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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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die Nordostecke, um den Plan zu vollenden. Diese konnte genau berechnet wer¬
den und befand sich glücklicher Weise auf einer öffentlichen Straße, wo man
meinen Nachgrabungen nichts in den Weg legte."--

Aus der Lage der hier gefundenen Trümmer ergab sich, daß die Ritter
die dunkelgrünen Steine des Unterbaues bis zum lebendigen Felsen hinunter
fortgeschafft hatten; da sie aber dies nicht schichtenweise thaten, sondern erst an
einzelnen Stellen bis zum Boden drangen, so stürzten noch oben befindliche
Theile des alten Grabtempels und der Sculpturen in die so gebildeten Höhlen
hinunter und blieben auf dem Boden liegen, wo sie Newton fand. Das her¬
vorragendste Stück der Bildwerke, die sich jetzt sämmtlich im LritlLir Uuscnim
befinden, ist eine kolossale Neitcrstgur in orientalischem Costüm, leider sind vom
Pferde nur der Körper und die Schenkel, vom. Reiter nur die Beine, der Unter¬
körper und die linke Hand erhalten. AIs die Figur noch nicht mit Erde be¬
deckt war, hatten die Bewohner Stücke davon mit einem Schmiedehammer ab¬
geschlagen, von denen man noch etliche in einer Gartenmauer wiederfand. Trotz
dieser argen Verstümmelung ist die Lebendigkeit und Schönheit der Figur von
größter Bedeutung. Ferner fand man einen sitzenden weiblichen Torso und
das Untertheil einer bekleideten Figur, beide von kolossaler Größe. Bon dem
Fries, der eine Anzahl Platten zum Schmucke deS Castells hatte hergeben
müssen, war noch immer nichts Vollständiges zu finden gewesen, sodaß Newton
die Hoffnung schon aufgab. Da stießen sie eines Tages plötzlich auf die Rück¬
seite einer großen Platte und als sie dieselbe umkehrten, zeigte sich die herrlichste
Figur einer reitenden Amazone. Ein allgemeiner Schrei der Freude und Be¬
wunderung entfuhr den Lippen der türkischen Arbeiter, als sie diese "Kiz"
(Mädchen) sahen, wie sie die Figur nannten. Es war das erstemal, daß sie
in dem, was die Engländer da ausgruben, eine Ähnlichkeit mit etwas ihnen
Bekannten wahrnahmen. Beim Fortgang der Arbeiten kam man auf eine
noch wohl erhaltene marmorne Freitreppe und einen riesigen Steinblock, der
augenscheinlich zum Verschluß des Grabportals gedient hatte. An .der untern
Seile befanden sich dicke bronzene Dübel, welche jedoch nicht in die dazu be¬
stimmten Löcher eingesenkt waren, was durch Zufall unterblieben sein kann.

Wie Newton endlich in den Besitz jener im Castell eingemauerten Löwen
gelangt ist, mag mit den Worten seines Briefes erzählt sein.

"Während wir diese Entdeckungen im Mausoleum machten, warteten wir
ängstlich auf den Firman, der uns zur Fortschaffung der vor einem Jahr von
Mir entdeckten Löwen berechtigen sollte. Durch unvermeidbare Hindernisse ver¬
schleppte es sich jedoch und in derselben Zeit erhielt der Commandeur des Castells
plötzlich Befehl vom türkischen Kriegsminister, die Löwe" von den Wällen los¬
zubrechen und nach Constantinopel zu schicken. Er machte sich gleich ans Werk
und schon "ach wenigen Tagen waren zwei der schönsten heruntergeholt. Es


die Nordostecke, um den Plan zu vollenden. Diese konnte genau berechnet wer¬
den und befand sich glücklicher Weise auf einer öffentlichen Straße, wo man
meinen Nachgrabungen nichts in den Weg legte."--

Aus der Lage der hier gefundenen Trümmer ergab sich, daß die Ritter
die dunkelgrünen Steine des Unterbaues bis zum lebendigen Felsen hinunter
fortgeschafft hatten; da sie aber dies nicht schichtenweise thaten, sondern erst an
einzelnen Stellen bis zum Boden drangen, so stürzten noch oben befindliche
Theile des alten Grabtempels und der Sculpturen in die so gebildeten Höhlen
hinunter und blieben auf dem Boden liegen, wo sie Newton fand. Das her¬
vorragendste Stück der Bildwerke, die sich jetzt sämmtlich im LritlLir Uuscnim
befinden, ist eine kolossale Neitcrstgur in orientalischem Costüm, leider sind vom
Pferde nur der Körper und die Schenkel, vom. Reiter nur die Beine, der Unter¬
körper und die linke Hand erhalten. AIs die Figur noch nicht mit Erde be¬
deckt war, hatten die Bewohner Stücke davon mit einem Schmiedehammer ab¬
geschlagen, von denen man noch etliche in einer Gartenmauer wiederfand. Trotz
dieser argen Verstümmelung ist die Lebendigkeit und Schönheit der Figur von
größter Bedeutung. Ferner fand man einen sitzenden weiblichen Torso und
das Untertheil einer bekleideten Figur, beide von kolossaler Größe. Bon dem
Fries, der eine Anzahl Platten zum Schmucke deS Castells hatte hergeben
müssen, war noch immer nichts Vollständiges zu finden gewesen, sodaß Newton
die Hoffnung schon aufgab. Da stießen sie eines Tages plötzlich auf die Rück¬
seite einer großen Platte und als sie dieselbe umkehrten, zeigte sich die herrlichste
Figur einer reitenden Amazone. Ein allgemeiner Schrei der Freude und Be¬
wunderung entfuhr den Lippen der türkischen Arbeiter, als sie diese „Kiz"
(Mädchen) sahen, wie sie die Figur nannten. Es war das erstemal, daß sie
in dem, was die Engländer da ausgruben, eine Ähnlichkeit mit etwas ihnen
Bekannten wahrnahmen. Beim Fortgang der Arbeiten kam man auf eine
noch wohl erhaltene marmorne Freitreppe und einen riesigen Steinblock, der
augenscheinlich zum Verschluß des Grabportals gedient hatte. An .der untern
Seile befanden sich dicke bronzene Dübel, welche jedoch nicht in die dazu be¬
stimmten Löcher eingesenkt waren, was durch Zufall unterblieben sein kann.

Wie Newton endlich in den Besitz jener im Castell eingemauerten Löwen
gelangt ist, mag mit den Worten seines Briefes erzählt sein.

„Während wir diese Entdeckungen im Mausoleum machten, warteten wir
ängstlich auf den Firman, der uns zur Fortschaffung der vor einem Jahr von
Mir entdeckten Löwen berechtigen sollte. Durch unvermeidbare Hindernisse ver¬
schleppte es sich jedoch und in derselben Zeit erhielt der Commandeur des Castells
plötzlich Befehl vom türkischen Kriegsminister, die Löwe» von den Wällen los¬
zubrechen und nach Constantinopel zu schicken. Er machte sich gleich ans Werk
und schon »ach wenigen Tagen waren zwei der schönsten heruntergeholt. Es


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[0271] die Nordostecke, um den Plan zu vollenden. Diese konnte genau berechnet wer¬ den und befand sich glücklicher Weise auf einer öffentlichen Straße, wo man meinen Nachgrabungen nichts in den Weg legte."-- Aus der Lage der hier gefundenen Trümmer ergab sich, daß die Ritter die dunkelgrünen Steine des Unterbaues bis zum lebendigen Felsen hinunter fortgeschafft hatten; da sie aber dies nicht schichtenweise thaten, sondern erst an einzelnen Stellen bis zum Boden drangen, so stürzten noch oben befindliche Theile des alten Grabtempels und der Sculpturen in die so gebildeten Höhlen hinunter und blieben auf dem Boden liegen, wo sie Newton fand. Das her¬ vorragendste Stück der Bildwerke, die sich jetzt sämmtlich im LritlLir Uuscnim befinden, ist eine kolossale Neitcrstgur in orientalischem Costüm, leider sind vom Pferde nur der Körper und die Schenkel, vom. Reiter nur die Beine, der Unter¬ körper und die linke Hand erhalten. AIs die Figur noch nicht mit Erde be¬ deckt war, hatten die Bewohner Stücke davon mit einem Schmiedehammer ab¬ geschlagen, von denen man noch etliche in einer Gartenmauer wiederfand. Trotz dieser argen Verstümmelung ist die Lebendigkeit und Schönheit der Figur von größter Bedeutung. Ferner fand man einen sitzenden weiblichen Torso und das Untertheil einer bekleideten Figur, beide von kolossaler Größe. Bon dem Fries, der eine Anzahl Platten zum Schmucke deS Castells hatte hergeben müssen, war noch immer nichts Vollständiges zu finden gewesen, sodaß Newton die Hoffnung schon aufgab. Da stießen sie eines Tages plötzlich auf die Rück¬ seite einer großen Platte und als sie dieselbe umkehrten, zeigte sich die herrlichste Figur einer reitenden Amazone. Ein allgemeiner Schrei der Freude und Be¬ wunderung entfuhr den Lippen der türkischen Arbeiter, als sie diese „Kiz" (Mädchen) sahen, wie sie die Figur nannten. Es war das erstemal, daß sie in dem, was die Engländer da ausgruben, eine Ähnlichkeit mit etwas ihnen Bekannten wahrnahmen. Beim Fortgang der Arbeiten kam man auf eine noch wohl erhaltene marmorne Freitreppe und einen riesigen Steinblock, der augenscheinlich zum Verschluß des Grabportals gedient hatte. An .der untern Seile befanden sich dicke bronzene Dübel, welche jedoch nicht in die dazu be¬ stimmten Löcher eingesenkt waren, was durch Zufall unterblieben sein kann. Wie Newton endlich in den Besitz jener im Castell eingemauerten Löwen gelangt ist, mag mit den Worten seines Briefes erzählt sein. „Während wir diese Entdeckungen im Mausoleum machten, warteten wir ängstlich auf den Firman, der uns zur Fortschaffung der vor einem Jahr von Mir entdeckten Löwen berechtigen sollte. Durch unvermeidbare Hindernisse ver¬ schleppte es sich jedoch und in derselben Zeit erhielt der Commandeur des Castells plötzlich Befehl vom türkischen Kriegsminister, die Löwe» von den Wällen los¬ zubrechen und nach Constantinopel zu schicken. Er machte sich gleich ans Werk und schon »ach wenigen Tagen waren zwei der schönsten heruntergeholt. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/271>, abgerufen am 27.09.2024.