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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Parlamentiren wurde der Preis auf 20 Pfund festgesetzt. Ich machte dem
alten Soliman mit dem Geld in der Hand in seinem eigenen Hause meine Auf¬
wartung und fand mich nun in der angenehmen Lage, die ehrenvolle Bekannt¬
schaft von Madame Soliman zu machen, die mit den Runzeln auf ihrem
mahagonifarbenen Gesicht eine stark ausgeprägte Familienähnlichkeit mit den
Eumeniden zeigte. Der Alte starrte gedankenvoll auf den Schah, als ob er nie
so viel Geld in seinem Leben gesehen hätte. "Es ist nicht genug", schrie die
hartnäckige alte Hexe. Ich strich auf der Stelle mein kleines Häufchen Gold
ein und ging ab. Diese schroffe Maßregel fruchtete mehr als stundenlanges Un¬
terhandeln: zwei Tage später besaß ich das Haus."

"Das neuerworbene Stückchen war bald genug abgegraben und ich wußte
nun nicht, wie wir weiter kommen sollten. Zu derselben Zeit entdeckten wir
verschiedene Gänge, die aus dem festen Felsen herausgehauen waren und zu
denen in jener zuerst entdeckten verticalen Wand ein Eingang führte. Jenkins,
mein wackrer Corporol, war ganz entzückt über die Entdeckung dieser unterirdi¬
schen Wege, bei denen er seine Kenntnisse in der Behandlung von Minen zur
Geltung bringen konnte und entwickelte solchen Eifer, sie zu durchsuchen, daß er
beinahe in der schlechten Luft erstickt wäre. Deshalb mußte er zuweilen ans
Tageslicht durchstoßen; da tauchte er denn bald in einem Garten, bald in
einem Hofe auf, zum Schrecken der älteren, aber zum großen Vergnügen der jünge¬
ren Hausbewohnerinnen. Viel Erhebliches fand sich jedoch in den Gängen nicht." --

"Da Plinius den Umfang des oblongen Mausoleums auf 411 Fuß angiebt,
so berechnete ich mir, daß eine Seite desselben wohl über 100' lang gewesen
sein müsse. Da die vertical bearbeitete Linie des Felsens, welche ich ver¬
folgte und welche die Westseite bilden mußte, nach Süden hin plötzlich ab¬
brach, so nahm ich an, daß hier ungefähr die Südwestecke des Gebäudes sei,
und maß 100 Fuß nach Norden hin ab. um auf diese Weise die Nordwestecke
zu finden. Einige Fuß Weiterhin schien mir die Bodengestaltung auf einen
derartigen Winkel hinzudeuten. Ich verschaffte mir deshalb von dem Eigen¬
thümer die Erlaubniß, auf seinem schmalen Ackerstreifen nachzugraben, stieß zu
meiner größten Freude auf die scharf aus dem Felsen herausgeschnittene Ecke
und fand auch hier dieselben Bruchstücke von Aichitectur, Löwen und anderer
Bildhauerarbeit. Da diese Ecke von der südwestlichen 108 Fuß entfernt war,
so konnte ich nun schon ziemlich genau die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes
und meinen Ausgrabungsplan bestimmen. Aus Plinius wußte ich, daß die
Seite von Ost nach West etwas länger sei als die von Nord nach Süd, danach
bemaß ich die wahrscheinliche Länge derselben, untersuchte den Boden und
stieß zuletzt auf die Südostecke in einer Entfernung von 126' von der Süd¬
westecke. Auf dieser Linie stand eine Gasse mit 3 Häusern, die ich mit ver¬
schiedenen Verzögerungen endlich verkauft bekam. Nun brauchte ich nur noch


Parlamentiren wurde der Preis auf 20 Pfund festgesetzt. Ich machte dem
alten Soliman mit dem Geld in der Hand in seinem eigenen Hause meine Auf¬
wartung und fand mich nun in der angenehmen Lage, die ehrenvolle Bekannt¬
schaft von Madame Soliman zu machen, die mit den Runzeln auf ihrem
mahagonifarbenen Gesicht eine stark ausgeprägte Familienähnlichkeit mit den
Eumeniden zeigte. Der Alte starrte gedankenvoll auf den Schah, als ob er nie
so viel Geld in seinem Leben gesehen hätte. „Es ist nicht genug", schrie die
hartnäckige alte Hexe. Ich strich auf der Stelle mein kleines Häufchen Gold
ein und ging ab. Diese schroffe Maßregel fruchtete mehr als stundenlanges Un¬
terhandeln: zwei Tage später besaß ich das Haus."

„Das neuerworbene Stückchen war bald genug abgegraben und ich wußte
nun nicht, wie wir weiter kommen sollten. Zu derselben Zeit entdeckten wir
verschiedene Gänge, die aus dem festen Felsen herausgehauen waren und zu
denen in jener zuerst entdeckten verticalen Wand ein Eingang führte. Jenkins,
mein wackrer Corporol, war ganz entzückt über die Entdeckung dieser unterirdi¬
schen Wege, bei denen er seine Kenntnisse in der Behandlung von Minen zur
Geltung bringen konnte und entwickelte solchen Eifer, sie zu durchsuchen, daß er
beinahe in der schlechten Luft erstickt wäre. Deshalb mußte er zuweilen ans
Tageslicht durchstoßen; da tauchte er denn bald in einem Garten, bald in
einem Hofe auf, zum Schrecken der älteren, aber zum großen Vergnügen der jünge¬
ren Hausbewohnerinnen. Viel Erhebliches fand sich jedoch in den Gängen nicht." —

„Da Plinius den Umfang des oblongen Mausoleums auf 411 Fuß angiebt,
so berechnete ich mir, daß eine Seite desselben wohl über 100' lang gewesen
sein müsse. Da die vertical bearbeitete Linie des Felsens, welche ich ver¬
folgte und welche die Westseite bilden mußte, nach Süden hin plötzlich ab¬
brach, so nahm ich an, daß hier ungefähr die Südwestecke des Gebäudes sei,
und maß 100 Fuß nach Norden hin ab. um auf diese Weise die Nordwestecke
zu finden. Einige Fuß Weiterhin schien mir die Bodengestaltung auf einen
derartigen Winkel hinzudeuten. Ich verschaffte mir deshalb von dem Eigen¬
thümer die Erlaubniß, auf seinem schmalen Ackerstreifen nachzugraben, stieß zu
meiner größten Freude auf die scharf aus dem Felsen herausgeschnittene Ecke
und fand auch hier dieselben Bruchstücke von Aichitectur, Löwen und anderer
Bildhauerarbeit. Da diese Ecke von der südwestlichen 108 Fuß entfernt war,
so konnte ich nun schon ziemlich genau die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes
und meinen Ausgrabungsplan bestimmen. Aus Plinius wußte ich, daß die
Seite von Ost nach West etwas länger sei als die von Nord nach Süd, danach
bemaß ich die wahrscheinliche Länge derselben, untersuchte den Boden und
stieß zuletzt auf die Südostecke in einer Entfernung von 126' von der Süd¬
westecke. Auf dieser Linie stand eine Gasse mit 3 Häusern, die ich mit ver¬
schiedenen Verzögerungen endlich verkauft bekam. Nun brauchte ich nur noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/270>, abgerufen am 20.10.2024.