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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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erhalten, wohl aber scheinen die für eine Idealfigur zu reifen weiblichen For¬
men und auch die eigenthümliche Behandlung des Haares, das in drei Reihen
zierlicher Löckchen geordnet ist, eher auf eine Porträtfigur hinzuweisen. Man
würde dann wohl nur an Artemisia denken können, wobei die Möglichkeit
freilich nicht ausgeschlossen ist, daß unter ihrem Bilde das Land Karten dar¬
gestellt war. Außer der Beschädigung des Gesichts fehlen der Figur die Unter¬
arme und die Spitze des linken Fußes, im übrigen ist sie vorzüglich erhalten
und gehört zum Besten, was die Antike an Gewandstatuen hinterlassen.

Bon dem Wagen selbst sind nur kleine Bruchstücke aufgesunden, doch
ließ sich die Größe des 7' 7" Zoll hohen Rades bestimmen. Von den Pfer¬
den ist wenigstens ein Vorderteil) mit Hals und Kopf sowie ein Hinterleib voll¬
ständig da. Sie sind freier und malerischer behandelt, als wir es sonst an grie¬
chischen Pferden kennen; die Mähne flattert herab, die ganze Oberfläche ist
wellig und rauh bearbeitet. Freilich muß immer die Höhe von 140', in welcher
sie standen, in Betracht gezogen werden, einzelne von unten nicht sichtbare
Theile, wieder Rücken, scheinen vernachlässigt.

Die Bruchstücke menschlicher Figuren, welche sonst noch erhalten sind, be¬
finden sich sämmtlich in einem so jämmerlich verstümmelten Zustand, daß man
selten auch nur die Stellung derselben bestimmen kann. Die meisten sind jedoch
über lebensgroß. Eine Reihe derselben mag zwischen den Säulen gestan¬
den, andere zum Unterbau gehört haben. An einer sitzenden Figur hat man
Ähnlichkeit mit Zeusdarsiellungen finden wollen, ein Kopf wird als Apollo be¬
zeichnet, doch scheint die an mehreren erkennbare eigenthümliche Lockenfrisur, so
wie ein Kopf mit phrygischer Mütze darauf hinzuweisen, daß auch Pvrtrcit-
statuen, vielleicht aus der Familie oder der Ahnenrcihe des Verstorbenen darunter
ju suchen sind.

Unter den vielen Thierfiguren nehmen die Löwen den ersten Rang
wi. Ihr Erscheinen hat nichts Auffallendes, da der Löwe als Wächter des
Grabes ein sehr gebräuchliches Symbol ist. Dieselben sind an 5 Fuß hoch,
jedoch nicht alle von ganz gleicher Größe, so daß man annehmen kann, sie seien
M Punkten von verschiedener Höhe ausgestellt gewesen. Die Behandlung der
Formen ist auch nicht gleichmäßig, zuerst sind sie nach einem ziemlich starren
Schema gestaltet und so den strengen Formen der Architectur angepaßt; da¬
neben sind aber einzelne Köpfe von höchster Lebendigkeit und Naiurwahrheit;
auch die große Verschiedenheit i" der Haltung der Krallen ist bemerkenswerth.
Stücke anderer Thiere, Löwin, Panther, auch ein kolossaler Widder, ein Ochse,
ein Bär kamen vor, und da ein Hund von einer dem Bären entsprechenden
Größe gefunden ist, so können dies Theile einer Jagd sein. An eine Anzahl
freistehender Gruppen muß man wohl denken, denn es finden sich Figuren auf
einer Basis, die Felsboden darstellt, auch die erwähnte ansprengende Reitersigur


erhalten, wohl aber scheinen die für eine Idealfigur zu reifen weiblichen For¬
men und auch die eigenthümliche Behandlung des Haares, das in drei Reihen
zierlicher Löckchen geordnet ist, eher auf eine Porträtfigur hinzuweisen. Man
würde dann wohl nur an Artemisia denken können, wobei die Möglichkeit
freilich nicht ausgeschlossen ist, daß unter ihrem Bilde das Land Karten dar¬
gestellt war. Außer der Beschädigung des Gesichts fehlen der Figur die Unter¬
arme und die Spitze des linken Fußes, im übrigen ist sie vorzüglich erhalten
und gehört zum Besten, was die Antike an Gewandstatuen hinterlassen.

Bon dem Wagen selbst sind nur kleine Bruchstücke aufgesunden, doch
ließ sich die Größe des 7' 7" Zoll hohen Rades bestimmen. Von den Pfer¬
den ist wenigstens ein Vorderteil) mit Hals und Kopf sowie ein Hinterleib voll¬
ständig da. Sie sind freier und malerischer behandelt, als wir es sonst an grie¬
chischen Pferden kennen; die Mähne flattert herab, die ganze Oberfläche ist
wellig und rauh bearbeitet. Freilich muß immer die Höhe von 140', in welcher
sie standen, in Betracht gezogen werden, einzelne von unten nicht sichtbare
Theile, wieder Rücken, scheinen vernachlässigt.

Die Bruchstücke menschlicher Figuren, welche sonst noch erhalten sind, be¬
finden sich sämmtlich in einem so jämmerlich verstümmelten Zustand, daß man
selten auch nur die Stellung derselben bestimmen kann. Die meisten sind jedoch
über lebensgroß. Eine Reihe derselben mag zwischen den Säulen gestan¬
den, andere zum Unterbau gehört haben. An einer sitzenden Figur hat man
Ähnlichkeit mit Zeusdarsiellungen finden wollen, ein Kopf wird als Apollo be¬
zeichnet, doch scheint die an mehreren erkennbare eigenthümliche Lockenfrisur, so
wie ein Kopf mit phrygischer Mütze darauf hinzuweisen, daß auch Pvrtrcit-
statuen, vielleicht aus der Familie oder der Ahnenrcihe des Verstorbenen darunter
ju suchen sind.

Unter den vielen Thierfiguren nehmen die Löwen den ersten Rang
wi. Ihr Erscheinen hat nichts Auffallendes, da der Löwe als Wächter des
Grabes ein sehr gebräuchliches Symbol ist. Dieselben sind an 5 Fuß hoch,
jedoch nicht alle von ganz gleicher Größe, so daß man annehmen kann, sie seien
M Punkten von verschiedener Höhe ausgestellt gewesen. Die Behandlung der
Formen ist auch nicht gleichmäßig, zuerst sind sie nach einem ziemlich starren
Schema gestaltet und so den strengen Formen der Architectur angepaßt; da¬
neben sind aber einzelne Köpfe von höchster Lebendigkeit und Naiurwahrheit;
auch die große Verschiedenheit i» der Haltung der Krallen ist bemerkenswerth.
Stücke anderer Thiere, Löwin, Panther, auch ein kolossaler Widder, ein Ochse,
ein Bär kamen vor, und da ein Hund von einer dem Bären entsprechenden
Größe gefunden ist, so können dies Theile einer Jagd sein. An eine Anzahl
freistehender Gruppen muß man wohl denken, denn es finden sich Figuren auf
einer Basis, die Felsboden darstellt, auch die erwähnte ansprengende Reitersigur


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[0279] erhalten, wohl aber scheinen die für eine Idealfigur zu reifen weiblichen For¬ men und auch die eigenthümliche Behandlung des Haares, das in drei Reihen zierlicher Löckchen geordnet ist, eher auf eine Porträtfigur hinzuweisen. Man würde dann wohl nur an Artemisia denken können, wobei die Möglichkeit freilich nicht ausgeschlossen ist, daß unter ihrem Bilde das Land Karten dar¬ gestellt war. Außer der Beschädigung des Gesichts fehlen der Figur die Unter¬ arme und die Spitze des linken Fußes, im übrigen ist sie vorzüglich erhalten und gehört zum Besten, was die Antike an Gewandstatuen hinterlassen. Bon dem Wagen selbst sind nur kleine Bruchstücke aufgesunden, doch ließ sich die Größe des 7' 7" Zoll hohen Rades bestimmen. Von den Pfer¬ den ist wenigstens ein Vorderteil) mit Hals und Kopf sowie ein Hinterleib voll¬ ständig da. Sie sind freier und malerischer behandelt, als wir es sonst an grie¬ chischen Pferden kennen; die Mähne flattert herab, die ganze Oberfläche ist wellig und rauh bearbeitet. Freilich muß immer die Höhe von 140', in welcher sie standen, in Betracht gezogen werden, einzelne von unten nicht sichtbare Theile, wieder Rücken, scheinen vernachlässigt. Die Bruchstücke menschlicher Figuren, welche sonst noch erhalten sind, be¬ finden sich sämmtlich in einem so jämmerlich verstümmelten Zustand, daß man selten auch nur die Stellung derselben bestimmen kann. Die meisten sind jedoch über lebensgroß. Eine Reihe derselben mag zwischen den Säulen gestan¬ den, andere zum Unterbau gehört haben. An einer sitzenden Figur hat man Ähnlichkeit mit Zeusdarsiellungen finden wollen, ein Kopf wird als Apollo be¬ zeichnet, doch scheint die an mehreren erkennbare eigenthümliche Lockenfrisur, so wie ein Kopf mit phrygischer Mütze darauf hinzuweisen, daß auch Pvrtrcit- statuen, vielleicht aus der Familie oder der Ahnenrcihe des Verstorbenen darunter ju suchen sind. Unter den vielen Thierfiguren nehmen die Löwen den ersten Rang wi. Ihr Erscheinen hat nichts Auffallendes, da der Löwe als Wächter des Grabes ein sehr gebräuchliches Symbol ist. Dieselben sind an 5 Fuß hoch, jedoch nicht alle von ganz gleicher Größe, so daß man annehmen kann, sie seien M Punkten von verschiedener Höhe ausgestellt gewesen. Die Behandlung der Formen ist auch nicht gleichmäßig, zuerst sind sie nach einem ziemlich starren Schema gestaltet und so den strengen Formen der Architectur angepaßt; da¬ neben sind aber einzelne Köpfe von höchster Lebendigkeit und Naiurwahrheit; auch die große Verschiedenheit i» der Haltung der Krallen ist bemerkenswerth. Stücke anderer Thiere, Löwin, Panther, auch ein kolossaler Widder, ein Ochse, ein Bär kamen vor, und da ein Hund von einer dem Bären entsprechenden Größe gefunden ist, so können dies Theile einer Jagd sein. An eine Anzahl freistehender Gruppen muß man wohl denken, denn es finden sich Figuren auf einer Basis, die Felsboden darstellt, auch die erwähnte ansprengende Reitersigur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/279>, abgerufen am 27.09.2024.