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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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kann nur in Verbindung mit einer andern gedacht werden, vielleicht einem nieder¬
geworfenen Feinde oder einem Thiere, welches das Pferd von unten her anpackt.

Genügendere Vorstellung können wir uns von der Darstellung des Frieses
machen. Derselbe umgab an dem Architrav des Pterons den ganzen Bau in
einer Länge von etwa 370 Fuß. Da die 12 Platten des Castells, die aus
Genua und die vier unter den Trümmern gefundenen über 90 Fuß Länge haben,
so ist doch immerhin der vierte Theil gerettet, die Platten sind 2' 11'/-" hoch.
Da sie in einer Höhe von 80--90' angebracht waren, sind sie in sehr starkem
Relief gearbeitet, Arme und Beine treten frei heraus und sind infolge dessen auch
stark verletzt. Dargestellt ist eine Amazoncnschlacht; die Kämpferinnen sind zum
Theil beritten, die Griechen sämmtlich zu Fuß. Die besterhaltenen Platten sind
die vier von Newton gefundenen, und da sich dieselben an der Ostseite, wo
Skodas arbeitete, befanden, so dürfen sie vermuthlich diesem Meister direct zu¬
geschrieben werden, und zwar um so eher, weil sie Figuren von einer Schönheit
enthalten, die neben dem berühmten Torso der Niobide im Museum Lniaramoirti
bestehen kann. Besonders sind die Körper der Amazonen von wunderbarer Fülle,
Frische und Lebendigkeit. Auch auf 3 Platten des Castells wird man berechtigt
sein, dieselbe Hand zu erkennen, die anderen sind von geringerer Bedeutung,
und auch wenn es uns nicht überliefert mare, daß verschiedene Meister an den
Sculpturen thätig waren, dieser Vergleich würde es ergeben. Arge Flüchtig¬
keiten begegnen nicht selten. Ueberhaupt erscheinen alle Figuren stark in die
Länge gezogen, was jedoch in der Rücksicht auf die perspectivische Wirkung be¬
gründet sein ma.;. Letzterm Umstände wird man es wohl auch zurechnen müssen,
daß die Figuren fast niemals in ähnlicher Weise wie auf dem Parthenon oder
Theseion zusammengedrängt sind, sondern vielmehr in loser Vertheilung auf
der Fläche für eine silhouettenhafte Wirkung berechnet erscheine". Durchgehende
sind sie viel gewaltsamer, üppiger und mehr aus Effect gearbeitet, als die Werke
aus der Zeit des Phidias.

Noch von zwei anderen Friesen sind Bruchstücke gefunden, und zwar von
einem Kentaurenkampf und einem Wagenrcnnen. Zu jenem gehört eine der
13 Platten des Castells, welche um einen Zoll niedriger ist als die vorigen
und von dem ersten Herausgeber Braun dem Amazonenkampf zugezählt wurde;
einige andere Stücke desselben wurden von Newton gefunden. Welche Stelle
er am Gebäude eingenommen hat, läßt sich nicht bestimmen, doch darf man aus
dem sehr starken Relief auf ziemliche Höhe schließen.

Von flachem Relief und zartester Arbeit ist dagegen der dritte Fries.
Von den Wagenlentcrn, die in langen Kleidern dargestellt sind und daher von
Newton fälschlich für Weiber angesehen wurden, ist besonders einer fast unver-
sehit erhalten, der die vollendetste Arbeit zeigt. Auch der Marmor ist viel seiner,
sodass man ihm wohl einen Platz im Innern des Gebäudes anweisen darf. Es


kann nur in Verbindung mit einer andern gedacht werden, vielleicht einem nieder¬
geworfenen Feinde oder einem Thiere, welches das Pferd von unten her anpackt.

Genügendere Vorstellung können wir uns von der Darstellung des Frieses
machen. Derselbe umgab an dem Architrav des Pterons den ganzen Bau in
einer Länge von etwa 370 Fuß. Da die 12 Platten des Castells, die aus
Genua und die vier unter den Trümmern gefundenen über 90 Fuß Länge haben,
so ist doch immerhin der vierte Theil gerettet, die Platten sind 2' 11'/-" hoch.
Da sie in einer Höhe von 80—90' angebracht waren, sind sie in sehr starkem
Relief gearbeitet, Arme und Beine treten frei heraus und sind infolge dessen auch
stark verletzt. Dargestellt ist eine Amazoncnschlacht; die Kämpferinnen sind zum
Theil beritten, die Griechen sämmtlich zu Fuß. Die besterhaltenen Platten sind
die vier von Newton gefundenen, und da sich dieselben an der Ostseite, wo
Skodas arbeitete, befanden, so dürfen sie vermuthlich diesem Meister direct zu¬
geschrieben werden, und zwar um so eher, weil sie Figuren von einer Schönheit
enthalten, die neben dem berühmten Torso der Niobide im Museum Lniaramoirti
bestehen kann. Besonders sind die Körper der Amazonen von wunderbarer Fülle,
Frische und Lebendigkeit. Auch auf 3 Platten des Castells wird man berechtigt
sein, dieselbe Hand zu erkennen, die anderen sind von geringerer Bedeutung,
und auch wenn es uns nicht überliefert mare, daß verschiedene Meister an den
Sculpturen thätig waren, dieser Vergleich würde es ergeben. Arge Flüchtig¬
keiten begegnen nicht selten. Ueberhaupt erscheinen alle Figuren stark in die
Länge gezogen, was jedoch in der Rücksicht auf die perspectivische Wirkung be¬
gründet sein ma.;. Letzterm Umstände wird man es wohl auch zurechnen müssen,
daß die Figuren fast niemals in ähnlicher Weise wie auf dem Parthenon oder
Theseion zusammengedrängt sind, sondern vielmehr in loser Vertheilung auf
der Fläche für eine silhouettenhafte Wirkung berechnet erscheine». Durchgehende
sind sie viel gewaltsamer, üppiger und mehr aus Effect gearbeitet, als die Werke
aus der Zeit des Phidias.

Noch von zwei anderen Friesen sind Bruchstücke gefunden, und zwar von
einem Kentaurenkampf und einem Wagenrcnnen. Zu jenem gehört eine der
13 Platten des Castells, welche um einen Zoll niedriger ist als die vorigen
und von dem ersten Herausgeber Braun dem Amazonenkampf zugezählt wurde;
einige andere Stücke desselben wurden von Newton gefunden. Welche Stelle
er am Gebäude eingenommen hat, läßt sich nicht bestimmen, doch darf man aus
dem sehr starken Relief auf ziemliche Höhe schließen.

Von flachem Relief und zartester Arbeit ist dagegen der dritte Fries.
Von den Wagenlentcrn, die in langen Kleidern dargestellt sind und daher von
Newton fälschlich für Weiber angesehen wurden, ist besonders einer fast unver-
sehit erhalten, der die vollendetste Arbeit zeigt. Auch der Marmor ist viel seiner,
sodass man ihm wohl einen Platz im Innern des Gebäudes anweisen darf. Es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/280>, abgerufen am 20.10.2024.