. 18V7. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/93>, abgerufen am 20.10.2024.