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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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ihrem Dunkel herüberkommen sollen -- und eben jetzt beginnen die schätzbarsten
hervorzutreten -- die Thatsache eines verzweiflungsvollen Todes zu Passiren
haben, um von da sofort eine düstere Beleuchtung zu empfangen? Steht in
Wahrheit diese Thatsache, wohlan, so ziehe man die Schlußfolgerungen, welche
sie zuläßt. Aber einstweilen gilts zu untersuchen, was hier die Wahrheit sei.

Ehe wir unsern Gewährsmann reden lassen, haben wir noch zwei Punkte
zu erörtern, welche man bisher mit dem unglücklichen Ereignisse vom 10. Oct.
in das Verhältniß gegenseitiger Bestätigung zu setzen Pflegte. Zunächst die An¬
nahme, der Prinz sei in den letzten Tagen düster und befangen gewesen und
habe unter den verwirrenden Eindrücken stärkster persönlicher Erlebnisse gestanden.
Man deutet auf sein Liebesverhältniß. Davon sind wir nun durch die Samm¬
lung von Briefen genau unterrichtet, welche Alexander Büchner kürzlich heraus¬
gegeben und die Ludmilla Ussing aus Varnhagens Nachlasse vervollständigt hat.
Mochten andere von dem Verhältnisse zu Pauline Wiesel, das ihnen als un¬
würdig erschien, voraussetzen, daß es den Prinzen zwischen Leidenschaft und
Reue hin und hertreibe; der Prinz jedenfalls empfand nicht so. In der Fülle
der Liebesgluth, mit der Erwartung, für seine Anstrengungen den schönsten Lohn
in seiner Liebe zu finden und diese nach dem Kriege legalisiren lassen zu können, so
ging "er in den Kampf. In dieser Sphäre hatte er nur zu hoffen; hier gab es
für ihn keinen Antrieb, den Tod zu wünschen. Am 7. Sept. hatte er Paulinen
von Zwickau aus bedrängt, sich bald von ihrem Gatten scheiden zu lassen, und
am 2. October schrieb er ihr von Jena aus: "-- Daß wir in einer großen
Spannung und Erwartung sind, kannst Du leicht denken. Da der Krieg mehr
oder weniger von unserer ganzen Existenz entscheiden wird, so drängen unwill¬
kürlich sich ernste Gedanken dem Geiste auf; den schönsten Kampf jetzt zu kämpfen,
wo so viel Ruhm zu erwerben, so vielen Uebeln zu steuern, ist wahrlich ein
schönes, wichtiges Loos. auch habe ich von allen Freunden, allen Genüssen Ab¬
schied genommen und lebe nur. um in meinem Geschäftskreise mit der größesten
Energie zu wirken. Meinen süßesten Lohn, meine Pauline, erwarte ich darauf
von Dir; über jede Begebenheit, die mir geschehen, über jeden Succeß. den ich
haben werde, wird Deine Liebe einen sanften Schimmer verbreiten, allem wird
sich dies Gefühl beimischen. Daß Deine Gedanken mich stets begleiten, davon
bin ich überzeugt, gewiß, daß das Glück Deines Lebens nur von mir, durch
mich kommen kann." Pauline schickte ihm darauf, nach seinem Wunsche, ihr
Medaillon, und er trug es am Tage des Gefechtes auf der Brust.

Freilich, was dem Prinzen über die Lethargie des Hauptquartiers mitge¬
theilt worden war, machte ihn zornig und unmuthig. "Er hatte", erzählt Karl
v. Nostitz, "den Glauben an Erfolg ausgeben müssen und stützte sich nur auf
sich selbst. So reich war er an Heldenkraft, daß auch jene verzweiflungsvolle
Zeit ihn nicht beugte, und er, wenn Unverstand und Schwäche in der obern


ihrem Dunkel herüberkommen sollen — und eben jetzt beginnen die schätzbarsten
hervorzutreten — die Thatsache eines verzweiflungsvollen Todes zu Passiren
haben, um von da sofort eine düstere Beleuchtung zu empfangen? Steht in
Wahrheit diese Thatsache, wohlan, so ziehe man die Schlußfolgerungen, welche
sie zuläßt. Aber einstweilen gilts zu untersuchen, was hier die Wahrheit sei.

Ehe wir unsern Gewährsmann reden lassen, haben wir noch zwei Punkte
zu erörtern, welche man bisher mit dem unglücklichen Ereignisse vom 10. Oct.
in das Verhältniß gegenseitiger Bestätigung zu setzen Pflegte. Zunächst die An¬
nahme, der Prinz sei in den letzten Tagen düster und befangen gewesen und
habe unter den verwirrenden Eindrücken stärkster persönlicher Erlebnisse gestanden.
Man deutet auf sein Liebesverhältniß. Davon sind wir nun durch die Samm¬
lung von Briefen genau unterrichtet, welche Alexander Büchner kürzlich heraus¬
gegeben und die Ludmilla Ussing aus Varnhagens Nachlasse vervollständigt hat.
Mochten andere von dem Verhältnisse zu Pauline Wiesel, das ihnen als un¬
würdig erschien, voraussetzen, daß es den Prinzen zwischen Leidenschaft und
Reue hin und hertreibe; der Prinz jedenfalls empfand nicht so. In der Fülle
der Liebesgluth, mit der Erwartung, für seine Anstrengungen den schönsten Lohn
in seiner Liebe zu finden und diese nach dem Kriege legalisiren lassen zu können, so
ging „er in den Kampf. In dieser Sphäre hatte er nur zu hoffen; hier gab es
für ihn keinen Antrieb, den Tod zu wünschen. Am 7. Sept. hatte er Paulinen
von Zwickau aus bedrängt, sich bald von ihrem Gatten scheiden zu lassen, und
am 2. October schrieb er ihr von Jena aus: „— Daß wir in einer großen
Spannung und Erwartung sind, kannst Du leicht denken. Da der Krieg mehr
oder weniger von unserer ganzen Existenz entscheiden wird, so drängen unwill¬
kürlich sich ernste Gedanken dem Geiste auf; den schönsten Kampf jetzt zu kämpfen,
wo so viel Ruhm zu erwerben, so vielen Uebeln zu steuern, ist wahrlich ein
schönes, wichtiges Loos. auch habe ich von allen Freunden, allen Genüssen Ab¬
schied genommen und lebe nur. um in meinem Geschäftskreise mit der größesten
Energie zu wirken. Meinen süßesten Lohn, meine Pauline, erwarte ich darauf
von Dir; über jede Begebenheit, die mir geschehen, über jeden Succeß. den ich
haben werde, wird Deine Liebe einen sanften Schimmer verbreiten, allem wird
sich dies Gefühl beimischen. Daß Deine Gedanken mich stets begleiten, davon
bin ich überzeugt, gewiß, daß das Glück Deines Lebens nur von mir, durch
mich kommen kann." Pauline schickte ihm darauf, nach seinem Wunsche, ihr
Medaillon, und er trug es am Tage des Gefechtes auf der Brust.

Freilich, was dem Prinzen über die Lethargie des Hauptquartiers mitge¬
theilt worden war, machte ihn zornig und unmuthig. „Er hatte", erzählt Karl
v. Nostitz, „den Glauben an Erfolg ausgeben müssen und stützte sich nur auf
sich selbst. So reich war er an Heldenkraft, daß auch jene verzweiflungsvolle
Zeit ihn nicht beugte, und er, wenn Unverstand und Schwäche in der obern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/88>, abgerufen am 20.10.2024.